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"Prism", "Tempora" und die Folgen


Digitaler Selbstdatenschutz ist wichtiger denn je: Grundprinzipien sind hierbei Datenvermeidung und Datensparsamkeit, also so wenige Daten im Netz zu hinterlassen wie irgend möglich
Datenschutzbewusstes Verbraucherverhalten im Internet wird von den Betreibern sofort registriert und eröffnet die Chance, dass sich über den Wettbewerb datenschutzkonforme Produkte durchsetzen

(06.08.13) - Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) erhält seit Aufdeckung der umfassenden Erfassungs- und Auswertungsverfahren von Telekommunikations- und Internetdaten US-amerikanischer und britischer Sicherheitsbehörden laufend Anfragen, wie sich Betroffene selbst schützen können und wie die Ausspähung der Menschen mittel- und langfristig eingeschränkt werden kann. Die umfassende verdachtslose geheimdienstliche Bespitzelung, u. a. bekannt geworden durch die Programme "Prism" und "Tempora" der National Security Agency (NSA – USA) und des Government Communications Headquarters (GCHQ – UK), betrifft auch die Bevölkerung und die Wirtschaft des Landes Schleswig-Holstein. Das ULD sieht in den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden wichtige Informationen, die Anlass für eine Neuorientierung sowohl hinsichtlich des individuellen Datenschutzverhaltens als auch der Datenschutzpolitik sind.

Selbstdatenschutz ist wichtiger denn je.

Grundprinzipien sind hierbei Datenvermeidung und Datensparsamkeit, also so wenige Daten im Netz zu hinterlassen wie irgend möglich:
>> Nutzen Sie datensparsame Internetangebote, bei denen keine Datenspuren hinterlassen werden, bei Suchmaschinen z. B. das vom ULD zertifizierte Ixquick/Startpage.
>> Bei Bedarf nach Anonymität beim Surfen verwenden Sie Anonymisierungsdienste. Verwenden Sie – wie vom Telemediengesetz rechtlich vorgesehen – statt Klarnamen Pseudonyme.
>> Durch Verwendung mehrerer Browser, mehrerer E-Mail-Accounts oder mehrerer sonstiger Identitäten wird eine Profilbildung erschwert. Verwenden Sie bei verschlüsselten Webseiten https.
>> Nutzen Sie bei der Datenspeicherung – jedenfalls in der Cloud – und bei sensiblen E-Mails Verschlüsselung.
>> Setzen Sie Tracking-Blocker ein und löschen Sie regelmäßig die Cookies in Ihrem Browser.
>> Verändern Sie die Browser-Einstellungen gemäß Ihren Datenschutzwünschen.

Bei der Auswahl von Internetdiensten sind europäische und deutsche Angebote den Angeboten aus Drittländern, insbesondere aus den USA, vorzuziehen, weil dann sicher europäisches Datenschutzrecht anwendbar ist. Auch bzgl. britischer Anbieter ist größere Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Lesen Sie vor regelmäßiger Nutzung eines Internetangebots die Nutzungs- und die Datenschutzbestimmungen und verzichten Sie auf den Einsatz, wenn Sie Zweifel an der Beachtung des Datenschutzes haben.

Datenschutzbewusstes Verbraucherverhalten im Internet wird von den Betreibern sofort registriert und eröffnet die Chance, dass sich über den Wettbewerb datenschutzkonforme Produkte durchsetzen.

Hinsichtlich der Geheimdienstaktivitäten im Internet sollte niemand der Illusion folgen, Argumente allein könnten zu mehr Transparenz und mehr Datenschutz beitragen – dies geht nur über politischen, wirtschaftlichen, diplomatischen und rechtlichen öffentlichen Druck.

Dieser Druck kann durch folgende Maßnahmen verstärkt werden:

>> Herstellung von Transparenz bzgl. sämtlicher Geheimdienstaktivitäten im Internet, und zwar – soweit dies aus Sicherheitsgründen vertretbar ist – gegenüber der Öffentlichkeit und nicht hinter verschlossenen Türen,

>> offizielle Kündigung der Safe-Harbor-Grundsätze durch die Europäische Kommission,

>> Infragestellung und im Zweifel Kündigung der Abkommen zum Datenaustausch für Sicherheitszwecke, insbesondere der Abkommen zu den Flugpassagierdaten (Passenger Name Records – PNR) und zum Bankdatenaustausch (Terrorist Finance Tracking Program – TFTP, SWIFT),

>> Aussetzen der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen EU und USA, bis die USA zu hinreichenden und überprüfbaren Datenschutzzusagen bereit ist, in jedem Fall aber – bis dahin – Ausschluss des Bereichs der Informations- und Kommunikationstechniken aus derartigen Verhandlungen,

>> Zeitnahe Beschlussfassung über die Europäische Datenschutz-Grundverordnung gemäß den von EU-Kommission und Parlamentsberichterstatter vorgegebenen Standards ohne weitere Berücksichtigung der US-Lobby-Vorschläge,

>> Prüfung und Einleitung rechtlicher Schritte beim Europäischen Gerichtshof und Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen Großbritannien wegen der Verletzung der Europäischen Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention durch Tempora,

>> Einleitung und Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Verantwortlichen für Prism und Tempora,

>> Einreiseerlaubnis für Edward Snowden mit dem Angebot des Schutzes vor politischer Verfolgung.

Mittelfristiges Ziel der Politik muss es sein, ein "Grundrecht auf Datenschutz" im Sinne eines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zumindest in der westlichen Welt, perspektivisch aber weltweit, zu etablieren. Dies muss durch verbindliche überprüfbare völkerrechtliche Sicherungen flankiert werden.

Thilo Weichert, Leiter des ULD, sagte: "Nicht nur vielen US-Amerikanern und Briten, sondern auch vielen Menschen in Deutschland und sonst in Europa ist offensichtlich noch nicht klar, was die anlasslose potenzielle Vollüberwachung des Internet bedeutet. Das Internet ist das Rückgrat unserer globalen Informationsgesellschaft. Die Überwachung kombiniert mit den bestehenden Speicherungs- und Analysemöglichkeiten von Big Data sind eine neue Bedrohung für unsere bürgerlichen Freiheitsrechte, für unsere Demokratien und für unsere Rechtsstaatlichkeit. Die Enthüllungen zu Prism und Tempora können und müssen insofern der Startpunkt für einen transatlantischen Lernprozess und für die Realisierung von Transparenz und digitalen Grundrechten sein."

Eine begründende Stellungnahme zu "Prism, Tempora, Snowden: Analysen und Perspektiven" von Thilo Weichert finden Sie unter
http://www.vocer.org/de/artikel/do/detail/id/496/prism-tempora-snowden-analysen-und-perspektiven.html

Eine Analyse der Big-Data-Anwendung Prism aus Datenschutzsicht finden Sie unter
https://www.datenschutzzentrum.de/bigdata/20130709-bigdata-und-prism.html
(ULD: ra)

ULD: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


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