Datenschutz im Straßenverkehr
Datenzugriff und Datenschutz bei digitalisierten und vernetzten Fahrzeugen
Begehrlichkeiten, auf die im Zuge der weiteren Digitalisierung des Verkehrssektors zunehmend anfallenden Daten und Informationen zuzugreifen, sind mannigfaltig
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bereitet einen Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes im Hinblick auf hoch- und vollautomatisierte Fahrfunktionen vor. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (18/10192) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor (18/9897) zum Datenschutz bei digitalisierten und vernetzten Fahrzeugen hervor. An diesem Entwurf sei auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit beteiligt, heißt es weiter.
Vorbemerkung der Fragesteller:
Moderne Fahrzeuge verfügen über bis zu 80 digitale Steuergeräte, die auch personenbeziehbare Daten und Informationen erheben, verarbeiten und nutzen, sowie einer Anzahl von bis zu 100 verschiedenen Sensoren (z. B. Positions-, Regen-, Videosensoren). Die digitalen Steuergeräte und Sensoren generieren – oftmals intransparent für den Fahrzeughalter – selbsttätig große Menge von Daten und Informationen zur Umgebung, zur Fahrweise, aber auch direkt zum Zustand der Fahrenden. So wird beispielsweise die Atemluft kontrolliert, der Herz- oder Pupillenschlag überwacht oder der psychische Zustand per Sprachanalyse verfolgt (vgl. insgesamt mit weiteren Nachweisen: Hornung/Goeble, CR 4/2015, S. 265 ff., ferner Bundestagsdrucksache 18/6343).
Ebenfalls massiv ausgebaut wird die interne Konnektivität der Fahrzeuge, für einige Systeme wie die On-Board-Diagnose gibt es bereits herstellerübergreifende Standards. Doch auch die externe Vernetzung von Fahrzeugen schreitet weiter voran, bei der es um die Kommunikation des Fahrzeugs mit seiner Umgebung geht. Bereits heute etabliert sind Positionsgeräte, die Standortdaten an andere Fahrzeuge, Hersteller, Werkstätten usw. weitergeben, oftmals ohne Offenlegung gegenüber den Fahrzeugbesitzern.
Auch wenn das sogenannte vollautonome oder hochautomatisiertes Fahren bislang nur vereinzelnd auf Teststrecken erprobt wird, hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gleichwohl angekündigt, in Kürze gesetzliche Regelungen vorzulegen. Ziel ist es offenbar, die deutschen Hersteller, die im internationalen Wettbewerb mit anderen Automobilanbietern stehen, aber auch Daten sammelnde Unternehmen, rechtlich abzusichern.
Die Diskussion über den Umgang mit den Daten und Informationen derjenigen bzw. über diejenigen, die das Fahrzeug nutzen, ist in vollem Gange, wobei die Verwertung der anfallenden Daten und Informationen, wie etwa bei dem Versicherungsmodell "Pay as you drive" im Mittelpunkt der Diskussionen und sich rasant entwickelnder Geschäftsmodelle zu stehen scheint. Kommerzielle Verwertungsinteressen an den anfallenden Daten und Informationen haben nicht allein Fahrzeughersteller, Zulieferer, Werkstätten. Die dabei entstehenden Bewegungsprofile sind sowohl für Versicherungen, Sicherheitsbehörden als auch diverse Aufsichtsbehörden von größtem Interesse. Besitzt das Fahrzeug eine Verbindung zum Internet, was schon heute oftmals der Fall ist, kommen auch die Interessen großer Internetanbieter und deren Konzepte personalisierter Werbung zusätzlich ins Spiel.
Begehrlichkeiten, auf die im Zuge der weiteren Digitalisierung des Verkehrssektors zunehmend anfallenden Daten und Informationen zuzugreifen, sind mannigfaltig. Insgesamt entstehen vielfache neue Risiken der Erfassung und der missbräuchlichen Nutzung von Daten und Informationen, auf die der Gesetzgeber angemessen reagieren muss. Die Einsetzung einer unabhängig besetzten Ethik-Kommission, die sich auch mit diesen zentralen Fragen der informationellen Selbstbestimmung im digitalisierten Verkehrssektor zwingend beschäftigen muss, ist daher grundsätzlich zu begrüßen. Sinnvoll erscheint es, die Ergebnisse ihrer Arbeit abzuwarten, um sie in gesetzliche Regulierungsvorschläge einfließen zu lassen.
Mit der voranschreitenden Digitalisierung und Vernetzung des Verkehrssektors entstehen zugleich gravierende IT-Sicherheitsrisiken, die sich damit nicht allein auf das einzelne Fahrzeuge und Insassen, sondern auf die Sicherheit des Verkehrs insgesamt auswirken können. Beispiele hierfür sind verschiedene Hacks und die Möglichkeit der Fremdsteuerung verschiedener Fahrzeuge. Die auch mit der Digitalisierung einhergehende Möglichkeit der Manipulierbarkeit der Software von Fahrzeugen gegenüber aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahren sowie die Versiegelung bis hin zu einer "black box", an Stelle von Transparenz und Prüfbarkeit, stellt die überkommenen Prüfungsverfahren als auch den Regelungsrahmen zum Schutz von Allgemeininteressen und Persönlichkeitsrechten zusätzlich infrage.
Aus Sicht der Fragesteller können intelligente Verkehrsnetze wachsende Verkehrsströme bewältigen helfen und damit wichtige öffentliche Interessen befördern, so dass Förderung und Forschung durchaus gerechtfertigt erscheinen. Auf die zahlreichen Potentiale der Digitalisierung des Verkehrsbereichs macht die Bundesregierung in ihrer "Strategie Intelligente Vernetzung" (vgl. Bundestagsdrucksache 18/6022) aufmerksam, ohne jedoch angemessen zu berücksichtigen, dass Schutzmechanismen für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Beachtung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zwingende Voraussetzungen sind, um die vielfältigen Potentiale tatsächlich nutzbar zu machen. Trotz der bereits seit Jahren beforschten und diskutierten Dynamik dieser Entwicklung fehlt es bis heute an der Übernahme der Schutzverantwortung für IT-Sicherheit und Datenschutz durch die Bundesregierung.
(Deutsche Bundesregierung: ra)
eingetragen: 24.11.16
Home & Newsletterlauf: 14.12.16
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