Sie sind hier: Home » Recht » Kartellrecht

Modernisierte Bußgeldzumessung


Neue Leitlinien des Bundeskartellamtes zum Kronzeugenprogramm und zur Bußgeldzumessung
Kronzeugenprogramme zeichnen sich dadurch aus, dass Kartellbeteiligten die Geldbuße vollständig erlassen oder ermäßigt werden kann, wenn sie dazu beitragen, ein Kartell zwischen Wettbewerbern aufzudecken



Das Bundeskartellamt hat neue Leitlinien für das Kronzeugenprogramm und für die Bußgeldzumessung in Kartellverfahren veröffentlicht. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Kronzeugen spielen bei der Aufdeckung und Verfolgung von illegalen Kartellen nach wie vor eine ganz entscheidende Rolle. Unternehmen, die in ein Kartell verstrickt sind, können mit Hilfe der Leitlinien zum Kronzeugenprogramm leichter einschätzen, was auf sie zukommt und unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung vom Bußgeld oder eine erhebliche Reduktion der Strafe in Betracht kommt.

Mit den neuen Leitlinien zur Bußgeldbemessung modernisiert das Bundeskartellamt seine Bußgeldzumessung. Geändert hat sich vor allem die Zumessungsmethodik, die sich noch mehr an der gerichtlichen Praxis orientiert. Maßgeblicher Gesichtspunkt bleibt aber der von dem Kartellverstoß betroffene Umsatz. Insgesamt wird sich daher das Bußgeldniveau nicht wesentlich ändern. In den Leitlinien erläutern wir auch die mit der 10. GWB-Novelle in das Gesetz aufgenommene Möglichkeit, bestehende Compliance-Maßnahmen mildernd zu berücksichtigen, obwohl es zu einem Verstoß gekommen ist."

Kronzeugenprogramme zeichnen sich dadurch aus, dass Kartellbeteiligten die Geldbuße vollständig erlassen oder ermäßigt werden kann, wenn sie dazu beitragen, ein Kartell zwischen Wettbewerbern aufzudecken. Kronzeugenprogramme werden schon seit Jahrzehnten weltweit im Kartellrecht eingesetzt. Sie sind für die Kartellbekämpfung von zentraler Bedeutung, da Kartelle typischerweise nur von innen heraus aufgedeckt werden können. In Deutschland hat das Bundeskartellamt dazu bereits im Jahr 2000 allgemeine Verwaltungsgrundsätze erlassen und 2006 überarbeitet (sog. "Bonusregelung"). Seitdem konnten zahlreiche Kartelle in den unterschiedlichsten Branchen mit der Unterstützung von Kronzeugen aufgedeckt werden.

Anfang 2021 wurde im Zuge der 10. GWB-Novelle das Kronzeugenprogramm erstmals im Gesetz verankert und hierbei auch Vorgaben der europäischen ECN+-Richtlinie umgesetzt. Diese stimmen im Wesentlichen mit der früheren Bonusregelung des Bundeskartellamtes überein. In den ergänzenden Leitlinien hat das Bundeskartellamt wie bereits in der Bonusregelung Konkretisierungen zur Gestaltung des Verfahrens und zur getroffen Ermessensausübung, u.a. zur Höhe der Ermäßigung, getroffen.

Höhe der Bußgelder
Im Rahmen der Novelle wurde außerdem eine Reihe von Kriterien für die Zumessung der Bußgeldhöhe gesetzlich verankert. Zum Beispiel ist der tatbezogene Umsatz – also der Umsatz, der mit den von den Absprachen betroffenen Produkten bzw. Dienstleistungen erzielt wurde – nun als Kriterium gesetzlich verankert. Darüber hinaus können vor und nach der Tat getroffene Vorkehrungen eines Unternehmens zur Vermeidung und Aufdeckung von entsprechenden Zuwiderhandlungen (Compliance) unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt werden.

Mit der Überarbeitung der Bußgeldleitlinien trägt das Bundeskartellamt über die Gesetzesänderungen hinaus auch der Praxis der deutschen Gerichte verstärkt dadurch Rechnung, dass künftig anhand des tatbezogenen Umsatzes und der Unternehmensgröße ein Ausgangswert der Bußgeldzumessung bestimmt wird.

Im Ergebnis ist mit den Änderungen ein Zugewinn an Flexibilität im Einzelfall, aber keine wesentliche Veränderung des Bußgeldniveaus zu erwarten.

Die Leitlinien zum Kronzeugenprogramm, ein Merkblatt mit Kernbotschaften und die Bußgeldleitlinien finden Sie auf der Internetseite des Bundeskartellamts. (Bundeskartellamt: ra)

eingetragen: 12.10.21
Newsletterlauf: 10.01.22



Meldungen: Kartellrecht

Kartellrecht und Kartellvergehen

  • Compliance-Maßnahmen müssen gelebt werden

    Das Bundeskartellamt hat gegen die Sennheiser electronic SE & Co. KG mit Sitz in Wedemark, die Sonova Consumer Hearing Sales Germany GmbH mit Sitz in Wedemark sowie drei verantwortlich handelnde Mitarbeitende Geldbußen in Höhe von insgesamt knapp sechs Mio. Euro wegen vertikaler Preisbindung verhängt. Unter der Marke "Sennheiser" werden hochwertige Produkte im Bereich der Unterhaltungselektronik produziert und vertrieben.

  • Schwerpunkt im Rüstungsbereich

    Das Bundeskartellamt hat einen Anteilserwerb an der Renk Group AG, Augsburg, durch die KNDS N.V., Amsterdam (Niederlande), freigegeben. KNDS beabsichtigt, ihre Beteiligung an Renk auf 25 Prozent + 1 Stimme aufzustocken. Renk hat ihren Schwerpunkt im Rüstungsbereich und vertreibt insbesondere Getriebe und Federungssysteme für militärische Fahrzeuge und bietet entsprechende After-Sales-Produkte und -Dienstleistungen an.

  • Kartellrechtliches Instrument des § 32f Abs. 3 GWB

    Das Bundeskartellamt macht im Bereich des Kraftstoffgroßhandels erstmals Gebrauch von dem 2023 in Kraft getretenen neuen Wettbewerbsinstrument (§ 32f Abs. 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB). Die Behörde hat ein Verfahren eingeleitet, um in einem ersten Schritt zu prüfen, ob im Kraftstoffgroßhandel eine erhebliche und dauerhafte Störung des Wettbewerbs vorliegt. Sollte sich dies bestätigen, könnte das Bundeskartellamt zielgerichtete Maßnahmen erwägen, um diese Störungen abzustellen.

  • Langfristiger Liefer- und Kooperationsvertrag

    Das Bundeskartellamt hat das Vorhaben der Harry-Brot GmbH freigegeben, die Großbäckerei Bergkirchen der Glockenbrot Bäckerei GmbH & Co. OHG zu übernehmen und mit der REWE-Gruppe zwei Gemeinschaftsunternehmen zu gründen. Der Brot- und Backwarenproduzent Glockenbrot ist bislang Teil der REWE-Gruppe.

  • Bedeutende Wettbewerber in allen Bereichen

    Das Bundeskartellamt hat den Einstieg der UniCredit S.p.A., Mailand (Italien), bei der Commerzbank AG, Frankfurt am Main, unter fusionsrechtlichen Gesichtspunkten freigegeben. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Schon durch den angemeldeten Minderheitserwerb kommt es zu einer Stärkung der Marktposition der UniCredit im Privat- und Firmenkundengeschäft in Deutschland. Wir haben uns deshalb die besonders betroffenen Finanzdienstleistungen intensiv angesehen. In allen Bereichen sind weitere bedeutende Wettbewerber tätig, weshalb das Vorhaben freizugeben war."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen