KfW-Kredit an Wirecard im Jahr 2018


Die KfW IPEX-Bank, die Darlehen für Infrastrukturprojekte deutscher und europäischer Unternehmen vergibt, habe im September 2018 der Wirecard AG einen 100-Millionen-Euro-Kredit gewährt
Trotz der Beispiellosigkeit der Vorgänge bei Wirecard, und obwohl der Kreditausfall von Wirecard "kein normaler Kreditausfall wegen typischer Unternehmensrisiken" gewesen sei, habe man sich bei der KfW IPEX-Bank im Nachhinein gefragt, "ob wir alles richtig gemacht haben" und eine Innenrevision begonnen



"Einen beispiellosen Fall der Fälschung eines Drittels der Bilanzsumme"hat Klaus R. Michalak, Vorsitzender der Geschäftsführung der KfW IPEX-Bank GmbH, die Vorgänge bei Wirecard genannt. Michalak war einer von mehreren Zeugen aus dem Bankensektor, die dem 3. Untersuchungsausschuss ("Wirecard") unter Vorsitz von Kay Gottschalk (AfD) in öffentlicher Sitzung zu dem Engagement ihrer Häuser bei dem insolventen Zahlungsdienstleister Rede und Antwort standen.

Die KfW IPEX-Bank, die Darlehen für Infrastrukturprojekte deutscher und europäischer Unternehmen vergibt, habe im September 2018 der Wirecard AG einen 100-Millionen-Euro-Kredit gewährt, weil dieses Unternehmen "zu diesem Zeitpunkt ein zukunftsträchtiges und international erfolgreiches Geschäftsmodell im Bereich der Zahlungsdienstleistungen zu haben schien", so der Zeuge. Wirecard habe über die Jahre weltweit eine große Zahl namhafter Kunden gewinnen können und sei vom Aktienindex TecDax in den deutschen Leitindex (Dax 30) aufgestiegen. Mit der Kreditlinie habe man dem Unternehmen weitere Akquisitionen möglich machen wollen.

Trotz der Beispiellosigkeit der Vorgänge bei Wirecard, und obwohl der Kreditausfall von Wirecard "kein normaler Kreditausfall wegen typischer Unternehmensrisiken" gewesen sei, habe man sich bei der KfW IPEX-Bank im Nachhinein gefragt, "ob wir alles richtig gemacht haben" und eine Innenrevision begonnen. Michalak bemühte sich, dem Ausschuss die sorgfältige hausinterne Abwägung von Risiken und "mitigierenden Signalen" bei der Kreditentscheidung darzulegen. Auf der einen Seite sei da die negative Presseberichterstattung renommierter Organe wie der Financial Time gewesen, die man rezipiert habe. Auf der anderen Seite habe man sich stets auf die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY testierten jährlichen Bilanzen verlassen.

Die Ausschussmitglieder interessierte, inwieweit der Aufsichtsrat und die ihm angehörenden beiden Staatssekretäre mit Entscheidungen der Bank gegenüber dem Kunden Wirecard befasst waren. Michalak: Zum ersten Mal, als publik wurde, dass Wirecard 2020 keine testierte Jahresbilanz mehr bekommen sollte. Man habe dann umgehend die zuständige Bundesaufsicht (Bafin) sowie den eigenen Aufsichtsrat informiert und Strafanzeige gegen das Wirecard-Management bei der Staatsanwaltschaft gestellt.

Bereits als die zuletzt mit der Prüfung beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG habe in ihrem Bericht vom April 2020 den Verbleib von enormen Cash-Positionen nicht nachweisen können: "Das war natürlich ein intensives Warnsignal." Warum jenseits der Kreditvergabe die Kundenbeziehung zu Wirecard nicht schon zuvor ein Fall für den Aufsichtsrat gewesen sei, wollte der Ausschuss wissen. Weil das Engagement bei Wirecard unterhalb der internen Schwellen für Rating und Volumen gelegen habe, ab der das Gremium damit zu befassen sei, entgegnete Michalak.

"Es gab Warnsignale. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und uns sehr ausführlich und detailliert damit auseinandergesetzt." Auch die Entscheidung über eine Kreditverlängerung im September 2019 sei "nach sorgfältiger Abwägung getroffen worden". Nicht nur die kritischen Berichte über Wirecard habe man einbezogen. Das Geschäftsmodell habe den Analysten der Bank trotz der in diesem Bereich unüblich hohen Margen plausibel erschienen. "Der digitale Fortschritt" habe das "gerechtfertigt."

Und: Auf Nachfragen unsererseits habe das "Management von Wirecard immer sehr schnell reagiert und plausible Erklärungen gegeben, sagte Michalak. Bedenken hätten so stets "zur Zufriedenheit" der Bank ausgeräumt werden können. Das sei auch noch im Frühjahr 2020 so gewesen, nach Veröffentlichung des KPMG-Gutachtens. Wirecard habe zugesagt, die Bereiche Compliance und Revision auszubauen und auch einen ordentlichen testierten Jahresabschluss angekündigt. Wozu es dann nicht mehr kam. Schließlich habe seine Bank 90 Millionen Euro abgeschrieben und mit den finanziellen Forderungen auch das Klagerecht abgetreten, sagte der Zeuge. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 19.01.21
Newsletterlauf: 12.03.21


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Sorgfaltspflichten für Online-Dienste

    Bei einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses ist das von der Bundesregierung geplante Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene von den geladenen Sachverständigen überwiegend begrüßt worden. Moderate Kritik wurde an einzelnen Punkten des Entwurfs zur Umsetzung laut.

  • Einsatz von KI birgt auch Risiken

    Die Deutsche Bundesregierung erkennt in der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) ein "vielfältiges und beträchtliches" Potenzial für Beschäftigte und den Arbeitsmarkt. KI könne die Produktivität von Beschäftigten steigern und diese bei ihren Tätigkeiten entlasten.

  • EU-Plastikabgabe weiter in Abstimmung

    Die Deutsche Bundesregierung befindet sich momentan noch in der Abstimmung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Verschiedene Optionen würden geprüft.

  • Bedeutung gemeinwohlorientierter Unternehmen

    Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), hat bei der Aussprache zur Unterrichtung des Bundestages zur Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Wirtschaftsausschuss die Bedeutung des Programms betont.

  • Mehr Recycling-Anreize

    In seiner derzeitigen Form hat Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes aus Sicht der Bundesregierung für die Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen bereits ein wichtiges Signal in Richtung des ökologischen Verpackungsdesigns gesetzt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen