Streit um Softwarepatente keinesfalls beigelegt


Verband IT-Mittelstand klagt an: Behörden machen Politik pro Softwarepatente
Durchsetzung von gewerblichen Schutzrechten auf Software


(27.11.09) - Das Thema Softwarepatente hat seit 2005 nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil, die Zeichen mehren sich, dass die Befürworter von Softwarepatente mit neuer Energie die Realisierung ihrer Interessen anstreben. Der Verband IT-Mittelstand als Vertreter der mittelständischen IT-Wirtschaft streitet jedoch dagegen. CM.de. zitiert:

"Es kann keinerlei Zweifel bestehen. Der Streit um Softwarepatente ist keinesfalls beigelegt, sondern wird mit unvermindertem Willen fortgeführt. Zu groß sind die wirtschaftlichen Interessen, die mit einer Durchsetzung von gewerblichen Schutzrechten auf Software verbunden werden, als dass sich ihre Befürworter von Rückschlägen beeinträchtigen lassen würden. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Microsoft, ein vehementer Vertreter pro Softwarepatente, in den letzten Monaten wegen diesen negativ in die Schlagzeilen geriet.

Die Softwareunternehmen Eola und I4i hatten gegen den Softwarekonzern aus Redmond wegen Patentverletzungen durch ActiveX im Webbrowser des Internet Explorers und XML-Kodierung bei Microsoft Word mit nicht unberechtigter Hoffnung auf Erfolg geklagt. Offensichtlich wird es für IT-Großunternehmen, die sich von der Legalisierung von Softwarepatenten eine Vergrößerung ihrer Marktmacht erwarten, trotz ihrer riesigen Rechtsabteilungen zusehends schwieriger das Haifischbecken zu kontrollieren, das sie selber mitgeschaffen haben.

Aufgrund seiner Rechtsposition konnte i4i-Chairman Loudon Owe nicht ohne Süffisanz auf die Frage antworten, ob eine Einigung mit Microsoft angestrebt würde: 'Microsoft ist im Moment zu groß für uns, um es zu kaufen.'

Im gleichen Geist wurde auch die Feststellung von Mike McKool, Anwalt der Firma Eolas Technologies, getroffen: 'Einzelne Blogger haben von meinem Mandanten nichts zu fürchten. Es wäre wirtschaftlich nicht sinnvoll, gegen sie vorzugehen.'

Damit wird zum einen klargestellt, worum es bei Softwarepatenten geht; eben nicht um die Sicherung des technischen Fortschritts wie manche naiv behaupten, sondern gemäß dem Motto 'Money makes the world go round' um Geld, welches weniger durch Innovationsstärke als durch clevere Patentierungsstrategien verdient wird. Zum anderen wird die Gefahr für jeden Entwickler und jedes mittelständische Softwarehaus offenbart, denn diese werden in Zukunft von Gnaden der Patentinhaber abhängig sein, auch wenn es sich dabei um Patent-Trolle handelt. Diese kaufen Patente um Lizenzansprüche zu erwerben, ohne eine eigene Innovation entwickelt zu haben.

Es schwebt ein Damoklesschwert über ihren Köpfen, das jederzeit herunterfallen kann, denn anders als der Konzern Microsoft, welchem vor 30 Jahren zweifelsohne mit dem Betriebssystem MS-DOS eine bahnbrechende Innovation gelang, aufgrund derer seitdem beständig neue Kapitalrücklagen entstehen, sind kleine und mittlere IT-Unternehmen (KMUs) nicht in der Lage sich mittels Scheckbuchdiplomatie freizukaufen. Da dieser Ausweg versperrt ist, wird die Innovationsfähigkeit der mittelständischen IT-Wirtschaft auf das Schärfste gefährdet.

Nun ließe sich einwenden, dass diese spektakulären Fälle sich auf den nordamerikanischen Rechtsraum beziehen. Seit im Juli 2005 das Parlament der Europäischen Union (EU) mit großer Mehrheit gegen die Richtlinie zur Patentierbarkeit 'computerimplementierter Erfindungen' stimmte, können die Gegner von Softwarepatenten den Schlaf der Gerechten schlafen. Das dies allerdings ein fataler Irrtum ist, wird an verschiedenen Stellen deutlich.

Zunächst kann es nicht gleichgültig sein, wenn sich bei einem politischen Schwergewicht wie den U.S.A. eine positive Haltung zu Softwarepatenten durchsetzt. Schon über das Trips-Abkommen (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) wurde im Zeitalter der Globalisierung versucht, deren Zulässigkeit auch in Europa durchzusetzen. Dies ist nicht der einzige Ansatz und wird nicht der letzte Versuch sein, der in diese Richtung unternommen wird. Wie 'The Pan European ICT & eBusiness Network for SMEs' (PIN-SME) mit Hauptsitz in Brüssel dem Verband IT-Mittelstand auf einer Strategiebesprechung mitteilte, laufen derzeit in der EU-Kapitale weitgehende Lobbyaktivitäten, um unbemerkt von der Öffentlichkeit doch noch das Rad zurückzudrehen und eine verklausulierte Richtlinie pro Softwarepatente durchzusetzen.

Einhergehend mit diesen Aktivitäten lassen Meldungen aufhorchen, in denen Behörden sich politische Entscheidungskompetenzen anmaßen. 'Das britische Patentamt passt seine Vergaberegeln rund um 'computerimplementierte Erfindungen' weiter der umstrittenen Praxis des Europäischen Patentamtes (EPA) an', berichtete beispielsweise Stefan Krempl für die C't. Damit reiht sich das britische Patentamt in die Gesellschaft des Münchener Patentamts und seiner unrühmlichen Vergabepraxis ein.

Die ungerechtfertigte Einflussnahme von Behörden beschränkt sich allerdings keineswegs nur auf diesen Bereich. Dem Verband IT-Mittelstand wurden Fälle mitgeteilt, in denen IT-Unternehmen von Behörden aufgefordert worden, zur Begutachtung ihrer Anträge zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben eine Softwarepatentrecherche durchzuführen. Mit dieser Vorgehensweise sollen offensichtlich Tatsachen geschaffen und die Normalität von Softwarepatenten im öffentlichen Bewusstsein durchgedrückt werden. Ob dies aus Unkenntnis der Sachlage geschieht oder ob hier eine versteckte Strategie auf Administrationsebene besteht, ist derzeit unklar.

Der Verband IT-Mittelstand sagt hier jedenfalls deutlich 'Nein'. Wir brauchen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland, zur Förderung des technischen Fortschritts und der Innovationsdynamik nicht mehr Patentanwälte und Patentenbeamte, auch wenn dies ehrenwerte Berufsstände sind, sondern Softwareentwickler und kreative Unternehmer. Dr. Oliver Grün, Vorsitzender des Verband IT-Mittelstand und als Vorstand der Grün Software AG mittelständischer Unternehmer, hat diese Auffassung anlässlich eines Expertenhearings zur Globalisierung beim Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) in Berlin deutlich artikuliert.

Die Stellungnahmen der ebenfalls anwesenden Verbandsvertreter des Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) zu dieser brennenden Frage bestand in Stillschweigen. Wie denn auch, seit der Veröffentlichung ihres "Leitfaden zur Patentierung computerimplementierter Erfindungen" 2007, eines Ratgebers, in dem Punkte wie "Aktive Lizenzierungsstrategien" und "Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Patentverletzern" behandelt werden, wird das Thema vom größten deutschen IT-Verband gemieden. Wieso wohl? Befürchtet dieser etwa, dass sich seine mittelständischen Mitglieder fragen, weshalb sie mit ihren Mitgliedsbeiträgen ein Politik finanzieren, mit der ihnen die Geschäftsgrundlage entzogen werden soll und sie sich also ihr eigenes Grab schaufeln.

Dagegen setzt der Verband IT-Mittelstand auf aktives Engagement gegen Softwarepatente:

Der Verband IT-Mittelstand fordert daher alle kleineren und mittleren IT-Unternehmen in Deutschland, die die Notwendigkeit erkennen, sich gegen Softwarepatente einzusetzen, sich an der Fachgruppe "(Keine) Softwarepatente" des Verband IT-Mittelstands zu beteiligen.

Des Weiteren spricht der Verband IT-Mittelstand eine Einladung an alle kleineren und mittleren IT-Unternehmen aus, sich an einer Befragung zu beteiligen, mit der das Meinungsbild unter diesen eingeholt werden soll, um die Ergebnisse der Politik zu präsentieren. Aufgrund der Brisanz des Themas ist eine vorhergehende Anmeldung zur Umfrage erforderlich."
(VDEB Verband IT-Mittelstand: ra)

VDEB Verband IT-Mittelstand: Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • "Recht auf schnelles Internet"

    Der Digitalausschuss des Bundestages hat über die Anhebung der Mindestversorgung mit Telekommunikationsdiensten entschieden. Dazu erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: "Statt neue Verpflichtungen für die Netzbetreiber aufzubauen, sollte die Bundesregierung die bürokratischen Hürden für den Netzausbau abbauen. Alle Menschen und Unternehmen brauchen einen schnellen Zugang ins Internet. Damit dieses Ziel in Deutschland erreicht wird, haben die Netzbetreiber den Gigabit-Ausbau massiv beschleunigt und investieren bis 2025 rund 50 Milliarden Euro in den Ausbau von Glasfasernetzen."

  • Bitkom zum Recht auf Reparatur

    Am 23. April 2024 stimmte das EU-Parlament über das Recht auf Reparatur ab. Dazu erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: "Länger nutzen ist oft umweltfreundlicher - das gilt auch für Smartphones, Tablets und andere digitale Geräte. Bitkom begrüßt daher, dass sich die EU dieses Themas mit der Einführung eines Rechts auf Reparatur annimmt. Positiv sticht bei der neuen EU-Richtlinie heraus, dass defekte IT-Geräte durch gebrauchte und professionell wiederaufbereitete Geräte - sogenannte Refurbished-IT - ersetzt werden können."

  • AI Act nahm letzte Hürde

    Die Mitgliedsstaaten der EU beschlossen am 21. Mai 2024 im Ministerrat den AI Act. Nach der Veröffentlichung könnte der AI Act bereits Ende Juni oder Anfang Juli in Kraft treten. Unternehmen müssen bereits sechs Monate später erste Regeln befolgen. Dazu erklärt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst,

  • Sechs Jahre DSGVO

    Am 25. Mai wurde die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sechs Jahre alt. Seit ihrer Anwendbarkeit verhängten europäische Datenschutzbehörden in mehr als 2.200 öffentlich bekannten Fällen Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 4,5 Milliarden Euro. Insbesondere Big-Tech-Unternehmen sind anfällig für hohe Bußgelder.

  • Sicherheit des Bankensektors in Europa

    Das Europäische Parlament hat am 24. April 2024 seine Position zu den Gesetzesvorschlägen der EU-Kommission für eine Änderung des Rahmenwerks für die Bankenabwicklung und Einlagensicherung (CMDI-Review) verabschiedet. Aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft werden dadurch bewährte Sicherungssysteme gefährdet und Finanzierungsmöglichkeiten für die Wirtschaft beeinträchtigt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen