Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Weitere Urteile

Keine "Einrichtung mit sozialem Charakter"


Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Gutachtertätigkeiten im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
Finanzamt war der Auffassung, dass die Gutachtertätigkeit weder nach nationalem noch nach Unionsrecht umsatzsteuerfrei sei



Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 24.02.2021 - XI R 30/20 (XI R 11/17) entschieden, dass Leistungen einer Gutachterin, die im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten erstellt, nach nationalem Recht nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Auch eine Steuerbefreiung nach dem Unionsrecht ist nicht zu gewähren.

Die Klägerin, eine ausgebildete Krankenschwester mit medizinischer Grundausbildung und akademischer Ausbildung im Bereich der Pflegewissenschaft sowie einer Weiterbildung in Qualitätsmanagement im Bereich der Pflege, erstellte für den MDK Niedersachsen Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten. Die Leistungen rechnete der MDK monatlich ihr gegenüber ab, wobei er keine Umsatzsteuer auswies. Die Umsätze aus der Gutachtertätigkeit erklärte die Klägerin als steuerfrei, nahm jedoch den Vorsteuerabzug aus allen Eingangsleistungen ungekürzt in Anspruch. Das Finanzamt war allerdings der Auffassung, dass die Gutachtertätigkeit weder nach nationalem noch nach Unionsrecht umsatzsteuerfrei sei. Deshalb unterwarf es die Umsätze der Umsatzsteuer. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt.

Der BFH hob das stattgebende Urteil auf. Seiner Auffassung nach handelt es sich bei den im Rahmen der Gutachtertätigkeit erbrachten Leistungen zwar um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. Dabei schadet es nicht, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht an den jeweiligen Hilfsbedürftigen, sondern an den MDK erbracht hat. Ein erfolgreiches Berufen auf die Steuerbefreiung nach dem Unionsrecht scheitert im Streitfall allerdings daran, dass die Klägerin nicht von der Bundesrepublik Deutschland als "Einrichtung mit sozialem Charakter" anerkannt ist; eine solche Anerkennung, die Voraussetzung für die unionsrechtliche Steuerbefreiung ist, folgt insbesondere nicht aus der nur mittelbaren Kostenerstattung über den MDK. (Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs vom 1. Juli 2021: ra)

eingetragen: 28.07.21
Newsletterlauf: 19.10.21


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>



Meldungen: Weitere Urteile

  • Verdeckte Gewinnausschüttung?

    Eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensverschiebung von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter setzt einen Zuwendungswillen voraus. Ein solcher kann aufgrund eines Irrtums des Gesellschafter-Geschäftsführers fehlen.

  • Bekämpfung von Steuerhinterziehung

    Schweizer Banken können Informationen zu Konten und Depots deutscher Staatsangehöriger an die deutsche Finanzverwaltung übermitteln. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 23.01.2024 - IX R 36/21 entschieden. Der BFH sieht in der Übermittlung von Informationen zu ausländischen Bankkonten an die deutschen Steuerbehörden keine Verletzung der Grundrechte der inländischen Steuerpflichtigen.

  • Werbungskosten & Aufstiegsfortbildung

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 23.11.2023 - VI R 9/21 entschieden, dass ein teilweiser Darlehenserlass bei der beruflichen Aufstiegsfortbildung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes) führt.

  • Fluorierte Treibhausgase & fehlende Pflichtangaben

    Die Wettbewerbszentrale ist seit Mitte 2023 in aktuell elf Fällen gegen teils umweltbezogene Werbung mit Bezug zur Energiewende vorgegangen. Die Fälle betrafen vor allem den Markt für Photovoltaik- und Solaranlagen, Wärmepumpen und Klimaanlagen.

  • Gewinnermittlung nach der Tonnage

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 19.10.2023 - IV R 13/22 dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob § 52 Abs. 10 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -) verstößt, soweit diese Vorschrift die rückwirkende Anwendung des § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG für Wirtschaftsjahre anordnet, die nach dem 31.12.1998 beginnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen