Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesarbeitsgericht

Unangemessenheit der Ausbildungsvergütung


Bundesarbeitsgericht zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nach der Verkehrsanschauung
Mit seiner Klage verlangt der Kläger auf der Grundlage der tariflichen Ausbildungsvergütung die Zahlung weiterer 21.678,02 Euro brutto

(21.05.15) - Ausbildende haben Auszubildenden gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG eine angemessene Vergütung zu gewähren. Maßgeblich für die Angemessenheit ist die Verkehrsanschauung. Wichtigster Anhaltspunkt für diese sind die einschlägigen Tarifverträge. Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht mehr angemessen, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelte um mehr als 20 vH unterschreitet. Handelt es sich bei dem Ausbildenden um eine gemeinnützige juristische Person, rechtfertigt allein der Status der Gemeinnützigkeit es nicht, bei der Prüfung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung von einer Orientierung an den einschlägigen Tarifverträgen abzusehen.

Eine durch Spenden Dritter finanzierte Ausbildungsvergütung, die mehr als 20 vH unter den tariflichen Sätzen liegt, ist allerdings noch nicht zwingend unangemessen. Vielmehr kann der Ausbildende die darauf gerichtete Vermutung widerlegen, indem er darlegt, dass besondere Umstände die niedrigere Ausbildungsvergütung rechtfertigen.

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Zweck der Förderung der qualifizierten Berufsausbildung. Dazu schließt er Berufsausbildungsverträge ab. Die Ausbildung der Auszubildenden erfolgt in seinen Mitgliedsbetrieben. Der im September 1990 geborene Kläger bewarb sich im Januar 2008 bei einem solchen Mitgliedsunternehmen um einen Ausbildungsplatz zum Maschinen- und Anlageführer. Der Berufsausbildungsvertrag wurde mit dem Beklagten geschlossen. Die Ausbildung erfolgte in dem Unternehmen, bei dem sich der Kläger beworben hatte. Dieser erhielt während des Ausbildungsverhältnisses vom 1. September 2008 bis zum 7. Februar 2012 nur ca. 55 vH der Ausbildungsvergütung nach den Tarifverträgen für die Metall und Elektroindustrie in Bayern.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger auf der Grundlage der tariflichen Ausbildungsvergütung die Zahlung weiterer 21.678,02 Euro brutto.

Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht die Unangemessenheit der vom Beklagten gezahlten Ausbildungsvergütung festgestellt und entgegen der Ansicht des Beklagten rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Ausbildungsvergütung auch eine Entlohnung der geleisteten Arbeit darstellt. Diese kam zwar nicht dem Beklagten selbst, jedoch seinem Mitgliedsunternehmen zugute. Besondere Umstände, die geeignet sein könnten, trotz des Unterschreitens der tariflichen Ausbildungssätze um fast 50 vH die Vermutung der Unangemessenheit der vom Beklagten gezahlten Ausbildungsvergütung zu widerlegen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Beklagte hat solche Umstände auch nicht dargetan.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. April 2015 - 9 AZR 108/14 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 4. September 2013 - 7 Sa 374/13 -
(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 29. April 2015: ra)


Meldungen: Bundesarbeitsgericht

  • Vergütungsfrage für Betriebsratsmitglieder

    Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Mitglieder des Betriebsrats Anspruch auf Erhöhung ihres Arbeitsentgelts in dem Umfang, in dem das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung steigt (§ 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG*). Für das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Anspruchs ist grundsätzlich das Betriebsratsmitglied darlegungs- und beweisbelastet. Korrigiert der Arbeitgeber eine mitgeteilte und gewährte Vergütungserhöhung, die sich für das Betriebsratsmitglied als Anpassung seines Entgelts entsprechend § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darstellen durfte, hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass die Vergütungserhöhung objektiv fehlerhaft war.

  • Virtuelle Aktienoptionen & Karenzentschädigung

    In die Berechnung einer Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB fließen auch Leistungen aus einem virtuellen Aktienoptionsprogramm ein. Das gilt jedoch nur, wenn die Optionsrechte im noch bestehenden Arbeitsverhältnis ausgeübt worden sind.

  • Kündigungsschutz in der Schwangerschaft

    Erlangt eine Arbeitnehmerin schuldlos erst nach Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG* Kenntnis von einer beim Zugang des Kündigungsschreibens bereits bestehenden Schwangerschaft, ist die verspätete Kündigungsschutzklage auf ihren Antrag gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG** nachträglich zuzulassen.

  • Schadensersatz bei verspäteter Zielvorgabe

    Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, dem Arbeitnehmer rechtzeitig für eine Zielperiode Ziele vorzugeben, an deren Erreichen die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe), löst dies, wenn eine nachträgliche Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann, grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitnehmers nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB iVm. § 283 Satz 1 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung aus.

  • Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts

    Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) schließt sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristsachen an, wonach ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen hat, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen