Bundeskartellamt: Jahresrückblick 2015
Kartellverfolgung: Das Bundeskartellamt hat im Jahr 2015 in elf Fällen rund 190 Mio. Euro Bußgelder verhängt
Rund 1100 Zusammenschlussvorhaben wurden im Jahr 2015 beim Bundeskartellamt angemeldet - Elf Fälle wurden dabei in einem Hauptprüfverfahren vertieft geprüft
(12.01.16) - Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes sagte: "Wettbewerb ist ein zentraler Eckpfeiler in der sozialen Marktwirtschaft. Das Bundeskartellamt hat die Aufgabe, als eine Art Schiedsrichter in der Wirtschaft Marktmacht zu begrenzen und verbotene Wettbewerbsbeschränkungen zu sanktionieren. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch im Zeitalter der Digitalisierung Märkte offen gehalten werden und keine unkontrollierte Macht einzelner Unternehmen entsteht."
Internetökonomie
Um der Bedeutung der Internetökonomie für alle Wirtschaftsbereiche Rechnung zu tragen, hat das Bundeskartellamt Anfang 2015 eine Task Force Internetplattformen gegründet. Die Task Force entwickelt wettbewerbsrechtliche Konzepte zur Internetökonomie und zu Plattformmärkten, um diese in der konkreten Fallarbeit einzusetzen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen hat das Bundeskartellamt zwei Fusionsvorhaben im Bereich Immobilienportale (Immonet und Immowelt) und Datingplattformen (Parship und Elitepartner) freigeben. Ferner hat sich das Bundeskartellamt eingehend mit den Internet-Vertriebsbedingungen von Markenherstellern (u.a. adidas und ASICS) auseinandergesetzt. Zudem hat die Behörde darauf hingewirkt, dass Amazon Marketplace europaweit die Praxis aufgegeben hat, von den Händlern zu verlangen, dass diese ihre Produkte an keiner anderen Stelle günstiger anbieten dürfen, als auf der Amazon Handelsplattform. Die Verwendung solcher sogenannten Bestpreisklauseln hat das Bundeskartellamt auch dem Hotelbuchungsportal HRS untersagt. Ein Verfahren gegen Booking.com ist derzeit noch anhängig. Außerdem ermittelt das Bundeskartellamt gegen den online Ticketvermarkter CTS Eventim wegen des Verdachts auf missbräuchliche Verhaltensweisen und hat kürzlich ein Verfahren gegen Audible und Apple wegen bestimmter Vereinbarungen bei Hörbüchern eingeleitet.
Andreas Mundt erklärte: "Wir erleben mit der zunehmenden Digitalisierung eine neue wirtschaftliche Revolution, die alle Bereiche erfasst. Das hat große Auswirkungen auf unsere Fallarbeit. Einerseits ist die Internetökonomie infolge der typischen Netzwerkeffekte durch große Unternehmen geprägt. Andererseits entstehen in vielen Bereichen sehr schnell neue bedeutende Player und die Dynamik des Internets sorgt für immer wieder neue Erfolgsmodelle. Unsere Kernaufgabe als Hüter des Wettbewerbs ist es, missbräuchliche Verhaltensweisen zu ahnden und die Märkte für neue Geschäftsmodelle offen zu halten."
Kartellverfolgung
Das Bundeskartellamt hat im Jahr 2015 in elf Fällen rund 190 Mio. Euro Bußgelder verhängt. Die Bußgelder verteilen sich auf insgesamt 37 Unternehmen und 24 Privatpersonen. Die Verfahren betrafen die verschiedensten Branchen wie z.B. Automobilzulieferer, Matratzenhersteller, Anbieter von Containertransporten oder Hersteller von Fertiggaragen. Auch im sogenannten Vertikalfall, bei dem Absprachen zwischen Herstellern und Händlern von Lebensmitteln verfolgt werden, wurden erste Bußgelder verhängt.
Das Bundeskartellamt hat auch 2015 neue Hinweise zu Kartellfällen erhalten und ist diesen bei 18 Durchsuchungsaktionen mit Unterstützung der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaften bei insgesamt 88 Unternehmen nachgegangen.
Fusionskontrolle
Rund 1100 Zusammenschlussvorhaben wurden im Jahr 2015 beim Bundeskartellamt angemeldet. Elf Fälle wurden dabei in einem Hauptprüfverfahren vertieft geprüft. Hiervon wurde ein Fall untersagt und ein Vorhaben wurde von den Unternehmen selbst zurückgenommen. Ein Fall wurde unter Bedingungen freigeben, sechs Fälle ohne Auflagen. Zwei Fälle werden derzeit noch geprüft.
Bei der Untersagung handelte es sich um den geplanten Erwerb von Kaiser’s Tengelmann durch EDEKA. Das Vorhaben hätte nach Auffassung des Bundeskartellamtes die Auswahl- und Ausweichmöglichkeiten der Verbraucher vor Ort stark eingeschränkt und auf Beschaffungsmärkten für Lebensmittel zu einer weiteren Konzentration der Nachfrage geführt. Das Bundeskartellamt hatte frühzeitig signalisiert, welche Filialen EDEKA hätte übernehmen können und welche nicht. Die Unternehmen waren jedoch nicht bereit, auf diese Bedingungen für eine Freigabe einzugehen, sodass das Vorhaben insgesamt zu untersagen war.
Die Unternehmen haben daraufhin einen Antrag auf Ministererlaubnis gestellt. In diesem Verfahren prüft der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, ob die Wettbewerbsbeschränkung in diesem Einzelfall von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen oder einem überragenden Interesse der Allgemeinheit aufgewogen wird. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Lebensmitteleinzelhandel
Über die geplante Fusion zwischen EDEKA und Kaiser’s Tengelmann hinaus spielte der Lebensmitteleinzelhandel im Jahr 2015 eine wichtige Rolle in der Fallarbeit. So hat das Bundeskartellamt einen Großteil seiner Kartellverfahren gegen Hersteller- und Handelsunternehmen wegen verbotener Ladenpreisbindung bei bekannten Markenprodukten aus den Warengruppen Süßwaren, Kaffee, Tiernahrung, Bier und Körperpflegeprodukte abgeschlossen. Die betroffenen Händler und Hersteller hatten zu Lasten der Endverbraucher Vereinbarungen über die Ladenpreise getroffen, die kartellrechtswidrig waren. Die noch verbleibenden Verfahren sollen zeitnah abgeschlossen werden.
Nicht durchsetzen konnte sich das Bundeskartellamt in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zum Thema "Hochzeitsrabatte". Im Jahr 2009 hatte die EDEKA nach der Übernahme von Plus von ihren Lieferanten Konditionen-Verbesserungen verlangt, die aus Sicht des Bundeskartellamtes das Maß des kartellrechtlich Zulässigen deutlich überschritten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist unlängst in seiner Entscheidung zu einem anderen Ergebnis gelangt. Das Bundeskartellamt wird Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen.
Andreas Mundt sagte: "Es bleibt abzuwarten, ob dieses Urteil Bestand haben wird. Unabhängig davon werden die Geschäftsbeziehungen zwischen den Lebensmitteleinzelhändlern und ihren Lieferanten ein wichtiges Thema für die Wettbewerbsbehörden bleiben. Im Nachgang zu den Verfahren werden wir auch wieder den Dialog mit der Branche suchen."
Schulmaterialien
Das Bundeskartellamt hat im vergangenen Jahr sein Informationsangebot ausgebaut und eine Unterrichtsmappe zum Thema "Wettbewerbsaufsicht in Deutschland" sowie eine umfangreiche Linksammlung zu Videos und weiteren Materialien veröffentlicht (Link zur Unterrichtsmappe). Lehrerinnen und Lehrer können die Materialien nutzen, um in ihrem Wirtschafts- und Sozialkundeunterricht anschaulich zu vermitteln, welche Bedeutung dem Wettbewerb in unserer Wirtschaftsordnung zukommt und welche Rahmenbedingungen der Staat setzt, um ihn zu schützen. (Bundeskartellamt: ra)
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