Internationale Luftrachtdienste & Preiskartelle
Kartellrecht: Kommission ahndet vier Preiskartelle von Speditionsunternehmen mit 169 Mio. EUR Geldbuße
Die Deutsche Post hatte die Europäische Kommission als erstes über die Kartelle unterrichtet
(12.04.12) - Die Europäische Kommission hat gegenüber 14 internationalen Unternehmensgruppen wegen ihrer Beteiligung an vier getrennten Kartellen Geldbußen in Höhe von insgesamt 169 Mio. EUR verhängt. Die Kartelllisten haben in der Zeit von 2002 bis 2007 Preise und andere Handelsbedingungen für internationale Luftfrachtdienste abgesprochen und somit gegen EU-Kartellrecht verstoßen. Die Absprachen der Speditionsunternehmen bezogen sich auf Aufschläge und Rechnungsstellungsmechanismen für besonders wichtige Verbindungen, insbesondere für Europa-USA und China/Hongkong-Europa. Jedes der vier Kartelle unterscheidet sich in seiner Zusammensetzung und Dauer. Da die Deutsche Post die Kommission als erstes über die Kartelle unterrichtete hatte, wurden ihr (und ihren Tochtergesellschaften DHL und Exel) nach der Kronzeugenregelung von 2006 die Geldbußen für alle vier Kartelle vollständig erlassen.
"In Krisenzeiten ist es umso wichtiger, die versteckten Abgaben auszumerzen, die Kartells unserer Wirtschaft auferlegen. Diese Kartelle beeinträchtigen Individuen und Unternehmen, welche Güter auf wichtigen Handelsrouten transportieren. Viele europäische Exporteure und Konsumenten von importierten Gütern sind beeinträchtigt worden. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass es ihnen teuer zu stehen kommt, wenn sie zu weit gehen und Preise absprechen", sagte der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission, Joaquín Almunia.
Spediteure bieten für Unternehmen und Privatpersonen Tür-zu-Tür-Luftfrachtdiensten. In vier verschiedenen Kartellen haben die Kartelllisten für diese Dienste vier unterschiedliche Aufschläge mit entsprechenden Rechnungsstellungsmechanismen, die in den vom Kunden zu zahlenden Endpreis einfließen, festgelegt und koordiniert.
In den meisten Fällen haben die Kartelllisten Maßnahmen ergriffen, um das Kartellverhalten zu verschleiern. In dem weiter unten beschriebenen NES-Kartell ("New Export System" – NES) standen die Unternehmen über den sogenannten "Gardening Club", in dem in den Preisvereinbarungsgesprächen Gemüsesorten (z. B. Spargel und Mini-Zucchini) als Codenamen verwendet wurden, miteinander in Kontakt. Des Weiteren wurde im Rahmen des CAF-Kartells (CAF = Currency Adjustment Factor = Währungsausgleichsfaktor) eine eigene E-Mail-Adresse bei Yahoo eingerichtet, um den Austausch zwischen den Kartelllisten zu erleichtern.
Die Höhe der Geldbußen wurde nach den Leitlinien 2006 zur Festsetzung von Geldbußen festgelegt. Der Deutschen Post (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften DHL und Exel) wurden die Geldbußen vollständig erlassen. Die Geldbußen für die Deutsche Bahn (einschließlich Schenker und BAX), CEVA, Agility und Yusen wurden um 5 bis zu 50 Prozent gesenkt. Die Höhe der Ermäßigung der Geldbußen richtet sich nach dem Zeitpunkt, zu dem die Unternehmen ihre Zusammenarbeit anboten, und dem Wert der von ihnen Unternehmen vorgelegten Beweismittel für den Nachweis des betreffenden Kartells.
Die vier Kartelle
Als 2003 im Vereinigten Königreich ein elektronisches System zur vorgezogenen Abfertigung von Ausfuhren eingeführt wurde, verständigten sich die Speditionsunternehmen im Rahmen des NES-Kartells auf einen Aufschlag für die mit dem neuen Ausfuhrsystem (New Export System – NES) verbundene Dienstleistungen. Die Höhe dieses Aufschlags sollte sich nach der Größe des Kunden richten (das sogenannte NES-Kartell).
Bei dem "Advanced Manifest System" (AMS) handelt es sich um ein von den US-Behörden eingeführtes Zollverfahren, das die Übermittlung von Informationen über Einfuhren in die USA noch vor Ankunft der Fracht in den USA vorsieht. In der Zeit von 2003 bis 2004 vereinbarte eine Gruppe von Speditionsunternehmen die Einführung eines Aufschlags für AMS-bezogene Dienstleistungen, d. h. für die elektronische Übermittlung der vom US-amerikanischen Zoll geforderten Angaben (das "AMS-Kartell"). Des Weiteren verständigten sie sich darauf, dass dieser AMS-Aufschlag nicht als Wettbewerbsinstrument eingesetzt werden sollte.
Das NES- und das AMS-Kartell bezogen sich auf Ausfuhren aus Europa in Drittländer bzw. auf Ausfuhren aus Europa in die USA.
Das CAF-Kartell (CAF = Currency Adjustment Factor = Währungsausgleichsfaktor) entstand als Reaktion auf die Aufwertung der chinesischen Währung Renminbi (RMB) gegenüber dem US-Dollar (USD) im Jahr 2005. Die beteiligten internationalen Spediteure vereinbarten eine Umstellung aller Verträge mit ihren Kunden von USD auf RMB und, sofern dies nicht möglich war, die Einführung des CAF-Aufschlags und dessen Höhe. Anlass für diese Absprachen war der Umstand, dass die Speditionsunternehmen die lokalen Dienste auf den chinesischen Flughäfen in RMB abrechneten, die Rechnungen an die Versender jedoch mehrheitlich in USD ausstellten, so dass den Unternehmen möglicherweise finanzielle Nachteile entstanden.
Im PSS-Kartell wurden in sogenannten "Frühstückstreffen" in Hongkong die Einführung, die zeitliche Festlegung und zum Teil auch die Höhe eines Hauptsaisonzuschlags ("Peak Season Surcharge" – PSS) für die Zeit vor Weihnachten (in der Regel September bis Dezember) vereinbart.
Das CAF- und das PSS-Kartell bezogen sich auf Ausfuhren aus China/Honkong nach Europa.
Hintergrund
Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Kartelle und wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen untersagt
Die Ermittlungen der Kommission begannen mit unangemeldeten Nachprüfungen im Oktober 2007. Am 5. Februar 2010 erließt die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, zu der die Unternehmen Stellung nehmen konnten und angehört wurden.
Schadenersatzklagen
Alle Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadenersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs und der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates sind Kommissionsbeschlüsse ein bindender Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Auch wenn die Kommission gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen verhängt hat, kann Schadenersatz gewährt werden, auf den die Geldbuße der Kommission nicht mindernd angerechnet wird.
Nach Auffassung der Kommission sollten begründete Schadenersatzansprüche auf eine angemessene Entschädigung der Opfer einer Zuwiderhandlung ausgerichtet sein.
Weitere Informationen zu Schadenersatzklagen einschließlich der öffentlichen Konsultation und einer Bürgerinfo finden Sie unter: http://ec.europa.eu/comm/competition/antitrust/actionsdamages/documents.html
(Europäische Kommission: ra)
Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>