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Virtuelle Aktienoptionen & Karenzentschädigung


Wettbewerbsverbot - Berechnung der Karenzentschädigung - virtuelle Aktienoptionen
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sämtliche Leistungen der Beklagten aufgrund von virtuellen Aktienoptionen seien in die Berechnung der Karenzentschädigung für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot einzubeziehen



In die Berechnung einer Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB fließen auch Leistungen aus einem virtuellen Aktienoptionsprogramm ein. Das gilt jedoch nur, wenn die Optionsrechte im noch bestehenden Arbeitsverhältnis ausgeübt worden sind.

Der Kläger war ab dem 1. Oktober 2019 bei der Beklagten mit einem festen Bruttojahresentgelt von 100.000,00 Euro beschäftigt. Zwischen den Parteien war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot iSv. §§ 74 ff. HGB vereinbart. Die Beklagte teilte dem Kläger virtuelle Aktienoptionen zu, die grundsätzlich keinen Anspruch auf Übertragung von Aktien, sondern auf eine Zahlung in Geld begründeten. Die virtuellen Optionsrechte mussten zunächst durch Arbeitsleistung während einer "Vesting Period" über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren schrittweise "erdient" werden. Nach Ablauf der "Vesting Period" konnten die Optionen unter der Voraussetzung ausgeübt werden, dass ein Ausübungsereignis in Form eines Share Deals, Asset Deals oder eines Börsengangs eintrat. Nach dem Eintritt eines solchen Ereignisses im September 2021 übte der Kläger bereits erdiente ("gevestete") Optionsrechte aus. Die Beklagte rechnete diese Optionen im Oktober 2021 mit 161.394,79 Euro brutto ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund eines Aufhebungsvertrags zum 30. Juni 2022. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses übte der Kläger weitere Optionsrechte aus, die die Beklagte im Oktober 2022 mit 17.706,32 Euro brutto abrechnete.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sämtliche Leistungen der Beklagten aufgrund von virtuellen Aktienoptionen seien in die Berechnung der Karenzentschädigung für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot einzubeziehen. Die Vorinstanzen haben nur die im laufenden Arbeitsverhältnis von der Beklagten erbrachten Leistungen aus dem Programm über virtuelle Aktienoptionen bei der Berechnung der Karenzentschädigung einbezogen, nicht dagegen diejenigen, die nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses erbracht worden sind.

Die dagegen gerichteten Revisionen des Klägers und der Beklagten hatten vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die von der Beklagten im laufenden Arbeitsverhältnis erbrachten Leistungen aus dem Programm über virtuelle Aktienoptionen gehören zu den vom Kläger zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen nach § 74 Abs. 2 HGB* in Form von wechselnden Bezügen iSv. § 74b Abs. 2 HGB**. Sie stellen eine Gegenleistung für die vom Kläger im Arbeitsverhältnis erbrachte Arbeitsleistung dar. Bei der Berechnung der Karenzentschädigung sind sie nach § 74b Abs. 2 HGB mit dem Durchschnitt der letzten drei Jahre bzw. der Dauer des Bestehens der maßgebenden Vertragsbestimmung – vorliegend 33 Monate – in Ansatz zu bringen. Entscheidend ist dabei, dass die Optionsrechte während des bestehenden Arbeitsverhältnisses im Zeitraum des § 74b Abs. 2 HGB ausgeübt worden sind. Dagegen fallen Leistungen der Beklagten aufgrund der Ausübung von Optionsrechten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht unter die zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen iSv. § 74 Abs. 2 HGB. Sie sind daher nicht in die Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. März 2025 – 8 AZR 63/24 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Januar 2024 – 3 Sa 462/23 –

Hinweise
Der Senat hat am selben Tag in einem Parallelverfahren (- 8 AZR 139/24 -) das dort angefochtene Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2024 (- 8 Sa 920/23 -) im Wesentlichen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

* § 74 Abs. 2 HGB lautet: Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.

** § 74b Abs. 2 HGB lautet: Soweit die dem Gehilfen zustehenden vertragsmäßigen Leistungen in einer Provision oder in anderen wechselnden Bezügen bestehen, sind sie bei der Berechnung der Entschädigung nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen. Hat die für die Bezüge bei der Beendigung des Dienstverhältnisses maßgebende Vertragsbestimmung noch nicht drei Jahre bestanden, so erfolgt der Ansatz nach dem Durchschnitt des Zeitraums, für den die Bestimmung in Kraft war.
(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.03.2025: ra)

eingetragen: 14.04.25


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