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Urheberrechtsschutz von Lernspielen


Nach Ansicht des BGH können die Lernspiele der Klägerin als Darstellungen wissenschaftlicher Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG urheberrechtlich geschützt sein
Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Lernspiele der Klägerin eine so eigentümliche Formgestaltung aufweisen, dass sie als Darstellungen wissenschaftlicher Art Urheberrechtsschutz genießen

(10.06.11) - Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat (…) entschieden, dass Lernspiele nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG als Darstellungen wissenschaftlicher Art urheberrechtlich geschützt sein können.

Die Klägerin entwickelt und vertreibt Lernspiele, die aus mehreren Übungsheften und einem Kontrollgerät bestehen. Die Lernspiele werden in drei Varianten angeboten, denen dieselbe Spielidee zugrunde liegt. So besteht das Kontrollgerät eines der Lernspiele aus einem flachen Kunststoffkasten, in dem zwölf quadratische Plättchen in zwei Reihen zu je sechs Plättchen auf dafür vorgesehenen Feldern liegen. Die Plättchen sind auf der Vorderseite von eins bis zwölf durchnummeriert und auf der Rückseite mit roten, blauen oder grünen Farbmustern versehen. Die Aufgabe des Anwenders besteht darin, die Plättchen nach der Aufgabenstellung des Übungsheftes einem bestimmten Feld zuzuordnen. Hat der Anwender die Aufgabe richtig gelöst, kann er dies, wenn er das Kontrollgerät umdreht, daran erkennen, dass die Rückseiten der Plättchen ein harmonisches, im Übungsheft zur Kontrolle abgebildetes Muster bilden.

Die Beklagte hat Lernspiele hergestellt und vertrieben, die weitgehend nach demselben Prinzip wie die Lernspiele der Klägerin funktionieren. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe dadurch das Urheberrecht an ihren Lernspielen verletzt. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nach Ansicht des BGH können die Lernspiele der Klägerin als Darstellungen wissenschaftlicher Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG urheberrechtlich geschützt sein. Für Darstellungen wissenschaftlicher Art ist es begriffswesentlich, dass sie der Vermittlung von belehrenden oder unterrichtenden Informationen dienen. Die Kontrollgeräte vermitteln im Zusammenspiel mit den Übungsheften solche Informationen. Bereits der Darstellung einfachster "wissenschaftlicher" Erkenntnisse kann Urheberrechtsschutz zukommen. Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Urheberrechtsverletzung sei ausgeschlossen, weil sich die Inhalte und Aufgaben der Übungshefte der Beklagten von denen der Klägerin unterscheiden. Nach Auffassung des BGH kann mit dieser Begründung eine Urheberrechtsverletzung nicht verneint werden. Für den Urheberrechtsschutz einer Darstellung wissenschaftlicher Art ist der dargestellte Inhalt ohne Bedeutung. Es kommt nicht darauf an, was, sondern wie etwas dargestellt wird. Nur die Form der Darstellung kann deren Urheberrechtsschutz begründen.

Das Berufungsgericht wird daher zu prüfen haben, ob die Lernspiele der Klägerin eine so eigentümliche Formgestaltung aufweisen, dass sie als Darstellungen wissenschaftlicher Art Urheberrechtsschutz genießen. Hierfür reicht es schon aus, dass sich die Gestaltung vom alltäglichen Schaffen im betroffenen Bereich der Lernspiele abhebt, auch wenn das Maß der geistigen Leistung und individuellen Prägung gering ist. Sollten die Lernspiele der Klägerin allerdings nur ein geringes Maß an Eigentümlichkeit haben, könnten bereits verhältnismäßig geringfügige Abweichungen in der Gestaltung der Lernspiele der Beklagten zur Folge haben, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Auch dies wird das Berufungsgericht gegebenenfalls zu prüfen haben.

Urteil vom 1. Juni 2011 - I ZR 140/09 – Lernspiele
LG Köln - Urteil vom 3. Dezember 2008 - 28 O 483/06
OLG Köln - Urteil vom 28. August 2009 - 6 U 225/08, GRUR-RR 2010, 147 = ZUM 2010, 176
(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 01.06.11: ra)


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