Verpflichtungen aus dem EU-Vergaberecht
Öffentliches Auftragswesen: Kommission will erreichen, dass Deutschland EuGH-Urteil über betriebliche Altersversorgung im kommunalen öffentlichen Dienst einhält
2010 urteilte der Gerichtshof, dass Verträge über die betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer des kommunalen öffentlichen Dienstes nach dem EU-Vergaberecht (Richtlinie 2004/18/EG) nur nach unionsweiter Ausschreibung vergeben werden dürfen
(17.03.11) - Die Europäische Kommission hat beschlossen, von Deutschland Auskunft über die Maßnahmen zur Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs von 2010 (C-271/08) zu verlangen, wonach Deutschland gegen seine Verpflichtungen aus dem EU-Vergaberecht verstoßen hat, indem es Verträge über betriebliche Altersversorgungsleistungen aufgrund eines Tarifvertrags ohne unionsweite Ausschreibung direkt vergeben hat.
Nach Auffassung der Kommission haben die deutschen Behörden die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung des EuGH-Urteils nicht ergriffen, denn der Tarifvertrag und die entsprechenden Rahmenverträge sind nach wie vor in Kraft. Erteilen die deutschen Behörden der Kommission nicht innerhalb von zwei Monaten Auskunft über die Maßnahmen zur Umsetzung des EuGH-Urteils, kann die Kommission erneut den Gerichtshof anrufen und beantragen, dass dieser eine Geldstrafe gegen Deutschland verhängt.
Welches Ziel wird mit den betreffenden EU-Vorschriften verfolgt?
Beim öffentlichen Auftragswesen geht es darum, wie staatliche Stellen öffentliche Gelder für Bauarbeiten, Produkte und Dienstleistungen verwenden. Beschafft werden müssen Produkte und Dienstleistungen aller Art, von Kaffee bis zu Computersystemen, Klärwerken, Schiffen und Beratungsdienstleistungen. Der Anteil öffentlicher Aufträge am BIP der Europäischen Union wird auf rund 17 Prozent geschätzt. Die offenen und transparenten Vergabeverfahren, die nach den EU-Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen vorgeschrieben sind, bedeuten mehr Wettbewerb und stärkeren Schutz vor Korruption sowie bessere Dienstleistungen und ein günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis für den Steuerzahler.
Inwiefern verstößt Deutschland gegen diese Vorschriften?
In einem Tarifvertrag von 2003 zwischen der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) und der Gewerkschaft ver.di (Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft e.V.) ist festgelegt, dass die Entgeltumwandlung durch die kommunalen Arbeitgeber über öffentliche Zusatzversorgungseinrichtungen, Mitglieder der Sparkassen-Finanzgruppe oder Kommunalversicherer zu erfolgen hat. Auf Basis dieses Tarifvertrags haben deutsche kommunale Behörden und Betriebe Verträge über Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung ohne transparentes Vergabeverfahren direkt an Dienstleister vergeben, die den im Tarifvertrag genannten drei Gruppen angehören.
2007 hatte die Europäische Kommission Deutschland beim Europäischen Gerichtshof verklagt, weil es die nach EU-Vergaberecht erforderlichen Ausschreibungen nicht durchgeführt hatte.
2010 urteilte der Gerichtshof, dass Verträge über die betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer des kommunalen öffentlichen Dienstes nach dem EU-Vergaberecht (Richtlinie 2004/18/EG) nur nach unionsweiter Ausschreibung vergeben werden dürfen. Demnach stellte die gängige Praxis, Verträge oberhalb der Anwendungsschwelle der Richtlinie 2004/18/EG ohne Ausschreibung an die in einem Tarifvertrag genannten Altersversorgungseinrichtungen zu vergeben, einen Verstoß gegen die Richtlinie dar.
Gemäß Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union müssen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um den Urteilen des Gerichtshofs nachzukommen. Um den im betreffenden EuGH-Urteil festgestellten Verstoß abzustellen, müssen alle von dem Urteil betroffenen Rahmenverträge zwischen den betreffenden Kommunalbehörden und Altersversorgungseinrichtungen beendet und die Bestimmungen des Tarifvertrags mit dem EU-Recht in Einklang gebracht werden.
Welche Nachteile bringt dies für Bürger und Unternehmen mit sich?
Im Rahmen einer für kommunale Arbeitnehmer tarifvertraglich festgelegten Entgeltumwandlung ist die Vergabe der fraglichen Altersversorgungsverträge drei bestimmten Gruppen von Dienstleistern vorbehalten, so dass eine große Zahl von Versicherern von diesem Markt ausgeschlossen bleibt. Würden die betreffenden Altersversorgungsleistungen gemäß dem EU-Vergaberecht dem fairen und transparenten Wettbewerb geöffnet, hätte der europäische Steuerzahler die Chance, bessere Dienstleistungen zu erhalten und mehr für sein Geld zu bekommen.
Weitere Informationen:
Öffentliches Auftragswesen
http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/index_de.htm
Aktuelle Informationen über anhängige Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten:
http://ec.europa.eu/community_law/index_de.htm
(Europäische Kommission: ra)
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