Regelungen für den Glücksspielmarkt
Nach Öffnung des Sportwettenmarkts viele Fragen offen - Auch Lottomonopol noch nicht
Bundesländer haben gerade an dem Erhalt des Lottomonopols ein erhebliches Interesse
(16.03.11) - Nach der Einigung der Ministerpräsidenten auf erste Eckpunkte eines neuen Glücksspielstaatsvertrags bleiben wichtige Detailfragen zur geplanten Marktöffnung für private Sportwettenanbieter unbeantwortet. Auch das weiterhin vorgesehene staatliche Lottomonopol ist noch nicht gesichert. Das erklären der Medienrechtler Dr. Martin Diesbach und der Europarechtler Martin Ahlhaus von der Kanzlei Noerr LLP in München.
Die Bundesländer reagieren mit ihren Plänen auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts, die Zweifel am bisherigen Glücksspielmonopol in Deutschland geäußert hatten. Nach Ansicht der Noerr-Glücksspielexperten müssen aber noch wichtige Details geklärt werden.
Dabei geht es insbesondere um die Lizenzvergabe für Sportwetten, die Begründung des Lottomonopols und kohärente Regelungen für den gesamten Glücksspielmarkt.
Zu wichtigen Rechtsfragen nehmen Martin Ahlhaus und Dr. Martin Diesbach Stellung:
Frage: Die Grundsatzentscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz sieht vor, Lizenzen für Sportwettenanbieter bundesweit oder regional zu vergeben, gegebenenfalls auch nur befristet im Rahmen einer "Experimentierklausel". Beseitigt dies die rechtlichen Bedenken gegen den Glücksspielstaatsvertrag?
Antwort: Die Grundsatzentscheidung der Ministerpräsidenten der Bundesländer weist jedenfalls in die richtige Richtung. Der EuGH hatte betont, dass das deutsche Glücksspielmonopol erheblichen Bedenken begegnet. Diese Bewertung wurde vor allem darauf gestützt, dass die Zielsetzung des deutschen Glücksspielmonopols, die Suchprävention, nicht konsequent umgesetzt sei. Während Glücksspiele mit hohem Suchtpotential, wie z.B. Automatenspiele, keinem staatlichen Monopol unterworfen wurden, waren etwa Sportwetten mit nur geringem Suchtpotential einem staatlichen Anbieter vorbehalten. Eine Marktöffnung im Bereich der Sportwetten auch für private Anbieter soll diesen Überlegungen nun Rechnung tragen.
Frage: Ist vor diesem Hintergrund die Beibehaltung des staatlichen Lottomonopols dann noch konsequent?
Antwort: Tatsächlich haben die Bundesländer gerade an dem Erhalt des Lottomonopols ein erhebliches Interesse. Es sind gerade die Einnahmen aus den staatlichen Lotterien, die sich die Länder erhalten wollen. Rechtlich scheint dies auch darstellbar, jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt der Suchtprävention, da auch das Lottospiel nur geringes Suchtpotential aufweist. Es ist daher zu erwarten, dass die Bundesländer bei einer Novellierung des Glückspielstaatsvertrages andere Erwägungen für die Rechtfertigung des Staatsmonopols ins Feld führen. Zu denken wäre hier vorrangig an eine Missbrauchsbekämpfung. Gerade Lottospiele weisen eine durchaus greifbare Missbrauchsanfälligkeit auf, die ein staatliches Monopol europa- wie auch verfassungsrechtlich rechtfertigen könnte. Einzelheiten hängen hier freilich von der konkreten Gestaltung des Monopols ab.
Frage: Einzelheiten zu der Vergabe von Sportwettenlizenzen sind noch nicht festgelegt. Bestehen hier nicht auch rechtliche Vorgaben?
Antwort: Derzeit werden von den Bundesländern verschiedene Modelle diskutiert. Ob die Lizenzen bundesweit oder regional, zeitlich unbegrenzt oder befristet oder auch nur im Rahmen einer vorübergehenden 'Experimentierklausel' vergeben werden, soll erst noch entschieden werden. Fest steht schon jetzt, dass die Kriterien für die Auswahl der Lizenznehmer mit größter Sorgfalt ausgearbeitet werden müssen. Die Vergabe einer begrenzten Anzahl von Lizenzen lässt einen harten Wettbewerb zwischen den Anbietern erwarten. In Anbetracht des hohen Marktpotentials in Deutschland sind auch juristische Auseinandersetzungen bei der Lizenzvergabe keinesfalls ausgeschlossen. Erst dann wird sich zeigen, ob die Neuregelung des Glücksspielwesens in Deutschland Bestand haben kann.
Frage: Hat die Grundsatzentscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz schon jetzt Auswirkungen?
Antwort: Weiterhin gilt, dass die Verbote des Glücksspielstaatsvertrags auch nach der Grundsatzentscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz in Kraft bleiben. Weder diese Grundsatzentscheidung zur künftigen Neuregelung des Glücksspielwesens in Deutschland noch die vorangegangenen Entscheidungen des EuGH haben hieran etwas geändert. Allerdings ist zu erwarten, dass die Praxis von Behörden und Gerichten dieser Grundsatzentscheidung Rechnung tragen werden. Es wäre auch kaum nachzuvollziehen, wenn gerade gegenüber Sportwettenanbietern ein erwiesenermaßen europarechtlich bedenkliches Monopol mit aller Konsequenz verteidigt würde, dieses aber absehbar in wenigen Monaten einer Liberalisierung zugeführt werden soll. Wir erwarten, dass sich Behörden und Gerichte nun noch leichter den rechtlichen Bedenken gegen den derzeit geltenden Glücksspielstaatsvertrags anschließen werden und Sanktionen gegen private Glücksspielanbieter nicht mehr verhängen.
Frage: Wie geht es jetzt weiter?
Antwort: Die Bundesländer werden am 6. April 2011 im Rahmen der Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten weitere Details für eine Neuregelung festlegen. Allerdings muss bezweifelt werden, dass bis dahin eine abschließende Ausarbeitung eines neuen Glücksspielstaatsvertrages vorliegt. Wir erwarten vielmehr eine politische Grundentscheidung zu wesentlichen Detailfragen, etwa der Frage der Begrenzung von Sportwettenlizenzen nach Anzahl, Region und Gültigkeitsdauer sowie zu weiteren Aspekten, etwa dem staatlichen Lottomonopol, den zulässigen Werbemaßnahmen und dem Umgang mit weiteren Glücksspielen, insbesondere im Online-Bereich.
Auch stehen weitere Gespräche mit dem Bund an, um etwaige Maßnahmen im Bereich des Automatenspiels abzustimmen und um die vom EuGH geforderte Kohärenz des deutschen Glücksspielrechts sicherzustellen. Die Entscheidung der Ministerpräsidenten vom 10. März 2011 ist insofern erst der Anfang der rechtlichen Feinjustierung eines neuen Glückspielstaatsvertrags, dessen Gerichtsfestigkeit sich erst noch erweisen muss. (Noerr LLP: ra)
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