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Durchsetzung standardessentieller Patente


Kartellrecht: Europäische Kommission leitet Markttest der Verpflichtungszusagen von Samsung Electronics zur Nutzung standardessentieller Patente ein
EU-Kartellvorschriften: Interessierte Dritte können innerhalb eines Monats zu den Verpflichtungszusagen Stellung nehmen

(21.11.13) - Die Europäische Kommission fordert interessierte Dritte auf, zu den Verpflichtungszusagen Stellung zu nehmen, die Samsung Electronics (im Folgenden Samsung) im Zusammenhang mit der Durchsetzung standardessentieller Patente (sogenannte standard essential patents – SEPs) des Unternehmens im Bereich der Mobilkommunikation angeboten hat. Die Kommission hat Bedenken, dass Samsung unter Verstoß gegen die EU‑Kartellvorschriften seine marktbeherrschende Stellung dadurch missbraucht haben könnte, dass das Unternehmen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gerichtliche Unterlassungsverfügungen wegen Verletzung seiner Mobilfunk-SEPs gegen Apple beantragt hat. Um diese Bedenken auszuräumen, hat Samsung angeboten, in einem Zeitraum von fünf Jahren davon abzusehen, gegen Unternehmen, die einem besonderen Lizenzierungsrahmen zustimmen, Unterlassungsverfügungen wegen Verletzung von Mobilfunk-SEPs zu beantragen.

Interessierte Dritte können innerhalb eines Monats zu den Verpflichtungszusagen Stellung nehmen. Kommt die Kommission nach Prüfung der eingegangenen Stellungnahmen zu dem Schluss, dass die wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch die Verpflichtungszusagen ausgeräumt werden, kann sie die Zusagen für Samsung rechtsverbindlich machen.

Joaquín Almunia, der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission, erklärte: "Ich würde Rückmeldungen anderer Marktteilnehmer zu den von Samsung angebotenen Verpflichtungszusagen begrüßen. Die Durchsetzung von Patenten im Wege von Unterlassungsverfügungen kann völlig legitim sein, aber wenn es sich um standardessentielle Patente handelt, muss Missbrauch verhindert werden, damit der Standardisierungsprozess ordnungsgemäß funktionieren kann und die Verbraucher nicht unter den negativen Auswirkungen der sogenannten Patentkriege leiden müssen. Wenn wir in diesem Fall eine gute Lösung finden, wird dies in dem Wirtschaftszweig zu mehr Klarheit führen."

Die Bedenken der Kommission
Im Falle einer Patentverletzung ist es in der Regel ein legitimes Mittel des Patentinhabers, bei Gericht eine Unterlassungsverfügung zu beantragen. Der Zugang zu standardessentiellen Patenten ist jedoch Voraussetzung dafür, dass Unternehmen interoperable Produkte auf den Markt bringen können.

Nach Auffassung der Kommission kann die Beantragung einer Unterlassungsverfügung wegen Verletzung standardessentieller Patente den Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, wenn sich der Patentinhaber verpflichtet hat, für diese Patente Lizenzen zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen ("Frand"-Bedingungen) zu erteilen, und das Unternehmen, gegen das sich die beantragte Unterlassungsverfügung richtet, bereit ist, eine Lizenzvereinbarung zu solchen "Frand"-Bedingungen zu schließen.

Die Kommission befürchtet, dass Samsung durch die Beantragung von Unterlassungsverfügungen unter diesen Umständen Lizenzgebühren und andere Lizenzbedingungen, wie umfassende Kreuzlizenzen, erzwingen könnte, denen ein Lizenznehmer nicht zustimmen würde, wenn er nicht Gefahr liefe, sein Produkt vom Markt ausgeschlossen zu sehen. Auf diese Weise könnten die Lizenzverhandlungen unangemessen verzerrt werden und Nachteile für die Verbraucher entstehen, z. B. in Form höherer Preise, geringerer Produktauswahl und einer Behinderung der Produktdifferenzierung durch Innovation auf den Märkten für Smartphones und Tablet-Computern.

Die Verpflichtungszusagen Samsungs
Um diese Bedenken auszuräumen, hat Samsung angeboten, sich für einen Zeitraum von fünf Jahren zu verpflichten, gegen kein Unternehmen, das einem bestimmten Lizenzierungsrahmen zustimmt, wegen Verletzung eines seiner in Smartphone und Tablet-Computern implementierten (bestehenden oder künftigen) standardessentiellen Patente (Mobilfunk-SEPs) eine Unterlassungsverfügung zu beantragen.

Der Lizenzierungsrahmen sieht Folgendes vor:
>> einen Verhandlungszeitraum von bis zu zwölf Monaten und
>> für den Fall, dass innerhalb der zwölf Monate keine Vereinbarung erzielt wird, die Festlegung von "Frand"-Bedingungen durch ein Gericht oder eine Schiedsstelle nach Vereinbarung der Parteien. Falls sich die Parteien nicht darauf einigen können, die Sache einem Gericht oder einer Schiedsstelle vorzulegen, müssen sie das Schiedsverfahren in Anspruch nehmen.

Die angebotenen Verpflichtungen erstrecken sich auf den EWR. Ein unabhängiger Treuhänder würde die Kommission bei der Überwachung der ordnungsgemäßen Umsetzung der Verpflichtungen beraten.

Hintergrund
Die Kommission leitete im Januar 2012 ein förmliches Prüfverfahren ein. Im Dezember 2012 setzte die Kommission Samsung von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis, dass die Beantragung von Unterlassungsverfügungen gegen Apple wegen Verletzung standardessentieller UMTS/3G-Patente von Samsung in mehreren EU‑Mitgliedstaaten gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen könnte, der die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung verbietet.

Bei standardessentiellen Patenten (standard essential patents – SEPs) handelt es sich um Patente zum Schutz einer Technologie, die für Einhaltung eines von einer Standardisierungsorganisation festgelegten Industriestandards unerlässlich sind. Es ist technisch nicht möglich, ein standardkonformes Produkt herzustellen, ohne die durch das SEP geschützte Technologie zu verwenden.

Samsung ist Inhaber von SEPs, die mit Mobilfunkstandards in Zusammenhang stehen, und hat sich verpflichtet, Lizenzen für diese SEPs zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen ("Frand"-Bedingungen) zu erteilen. Die Kommission ist vorläufig der Auffassung, dass Apple bereit war, eine Lizenzvereinbarung für Samsungs SEPs zu "Frand"-Bedingungen zu schließen. Dennoch beantragte Samsung gerichtliche Unterlassungsverfügungen gegen Apple.

Unter diesen besonderen Umständen ist die Kommission vorläufig der Auffassung, dass Samsung durch sein Verhalten unter Verstoß gegen die EU‑Kartellvorschriften (Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – TFEU – und Artikel 54 des EWR-Abkommens; seine marktbeherrschende Stellung missbraucht haben könnte. Durch den Rückgriff auf Unterlassungsverfügungen unter den besonderen Umständen dieses Falls könnten die "Frand"-Lizenzverhandlungen unzulässig verzerrt und Lizenzgebühren und andere Lizenzbedingungen erzwungen werden, denen ein Lizenznehmer nicht zustimmen würde, wenn er nicht Gefahr liefe, sein Produkt vom Markt ausgeschlossen zu sehen.

Ergibt der Markttest, dass die Verpflichtungszusagen von Samsung die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission zufriedenstellend ausräumen, kann die Kommission eine Entscheidung nach Artikel 9 der EU‑Kartellverordnung 1/2003 erlassen und die Zusagen damit für Samsung rechtsverbindlich machen. Gegenstand einer solchen Entscheidung nach Artikel 9 ist nicht die Feststellung, dass ein Verstoß gegen die EU‑Kartellvorschriften vorliegt, sondern die rechtliche Verpflichtung Samsungs, den angebotenen Verpflichtungen nachzukommen. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtungen kann die Kommission gegen das Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen die Kartellvorschriften feststellen zu müssen. (Europäische Kommission: ra)


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