Markt für konsolidierte Realtime-Datafeeds
Kartellrecht: Europäische Kommission unterzieht Reuters Instrument Codes einem Marktes
Verstoßen die Lizenzierungsmethoden für die RICs gegen die EU-Kartellrechtsvorschriften?
(16.07.12) - Die Europäische Kommission fordert die Marktteilnehmer auf, zu den neuen Verpflichtungsangeboten von Thomson Reuters Stellung zu nehmen, mit denen das Unternehmen die Bedenken der Kommission ausräumen will, dass die Lizenzierungsmethoden für die Reuters Instrument Codes (RICs) gegen die EU-Kartellrechtsvorschriften verstoßen, wonach der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist.
Bei den RICs handelt es sich um Codes zur Identifizierung von Wertpapieren, die von Finanzinstituten verwendet werden, um Daten aus den Realtime-Datafeeds (Echtzeit-Dateneinspeisungen) von Thomson Reuters abzufragen. Thomson Reuters hat seine Verpflichtungszusagen umfassend überarbeitet, um die von anderen Marktteilnehmern im Rahmen des ersten Markttests gerügten Mängel zu beseitigen. So soll insbesondere der Lizenzumfang erweitert und die Lizenzgebühr gesenkt werden. Wenn der Markttest ergibt, dass die wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch die Verpflichtungszusagen ausgeräumt werden, kann die Kommission die Verpflichtungen für Thomson Reuters für bindend erklären.
Die Kommission hegt den Verdacht, dass Thomson Reuters ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für konsolidierte Realtime-Datafeeds missbraucht, indem es ihren Kunden untersagt, die RICs zur Abfrage von Daten anderer Anbieter zu verwenden und sie in Codes anderer Anbieter umzusetzen (sogenanntes Mapping). Nach der vorläufigen Beurteilung der Kommission wird dadurch Kunden, die RICs für interne Anwendungen verwenden, der Wechsel zu anderen Anbietern erheblich erschwert. Denn wechselwillige Kunden müssten die RICs aus allen internen Systemen entfernen und sie durch andere Codes ersetzen. Das ist technisch aufwendig und kostspielig und hindert Kunden in vielen Fällen am Anbieterwechsel.
Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, hat Thomson Reuters angeboten, seinen Kunden zu erlauben, zusätzliche RIC-Nutzungslizenzen für einen Anbieterwechsel zu erwerben und die RICs gegen eine monatliche Lizenzgebühr zur Abfrage von Daten anderer Anbieter zu verwenden. Außerdem wird Thomson Reuters ihnen die Informationen zur Verfügung stellen, die sie für die Umsetzung von RICs in Codes anderer Anbieter benötigen.
Die neuen Verpflichtungsangebote stellen in mehrerer Hinsicht eine Verbesserung gegenüber den vorherigen Vorschlägen dar. So wurden die Lizenzgebühren gesenkt und das Gebührensystem vereinfacht. Zudem kann die Lizenz weltweit von Kunden genutzt werden, die eine echte Geschäftstätigkeit im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ausüben. Der Lizenzumfang wurde erweitert und umfasst nun auch alle RICs von außerbörslich ("over the counter" – OTC) gehandelten Instrumenten, außer wenn Thomson Reuters zum Zeitpunkt des Wechsels der alleinige Anbieter der OTC-Daten ist. Außerdem wird eine separate Lizenz für Drittentwickler erhältlich sein, damit diese Lösungen zur Erleichterung des Anbieterwechsels entwickeln können.
Hintergrund
Nach einer von Amts wegen eingeleiteten Untersuchung eröffnete die Kommission am 30. Oktober 2009 ein förmliches Prüfverfahren. Im September 2011 teilte die Kommission Thomson Reuters ihre Bedenken mit, dass das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung unter Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) missbraucht, indem es seinen Kunden untersagt, die RICs zur Abfrage von Daten anderer Anbieter zu verwenden und zu diesem Zweck in andere Symbole umzusetzen.
Die ersten Verpflichtungsangebote wurden vom 14. Dezember 2011 bis zum 25. Januar 2012 einem Markttest unterzogen. Wenn der aktuelle zweite Markttest ergibt, dass die die wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch die neuen Verpflichtungsangebote ausgeräumt werden, kann die Kommission nach Artikel 9 der Kartellverordnung (EG) Nr. 1/2003 einen Beschluss erlassen, mit dem sie die Verpflichtungen für Thomson Reuters für bindend erklärt, ohne feststellen zu müssen, ob ein Verstoß gegen das EU-Kartellrecht vorliegt.
Bei den RICs handelt es sich um kurze alphanumerische Codes, mit denen Wertpapiere und ihre Handelsplätze identifiziert werden. Sie werden unter anderem zur Abfrage von wertpapierbezogenen Informationen aus den konsolidierten Realtime-Datafeeds von Thomson Reuters verwendet. Realtime-Datafeeds sind virtuelle Pipelines für elektronisch verbreitete Echtzeit-Marktdaten, mit denen von Banken und Finanzinstituten entwickelte Softwareanwendungen gespeist werden. Konsolidierte Realtime-Datafeeds stellen Echtzeit-Marktdaten aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen wie z. B. von Börsen und anderen Handelsplätzen zur Verfügung. Oftmals umfassen sie auch Preisinformationen zu außerbörslich gehandelten Wertpapieren (OTC-Wertpapieren).
Der vollständige Wortlaut der Verpflichtungszusagen und weitere Informationen sind abrufbar unter:
http://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/case_details.cfm?proc_code=1_39654
Betroffene Dritte können innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung der Verpflichtungszusagen im EU-Amtsblatt zu den Verpflichtungen Stellung nehmen. (Europäische Kommission: ra)
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