Mehr Mitspracherecht in der EU
Abschlussbericht: Taskforce schlägt neues Konzept für mehr Subsidiarität bei EU-Politik vor
EU-Kommission will nur tätig werden, wenn das Handeln auf EU-Ebene einen Mehrwert bringt
Die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eingesetzte Taskforce für Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und "Weniger, aber effizienteres Handeln" hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Darin wird u.a. eine neue Arbeitsweise empfohlen, mit der die lokalen, regionalen und nationalen Behörden bei der Politikgestaltung der EU mehr Mitspracherecht erhalten sollen. Außerdem schlägt die Taskforce ein neues Konzept der "aktiven Subsidiarität" vor, das den Mehrwert des EU-Rechts sowie die Vorteile für die Bürger sicherstellen und in den Mitgliedstaaten zu mehr Eigenverantwortung bei Entscheidungen der Union führen soll.
"Unsere Union kann nicht ohne die aktive und gleichberechtigte Beteiligung der lokalen Behörden, der EU-Organe und aller zwischengeschalteten Regierungsebenen aufgebaut werden", so Präsident Juncker. "Ich werde die Empfehlungen der Taskforce sorgfältig prüfen und hoffe, dass die politisch Verantwortlichen der anderen Organe und der nationalen Behörden diese Überlegungen so wie ich in den Mittelpunkt ihrer künftigen Arbeit stellen werden."
Kommissionspräsident Juncker sagte weiter: "Ich möchte, dass sich unsere Union stärker auf wesentliche Dinge konzentriert. Daher strebt diese Kommission danach, mit ganzer Kraft an Lösungen für große Fragen zu arbeiten und sich in kleinen Fragen zurückzuhalten. Genau deshalb habe ich eine Taskforce für Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit eingerichtet, um sicherzustellen, dass wir nur tätig werden, wenn das Handeln auf EU-Ebene einen Mehrwert bringt. Ich möchte Frans Timmermans und den anderen Mitgliedern der Taskforce für diesen wichtigen Bericht danken."
In ihrem Bericht gibt die Taskforce Antworten auf drei Fragen des Kommissionspräsidenten: Wie können die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit innerhalb der EU-Organe besser angewandt werden? Wie können die regionalen und lokalen Behörden sowie die nationalen Parlamente besser in die Gestaltung und Umsetzung der EU-Politik einbezogen werden? Gibt es Politikbereiche, in denen den Mitgliedstaaten im Laufe der Zeit Befugnisse rückübertragen werden könnten?
Die Mitglieder der Taskforce äußerten sich wie folgt: "Wir sprechen uns für eine neue Arbeitsweise aus, mit der die lokalen, regionalen und nationalen Behörden bei der Politikgestaltung der EU mehr Mitspracherecht erhalten – so könnten Qualität und Wirksamkeit der Rechtsvorschriften verbessert werden. Dabei bleiben die Rollen der verschiedenen EU-Organe, der nationalen, regionalen und lokalen Behörden sowie der nationalen Parlamente in vollem Umfang gewahrt. Wir schlagen ein neues Konzept der "aktiven Subsidiarität" vor, das den Mehrwert des EU-Rechts sowie die Vorteile für die Bürger sicherstellen und in den Mitgliedstaaten zu mehr Eigenverantwortung bei Entscheidungen der Union führen soll. Wir bitten nun Präsident Juncker und die Europäische Kommission, mit den anderen Organen zusammenzuarbeiten, um unsere Empfehlungen voranzubringen."
Die Taskforce kam zu dem Schluss, dass eine neue Arbeitsweise im Umgang mit Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit erforderlich ist, damit lokale und regionale Behörden sowie nationale Parlamente einen wirksameren Beitrag zur Politikgestaltung der EU und zur Ausarbeitung neuer Rechtsvorschriften leisten können. Im Zuge des vorgeschlagenen neuen Konzepts würden Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit auf allen Regierungsebenen auf der Grundlage eines "Musterrasters" – einer Art von Prüfliste für Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit – konsequenter bewertet.
Die Taskforce empfiehlt zudem, bei der nächsten Gelegenheit für eine Überarbeitung des EU-Vertrags das Zeitfenster, das den nationalen Parlamenten zur Übermittlung ihrer Standpunkte zur Verfügung steht, um 50 Prozent auszudehnen, und zwar von acht Wochen auf zwölf Wochen. Ferner empfiehlt die Taskforce den drei EU-Organen, sich auf ein mehrjähriges Schwerpunktprogramm für eine Neuausrichtung der Arbeit der EU in einigen Politikbereichen zu verständigen, die zu einer wirksameren Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften führen würde, ohne dass dazu neue Rechtsvorschriften auf den Weg gebracht werden müssten. Dies baut auf wesentlich zielgerichteteren Arbeitsprogrammen der Kommission, die unter der Juncker-Kommission eingeführt wurden, sowie auf den jährlichen Gemeinsamen Erklärungen auf, die von den drei Organen in Bezug auf die im jeweiligen Jahr anzunehmenden vorrangigen Dossiers vereinbart wurden.
Nach Auffassung der Taskforce sollte das neue Konzept auf das bestehende Regelwerk der Europäischen Union sowie auf alle neuen politischen Initiativen Anwendung finden. Die Interessenträger haben der Taskforce eine Reihe von Vorschlägen zu EU-Rechtsvorschriften und -Strategien unterbreitet, für die eine Überprüfung der Kriterien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eingeleitet werden könnte.
Präsident Juncker hat erklärt, er werde den Bericht der Taskforce prüfen und für Folgemaßnahmen sorgen. Die Europäische Kommission bereitet nun, wie in ihrem Arbeitsprogramm 2018 angekündigt, eine Mitteilung über die weitere Stärkung der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sowie über eine bessere Rechtsetzung in der täglichen Arbeitsweise der Europäischen Union vor. Der österreichische EU-Ratsvorsitz wird im November in Bregenz eine Konferenz zum Thema Subsidiarität veranstalten, die die Gelegenheit bietet, den Bericht der Taskforce weiter zu erörtern und zu prüfen, wie ihre Empfehlungen umgesetzt werden können.
Hintergrund
Die Taskforce Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und "Weniger, aber effizienteres Handeln" wurde im November 2017 von Präsident Juncker eingesetzt. Die Taskforce sollte untersuchen, welche Rolle die lokalen und regionalen Behörden bei der Politikgestaltung und der Umsetzung der Politik der Europäischen Union spielen, welchen Stellenwert die Subsidiarität und die Verhältnismäßigkeit bei der Arbeit der Organe und Einrichtungen der Union haben und ob die Zuständigkeit für bestimmte Politikbereiche an die Mitgliedstaaten rückübertragen werden sollte.
Die Taskforce kam sieben Mal zusammen, um diese drei Fragen zu erörtern. Auf der Grundlage dieser Erörterungen, einer öffentlichen Anhörung und der Beiträge zahlreicher Interessenträger enthält der Bericht der Taskforce neun Empfehlungen sowie konkrete Umsetzungsmaßnahmen. Die Empfehlungen richten sich an nationale Parlamente, nationale, regionale und lokale Behörden, das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Ausschuss der Regionen und die Europäische Kommission.
Der Taskforce, die vom Ersten Vizepräsidenten der Kommission Frans Timmermans geleitet wird, gehören drei Mitglieder des Europäischen Ausschusses der Regionen – Präsident Karl-Heinz Lambertz (Belgien), Michael Schneider (Deutschland) und François Decoster (Frankreich) – sowie drei Mitglieder der nationalen Parlamente – Toomas Vitsut (Estland), Kristian Vigenin (Bulgarien) und Reinhold Lopatka (Österreich) – an.
(Europäische Kommission: ra)
eingetragen: 04.08.18
Newsletterlauf: 12.09.18
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