Handy als tragbare "Wanze"


Auskunft der Deutschen Bundesregierung: Die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt setzen keine Mobiltelefone als "Wanzen" ein
Der Einsatz einer derartigen Technik sowohl zu präventiven als auch repressiven Zwecken ist auch nicht geplant


(08.10.07) - Die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt setzen keine Mobiltelefone als "Wanzen" ein. Der Einsatz einer derartigen Technik ist auch nicht geplant. Dies teilt die Deutsche Bundesregierung in ihrer Antwort (16/6529) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/6328) mit.

Zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel und operativer Methodik durch Nachrichtendienste des Bundes nehme die Regierung grundsätzlich nur in dem dafür zuständigen parlamentarischen Kontrollgremium Stellung. Damit sei "keine Aussage darüber getroffen, ob die den Fragen zugrunde liegenden Annahmen oder Vermutungen" zuträfen oder nicht.

Vorbemerkung der Fragesteller
Wie "Spiel Online" am 14. Juli 2007 berichtete, benutzt die deutsche Polizei ferngesteuerte Handys, um Kriminelle abzuhören. Die Geräte würden dazu so umprogrammiert, dass sie ausgeschaltet aussehen, in Wirklichkeit aber Umgebungsgeräusche übertragen. Mehrere Landeskriminalämter setzten bereits die Technik ein, bei der die Software der Mobiltelefone dazu so umprogrammiert werde, dass die Freisprecheinrichtung aktiviert wird, ohne dass der Benutzer es merke. Das BKA, so ein Sprecher, verfüge ebenfalls über diese Fähigkeiten, wende sie laut "de.internet.com" (14. Juli 2007) derzeit aber nicht
an.

Im Zuge eines Prozesses gegen zwei mutmaßliche New Yorker Mafiosi wurde bereits im letzten Jahr bekannt, dass das US-amerikanische FBI die Handys der Angeklagten zu mobilen Wanzen umfunktioniert hatte, die auch dann noch ihren Dienst taten, wenn die Geräte vermeintlich abgeschaltet waren (vgl.: "Spiegel Online" vom 19. Dezember 2006). Laut "Spiegel Online"-Bericht seien dabei Motorolas "Razr" und ein Modell der 900er-Serie von Samsung zu Wanzen umgerüstet worden, wobei offensichtlich das so genannte OTA (Over-The-Air Programming) genutzt worden sei, das automatische Updates der Handysoftware oder bestimmter Inhalte erlaubt.

Ziel des Einsatzes dieser Technik ist es also offensichtlich nicht primär, die Telefongespräche des Handyträgers abzuhören, sondern das Mobiltelefon darüber hinaus als tragbare Wanze zur mobilen Raumüberwachung und damit zum Abhören einer unbegrenzten Zahl von Kontakten und Gesprächsteilnehmern einzusetzen.

1. Welche Sicherheitsbehörden des Bundes einschließlich der Geheimdienste setzen Mobiltelefone als Wanzen ein, und seit wann?
Die Bundespolizei (BPOL), das Bundeskriminalamt (BKA) und das Zollkriminalamt (ZKA) setzen keine Mobiltelefone als "Wanzen" ein. Der Einsatz einer derartigen Technik sowohl zu präventiven als auch repressiven Zwecken ist auch nicht geplant. Zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel und operativer Methodik durch Nachrichtendienste des Bundes nimmt die Bundesregierung grundsätzlich nur in dem hierfür zuständigen parlamentarischen Kontrollgremium Stellung; damit ist keine Aussage darüber getroffen, ob die den Fragen zugrunde liegenden Annahmen oder Vermutungen zutreffen oder nicht.

2. Auf welchen Rechtsgrundlagen erfolgten und erfolgen jeweils diese Maßnahmen?

3. Wer ordnet diese Art der polizeilichen und geheimdienstlichen Abhörmaßnahmen an, und wie werden diese kontrolliert?
Siehe Antwort zu Frage 1.

4. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob in den einzelnen Bundesländern Mobiltelefone als Wanzen eingesetzt wurden und werden (wenn ja, bitte nach Bundesländern, Dauer der Maßnahme, einsetzender Behörde und Anlass aufschlüsseln)?
a) Wurden die Betroffenen nach Beendigung der Maßnahme über das Abhören informiert?
b) Besteht eine Rechtsgrundlage auf Informationspflicht gegenüber der abhörenden Behörde?
c) Hören deutsche Sicherheitsbehörden auch EU-Ausländer und Drittstaatenangehörige ab?
Wenn ja, wie viele Personen waren/sind davon über welchen Zeitraum betroffen, und erstreckt sich die Maßnahme ggf. auch über die deutschen Grenzen hinaus?
Die Bundesregierung äußert sich nicht zu Angelegenheiten der Bundesländer.

5. Mit welcher Technik welcher Firmen werden die Handys als Wanzen genutzt?

6. Gibt es derzeit Programme im Bund und den Ländern zur Weiterentwicklung dieser Technik?
Wenn ja, welche Behörden und welche Firmen sind daran beteiligt, und in welcher Höhe werden dabei Mittel aus den Bundeshaushalten 2005 bis 2008 eingesetzt?

7. Welche Mobiltelefonmodelle sind derzeit zum Einsatz als Wanze geeignet?
a) Arbeiten Mobiltelefonhersteller bei der Entwicklung von Handys, die als Wanzen benutzt werden können, mit deutschen Sicherheitsbehörden zusammen? Wenn ja, welche Firmen sind dies?
b) Nutzen deutsche Sicherheitsbehörden Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit von Mobiltelefonherstellern mit ausländischen Sicherheitskräften? Wenn ja, von welchen?

8. Lassen sich mit dieser Technik auch andere auf dem Handy gespeicherte Daten unbemerkt vom abgehörten Mobiltelefon abziehen, und wenn ja, wurde und wird diesbereitspraktiziert (bitte nach Datenart, Handymodell, Behörde und Anzahl der Fälle aufschlüsseln)?

9. Wo und auf welcher Rechtsgrundlage wurden und werden die abgehörten Gespräche und ggf. abgezapfte Daten wie lange gespeichert?
Siehe Antwort zu Frage 1.

10. Sind der Bundesregierung Fälle nichtpolizeilicher Abhörmaßnahmen bekannt? Wenn ja, welche?
Nein, soweit die Fragesteller damit auf nicht-staatliche Maßnahmen abzielen; vgl. im Übrigen Antwort zu Frage 1.

11. Sind der Bundesregierung Möglichkeiten des Schutzes vor dieser Art des Handymissbrauchs bekannt, und wenn ja, welche sind dies?
Die Bundesregierung kann zur Beantwortung dieser Frage auf entsprechende Erläuterungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik verweisen. Aus Sicht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist die effektivste Schutzmaßnahme ein Vermeiden des Mitführens von Handys bei Gesprächen mit sensitivem Inhalt, die Detektion jedweder Mobilfunkaktivität im Raum durch den vom BSI entwickelten Mobilfunkdetektor "MDS" sowie das Deaktivieren sämtlicher drahtloser Schnittstellen von Mobilfunkgeräten.
(Deutsche Bundesregierung: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Sorgfaltspflichten für Online-Dienste

    Bei einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses ist das von der Bundesregierung geplante Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene von den geladenen Sachverständigen überwiegend begrüßt worden. Moderate Kritik wurde an einzelnen Punkten des Entwurfs zur Umsetzung laut.

  • Einsatz von KI birgt auch Risiken

    Die Deutsche Bundesregierung erkennt in der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) ein "vielfältiges und beträchtliches" Potenzial für Beschäftigte und den Arbeitsmarkt. KI könne die Produktivität von Beschäftigten steigern und diese bei ihren Tätigkeiten entlasten.

  • EU-Plastikabgabe weiter in Abstimmung

    Die Deutsche Bundesregierung befindet sich momentan noch in der Abstimmung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Verschiedene Optionen würden geprüft.

  • Bedeutung gemeinwohlorientierter Unternehmen

    Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), hat bei der Aussprache zur Unterrichtung des Bundestages zur Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Wirtschaftsausschuss die Bedeutung des Programms betont.

  • Mehr Recycling-Anreize

    In seiner derzeitigen Form hat Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes aus Sicht der Bundesregierung für die Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen bereits ein wichtiges Signal in Richtung des ökologischen Verpackungsdesigns gesetzt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen