Gemeinnützigkeit von Körperschaften


Gemeinnützigkeit bei Vereinen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden: Verdacht reicht für Aberkennung der Gemeinnützigkeit nicht aus
Die Steuerbefreiung einer Körperschaft wegen der Förderung steuerbegünstigter Zwecke werde spätestens alle drei Jahre überprüft


(22.04.08) - Ein Verdacht oder eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz reicht für eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Körperschaften nicht aus. Daran solle sich auch nichts ändern, unterstreicht die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/8711) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (16/8566).

Eine Körperschaft sei nur gemeinnützig, wenn sie nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung selbstlos, ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit fördert. Zur Prüfung, ob neben der Satzung auch die tatsächliche Geschäftsführung den Anforderungen genügt, müssten die Körperschaften dem Finanzamt eine Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben und eine Aufstellung über das Vermögen am Ende des Kalenderjahres sowie den Geschäfts- oder Tätigkeitsbericht vorlegen.

Darüber hinaus könnten die Finanzbehörden weitere Auskünfte und Unterlagen verlangen. Die Steuerbefreiung einer Körperschaft wegen der Förderung steuerbegünstigter Zwecke werde spätestens alle drei Jahre überprüft, so die Regierung. Hinweisen aus der Bevölkerung über Betätigungen, die sich schädlich auf die Gemeinnützigkeit auswirken können, gingen die Finanzämter grundsätzlich nach. Hinweise, die bei den Verfassungsschutzbehörden eingehen, würden nach einer Prüfung an die Finanzbehörden weitergeleitet. In den letzten fünf Jahren seien zwei als gemeinnützig anerkannte Vereine verboten worden, heißt es in der Antwort.

Vorbemerkung der Fragesteller
Am 2. Februar 2008 berichtete das Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL" über Vereine, deren Verfassungsgemäßheit zweifelhaft erscheint bzw. die bereits vom Verfassungsschutz beobachtet werden und dennoch den Status der Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung haben.
Als Beispiel ist der Verein "Collegium Humanum" genannt worden, dessen Vorsitzende, Ursula Haverbeck, bereits wegen Volksverhetzung vorbestraft ist.
Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.
In Anbetracht des vorgenannten Artikels und des Umstands, dass es 535.000 Vereine in der Bundesrepublik Deutschland gibt und davon etwa die Hälfte als gemeinnützig anerkannt sind, stellt sich die Frage, welche praktischen Voraussetzungen für die Feststellung der Gemeinnützigkeit erfüllt sein müssen.

1. Wie viele und welche Körperschaften, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden oder gegen die der Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit besteht, verfügen nach Wissen der Bundesregierung über den Status der Gemeinnützigkeit nach § 52 AO?
Die Zahl dieser Vereine ist der Bundesregierung nicht bekannt.

2. Wie viele dieser Körperschaften sind den rechtsextremistischen, linksextremistischen und fundamentalistisch religiösen bzw. weltanschaulichen Spektren zuzurechnen?
Siehe Antwort zu Frage 1.

3. Wie und auf welche Weise können bzw. müssen Körperschaften den Nachweis erbringen, dass sie die Allgemeinheit im Sinne von § 52 Abs. 2 AO fördern?
Eine Körperschaft ist nur gemeinnützig, wenn sie nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung selbstlos, ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit fördert (§ 52 Abs. 1 AO). Zur Prüfung, ob neben der Satzung auch die tatsächliche Geschäftsführung den Anforderungen genügt, haben die Körperschaften dem Finanzamt mit der Erklärung zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer von Körperschaften, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (Vordruck Gem 1), zusätzlich zu der Satzung und den Angaben in der Erklärung eine möglichst weitgehend aufgegliederte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben und eine Aufstellung über das Vermögen am Ende des Kalenderjahres bzw. den Jahresabschluss (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) sowie den Geschäfts- oder Tätigkeitsbericht vorzulegen. Darüber hinaus können die Finanzbehörden weitere Auskünfte und die Vorlage weiterer Unterlagen verlangen. Auch Außenprüfungen sind zulässig (§ 193 ff. AO).

4. Gibt es Unterschiede im Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Gemeinnützigkeit bzw. bei den Nachweiserbringungspflichten in den einzelnen Bundesländern bzw. Finanzämtern?
Wenn ja, in welcher Weise unterscheiden sie sich, und gibt es Bestrebungen, die Vorgaben zu vereinheitlichen?
Die Gemeinnützigkeit von Körperschaften wird anhand bundeseinheitlicher Vordrucke überprüft. Damit werden auch bundesweit die gleichen Unterlagen angefordert. Die wesentlichen Ausführungsbestimmungen zum Gemeinnützigkeitsrecht enthält der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 15. Juli 1998 – Bundessteuerblatt Teil I (BStBl I) S. 630 –, u. a. geändert durch das BMF-Schreiben vom 10. September 2002 – BStBl I S. 867). Die darin enthaltenen allgemeinen Verwaltungsanweisungen sind für die Finanzämter im gesamten Bundesgebiet verbindlich.

5. Wird das Fortbestehen der Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit regel- mäßig kontrolliert, wenn ja, in welchen Zeitabständen, und aus welchem Anlass?
Die Steuerbefreiung einer Körperschaft wegen der Förderung steuerbegünstigter Zwecke wird spätestens alle drei Jahre überprüft (Anwendungserlass zur Abgabenordnung, zu § 59 Nr. 7). Die Prüfung umfasst den gesamten Dreijahreszeitraum. Wenn wegen umfangreicher wirtschaftlicher Betätigungen regelmäßig Steuern anfallen oder andere Gründe dazu Anlass geben, wird die Körperschaft jährlich geprüft.

6. Gehen die zuständigen Behörden Hinweisen aus der Bevölkerung hinsichtlich von Zweifeln am Fortbestehen der Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen nach, und wie häufig gehen derartige Anzeigen bei den Behörden ein?
Die Finanzämter gehen Hinweisen aus der Bevölkerung auf für die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft schädliche Betätigungen grundsätzlich nach. Hin- weise, die bei den Verfassungsschutzbehörden eingehen, werden nach Prüfung der Relevanz an die Finanzbehörden weitergeleitet. Die Zahl der Hinweise aus der Bevölkerung wird nicht statistisch erfasst.

7. Werden die jeweiligen Finanzämter von Ländern bzw. wird die Bundesregierung informiert, wenn sie Erkenntnisse über die Verfassungsfeindlichkeit einer gemeinnützigen Organisation haben?
Die jährlichen Verfassungsschutzberichte, die über extremistische Bestrebungen aufklären sollen, werden auch den Finanzbehörden zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus sind die Verfassungsschutzbehörden im Rahmen der rechtlichen Vorgaben bemüht, auch in konkreten Einzelfällen die zuständigen Finanzbehörden über die Verfassungsfeindlichkeit als gemeinnützig anerkannter Organisationen zu unterrichten.

8. Wie viele Fälle hat es in den letzten fünf Jahren gegeben, in denen Körperschaften die Gemeinnützigkeit wieder entzogen wurde, weil ihre Verfassungsfeindlichkeit festgestellt wurde?

9. Aus welchen Gründen wurde die Gemeinnützigkeit in diesen Fällen entzogen, und wie hat die jeweilige Finanzbehörde davon erfahren?
Die Fragen 8 und 9 werden zusammengefasst beantwortet: Die Zahl der Fälle, in denen die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde und die Gründe dafür, werden nicht statistisch erfasst.

10. Wie viele Fälle hat es in den letzten fünf Jahren gegeben, in denen Körperschaften, die als gemeinnützig anerkannt waren, nach Durchführung eines vereinsrechtlichen Verbotsverfahrens wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten worden sind?
In den letzten fünf Jahren waren zwei als gemeinnützig anerkannte Vereine von Verbotsmaßnahmen betroffen.

11. Ist es aus Sicht der Bundesregierung rechtlich möglich, dass eine Organisation, gegen die der Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit besteht oder die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, einen gemeinnützigen Zweck verfolgt?
Wenn ja, welche Konstellationen sind hier denkbar, und hat die Bundesregierung vor, dagegen vorzugehen (bitte darlegen mit welchen Maßnahmen)?

Nach den Grundsätzen unseres Rechtsstaats reicht ein Verdacht oder eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch nicht für eine Sanktion – hier: Aberkennung der Gemeinnützigkeit – aus. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, dies zu ändern.

12. Wie viele gemeinnützige Körperschaften gibt es in der Bundesrepublik Deutschland (bitte nach Bundesländern auflisten)?
Die Zahl der gemeinnützigen Körperschaften, die sich im Übrigen täglich ändert, wird nicht statistisch erfasst.
(Deutsche Bundesregierung: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Sorgfaltspflichten für Online-Dienste

    Bei einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses ist das von der Bundesregierung geplante Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene von den geladenen Sachverständigen überwiegend begrüßt worden. Moderate Kritik wurde an einzelnen Punkten des Entwurfs zur Umsetzung laut.

  • Einsatz von KI birgt auch Risiken

    Die Deutsche Bundesregierung erkennt in der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) ein "vielfältiges und beträchtliches" Potenzial für Beschäftigte und den Arbeitsmarkt. KI könne die Produktivität von Beschäftigten steigern und diese bei ihren Tätigkeiten entlasten.

  • EU-Plastikabgabe weiter in Abstimmung

    Die Deutsche Bundesregierung befindet sich momentan noch in der Abstimmung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Verschiedene Optionen würden geprüft.

  • Bedeutung gemeinwohlorientierter Unternehmen

    Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), hat bei der Aussprache zur Unterrichtung des Bundestages zur Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Wirtschaftsausschuss die Bedeutung des Programms betont.

  • Mehr Recycling-Anreize

    In seiner derzeitigen Form hat Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes aus Sicht der Bundesregierung für die Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen bereits ein wichtiges Signal in Richtung des ökologischen Verpackungsdesigns gesetzt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen