Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesarbeitsgericht

Verfahrensfehlerhafter Betriebsratsbeschluss


Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über Torkontrollen, die der Vorgängerbetriebsrat mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hat
Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) weicht von der Rechtsprechung des Siebten Senats (10. Oktober 2007 - 7 ABR 51/06 -; 28. Oktober 1992 - 7 ABR 14/92 -) ab


(04.09.13) - Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) möchte die Auffassung vertreten, dass die Ladung zu einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung nicht zur Unwirksamkeit eines in dieser Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses führt, wenn sämtliche Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig geladen sind, der Betriebsrat beschlussfähig iSd. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschlossen haben, über den Regelungsgegenstand des später gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen. Nicht erforderlich ist, dass in dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind. Damit weicht der Senat von der Rechtsprechung des Siebten Senats (10. Oktober 2007 - 7 ABR 51/06 -; 28. Oktober 1992 - 7 ABR 14/92 -) ab. Der Erste Senat fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Siebte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über Torkontrollen, die der Vorgängerbetriebsrat mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hat. Der neu gewählte Betriebsrat hält diese für unwirksam, weil sie das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer unverhältnismäßig beeinträchtige und verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Zustimmung zu der Betriebsvereinbarung sei in einer Betriebsratssitzung beschlossen worden, zu der ohne Mitteilung einer Tagesordnung geladen worden sei. Dieser Ladungsmangel habe trotz einer einstimmigen Beschlussfassung nicht geheilt werden können, weil nicht alle Betriebsmitglieder anwesend gewesen seien. Das Landesarbeitsgericht hat auf Antrag des Betriebsrats festgestellt, dass diese Betriebsvereinbarung keine Rechtswirkung entfaltet.

Über die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin kann noch nicht entschieden werden. Zwar ist die Betriebsvereinbarung materiell wirksam, weil die darin geregelten Torkontrollen das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen.

Ob die gegen § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verstoßende Ladung zur Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung zur Unwirksamkeit des in der Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses über die Zustimmung zur Betriebsvereinbarung führt, kann derzeit noch nicht entschieden werden. Nach bisheriger Rechtsauffassung des Ersten und Siebten Senats wäre dies der Fall, weil in der Betriebsratssitzung nicht sämtliche Betriebsratsmitglieder anwesend waren. Da der Erste Senat dieses Erfordernis aufgeben möchte, fragt er nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Siebte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.

Bundesarbeitsgericht Beschluss vom 9. Juli 2013 - 1 ABR 2/13 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss vom 17. September 2012 - 16 TaBV 109/11 -
(Bundesarbeitsgericht: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundesarbeitsgericht

  • Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung

    Die Ansprüche und Anwartschaften der Berechtigten gegen den Arbeitgeber, die mit der Insolvenzeröffnung kraft Gesetzes auf den Pensions-Sicherungs-Verein übergehen, sind und bleiben Ansprüche auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung. Da sie mit der Insolvenzeröffnung als Kapitalsumme zur Insolvenztabelle anzumelden sind, haben sie nicht den Charakter wiederkehrender Leistungen.

  • Abrechnung des Entgelts eine sog. Holschuld

    Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt.

  • Betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer

    Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, der für ihn tarifzuständigen Gewerkschaft die dienstlichen E-Mail-Adressen seiner - bereits vorhandenen und neu hinzukommenden - Arbeitnehmer zum Zweck der Mitgliederwerbung mitzuteilen. Ein solches Begehren kann nicht auf eine von den Gerichten - im Weg der gesetzesvertretenden Rechtsfortbildung - vorzunehmende Ausgestaltung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit gestützt werden.

  • Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit

    Der Beweiswert einer im Nicht-EU-Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert sein, wenn nach der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung des zu würdigenden Einzelfalls Umstände vorliegen, die zwar für sich betrachtet unverfänglich sein mögen, in der Gesamtschau aber ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Bescheinigung begründen. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer in Deutschland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

  • Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten

    Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter (§ 4 Abs. 1 TzBfG), wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen