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Unternehmen räumten Kartellbeteiligung ein


EU-Kommission verhängt Geldbußen in Höhe von 329 Mio. EUR gegen Delivery Hero und Glovo wegen Bildung eines Kartells für die Auslieferung von Mahlzeiten auf Online-Bestellung
Delivery Hero und Glovo zählen zu den größten Lebensmittel-Lieferdiensten in Europa



Die Europäische Kommission hat gegen Delivery Hero und Glovo, zwei große Lieferdienste, Geldbußen in Höhe von insgesamt 329 Mio. EUR wegen Bildung eines Kartells auf dem Markt für die Auslieferung von Speisen auf Online-Bestellung verhängt. Die beiden Unternehmen hatten u. a. vereinbart, sich nicht gegenseitig Personal abzuwerben, sensible Geschäftsinformationen ausgetauscht und räumliche Märkte untereinander aufgeteilt. Die Zuwiderhandlung erstreckte sich auf den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und dauerte vier Jahre. Derartige Kartelle verringern die Auswahl für Verbraucher und Geschäftspartner, die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer und die Anreize für Wettbewerb und Innovation.

Beide Unternehmen räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu. Dies ist der erste Beschluss, bei dem die Kommission ein Kartell ahndet, das den Arbeitsmarkt betrifft; außerdem wird erstmals die wettbewerbswidrige Ausnutzung einer Minderheitsbeteiligung an einem konkurrierenden Unternehmen sanktioniert.

Die Zuwiderhandlung
Delivery Hero und Glovo zählen zu den größten Lebensmittel-Lieferdiensten in Europa. Sie liefern (von einem Restaurant oder einer gewerblichen Küche zubereitete) Speisen, Lebensmittel und andere Einzelhandelsprodukte an Kunden, die über eine App oder im Internet bestellen.

Im Juli 2018 erwarb Delivery Hero eine Minderheitsbeteiligung an Glovo und erhöhte diese durch weitere Anteilskäufe schrittweise. Im Juli 2022 übernahm Delivery Hero die alleinige Kontrolle über Glovo.

Wie die Kommission feststellte, haben Delivery Hero und Glovo von Juli 2018 bis Juli 2022 schrittweise den gegenseitigen Wettbewerbsdruck beseitigt und die Konkurrenz untereinander durch mehrschichtige wettbewerbswidrige Abmachungen ersetzt. Die beiden Unternehmen einigten sich insbesondere auf Folgendes:

>> Keine Abwerbung von Mitarbeitern: Die beim Erwerb der ersten Minderheitsbeteiligung durch Delivery Hero unterzeichnete Aktionärsvereinbarung enthielt Klauseln, mit denen beide Unternehmen verpflichtet wurden, auf die Einstellung bestimmter Mitarbeiter des Konkurrenten zu verzichten. Kurz darauf wurde diese Regelung zu einem allgemeinen gegenseitigen Abwerbeverbot erweitert.

>> Austausch sensibler Geschäftsinformationen: Der Austausch sensibler Geschäftsinformationen (z. B. über Geschäftsstrategien, Preise, Kapazität, Kosten und Produktmerkmale) ermöglichte es den Unternehmen, ihr Marktverhalten untereinander anzupassen.

>> Gegenseitige Abgrenzung räumlicher Märkte: Insbesondere vereinbarten die beiden Unternehmen, die nationalen Märkte für die Essensauslieferung auf Online-Bestellungen im EWR untereinander aufzuteilen, indem sie alle bestehenden räumlichen Überschneidungen untereinander beseitigten, von Marktzutritten auf dem Terrain des anderen absahen und Absprachen trafen, welches der beiden Unternehmen auf Märkten tätig werden sollte, auf denen sie bislang noch nicht vertreten waren.

Alle genannten Praktiken wurden durch die Minderheitsbeteiligung von Delivery Hero an Glovo erleichtert. Der Besitz einer Beteiligung an einem Wettbewerber ist an sich nicht rechtswidrig, ermöglichte aber in diesem konkreten Fall wettbewerbswidrige Kontakte zwischen den beiden konkurrierenden Unternehmen auf mehreren Ebenen. Darüber hinaus ermöglichte die Beteiligung Delivery Hero, Zugang zu sensiblen Geschäftsinformationen zu erhalten, die Entscheidungsprozesse in Glovo zu beeinflussen und letztlich die Geschäftsstrategien der beiden Unternehmen aufeinander abzustimmen. Dies zeigt, dass Beteiligungsverhältnisse zwischen Wettbewerbern kartellrechtliche Risiken bergen und sorgfältig gehandhabt werden sollten.

Die Kommission ist der Auffassung, dass die drei genannten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen eine einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellen, die sich auf den EWR erstreckt und als eine bezweckte Zuwiderhandlung im Sinne des Artikels 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und des Artikels 53 des EWR-Abkommens zu betrachten sind.

Geldbußen
Die gegen beide Unternehmen verhängten Geldbußen wurden auf der Grundlage der Geldbußen-Leitlinien der Kommission von 2006 festgesetzt. Bei der Festsetzung der Geldbußen berücksichtigte die Kommission mehrere Kriterien, darunter die Vielschichtigkeit des Kartells, seine Ausdehnung auf den gesamten EWR, seine Dauer und den Umstand, dass es nicht über den gesamten Zeitraum hinweg mit gleicher Intensität betrieben wurde. Darüber hinaus ermäßigte die Kommission im Einklang mit ihrer Mitteilung über Vergleichsverfahren von 2008 die Geldbußen um 10 Prozent, da beide Unternehmen ihre Beteiligung am Kartell und ihre Haftung einräumten.

Gegen die einzelnen Unternehmen wurden folgende Geldbußen verhängt:
>> Delivery Hero SE: 223.285.000 EUR
>> Glovoapp23 SA: 105.732.000 EUR

Hintergrund
Das in Deutschland ansässige Unternehmen Delivery Hero ist im Bereich der Auslieferung von Mahlzeiten und anderen Lebensmitteln tätig. Es ist weltweit in mehr als 70 Ländern vertreten, darunter 16 EWR-Staaten. Der Lieferdienst arbeitet mit mehreren hunderttausend Restaurants zusammen. Delivery Hero ist an der Frankfurter Börse notiert.

Das in Spanien ansässige Unternehmen Glovo ist in der gleichen Branche tätig und weltweit in mehr als 20 Ländern vertreten, darunter 8 EWR-Staaten.

Als Delivery Hero im Juli 2022 die Mehrheit der Anteile an Glovo erwarb, wurde Glovo zur Tochtergesellschaft von Delivery Hero.

Die Untersuchung
Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens verbieten Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern oder einschränken können.

Im Juni 2022 und im November 2023 führte die Kommission unangekündigte Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Delivery Hero und Glovo durch. Anlass für diese Nachprüfungen war eine auf eigene Initiative eingeleitete Untersuchung der Kommission zu möglichen Absprachen von Lieferdiensten im Anschluss an eine Marktbeobachtung, die ihrerseits auf von einer nationalen Wettbewerbsbehörde und aus dem anonymen Instrument für Hinweisgeber erhaltene Informationen zurückging. Das förmliche Untersuchungsverfahren wurde im Juli 2024 eingeleitet.

Diese Untersuchung ist Teil der Bemühungen der Kommission, im Bereich der Lieferung von Speisen und Lebensmitteln für Auswahl und angemessene Preise zu sorgen. Auf einem jungen und schnell wachsenden Markt wie diesem, auf dem die Anbieter oft bestrebt sind, die Marktführerschaft zu erlangen, oder sich andernfalls zurückziehen, können wettbewerbswidrige Vereinbarungen und wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen wie Marktaufteilungen im Rahmen von Kartellen zu einer versteckten Marktkonsolidierung führen, was negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben kann.

Die Untersuchung trägt auch dazu bei, einen fairen Arbeitsmarkt zu gewährleisten, auf dem Arbeitgeber keine Absprachen treffen, die die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer einschränken, sondern um Talente konkurrieren.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter der Nummer AT.40795 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht. Weitere Informationen über die Maßnahmen der Kommission gegen Kartelle finden sich auf ihrer Website unter der Rubrik "Antitrust & Cartels".

Das Vergleichsverfahren
Das Vergleichsverfahren für Kartelle wurde im Juni 2008 eingeführt. Bei einem Kartellvergleich räumen die Parteien ihre Kartellbeteiligung ein und übernehmen die Verantwortung dafür. Außerdem akzeptieren sie den Höchstbetrag der Geldbuße, den die Kommission zu verhängen beabsichtigt. Vergleiche im Kartellbereich beruhen auf der Verordnung 1/2003 und erlauben es der Kommission, nach einem einfacheren und kürzeren Verfahren vorzugehen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Verbraucher und Steuerzahler haben geringere Kosten zu tragen, und es werden Ressourcen frei, um das Kartellrecht besser durchzusetzen. Außerdem können die Unternehmen schneller mit einem Beschluss rechnen und zahlen eine um 10 Prozent geringere Geldbuße. Der Beschluss ist der 44. Vergleich seit Einführung dieses Verfahrens.






Die Kronzeugenregelung
Die Kronzeugenregelung der Kommission gibt den Unternehmen die Möglichkeit, ihre Beteiligung an einem Kartell offenzulegen und während einer Untersuchung mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Einem an einem Kartell beteiligten Unternehmen, das als Kronzeuge mit der Kommission zusammenarbeitet, kann eine potenziell hohe Geldbuße vollständig oder teilweise erlassen werden. Weitere Informationen über die Kronzeugenregelung der Kommission, einschließlich eines Dokuments mit häufig gestellten Fragen, finden Sie hier.

Instrument für Hinweisgeber
Die Kommission hat ein Instrument geschaffen, über das Einzelpersonen oder Unternehmen die Kommission leichter über wettbewerbswidriges Verhalten informieren können, ohne ihre Identität preiszugeben. Die Anonymität der Hinweisgeber (Whistleblower) wird durch ein ausgefeiltes Kommunikationssystem mit Verschlüsselung gewahrt, über das Mitteilungen ausgetauscht werden können. Das Instrument kann über diesen Link aufgerufen werden.

Schadensersatzklagen
Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates gelten Beschlüsse der Kommission in Verfahren vor der nationalen Gerichtsbarkeit als verbindlicher Nachweis, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen die Unternehmen eine Geldbuße verhängt hat, kann von einzelstaatlichen Gerichten Schadensersatz zuerkannt werden, wobei die von der Kommission verhängte Geldbuße nicht mindernd angerechnet wird.

Durch die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen ist es für Opfer wettbewerbswidriger Verhaltensweisen einfacher geworden, Schadensersatz zu erhalten. (EU-Kommission: ra)

eingetragen: 12.06.25


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