Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge


Damit die Rückverschiebung der Fälligkeit keine Liquiditätslücken bei den Sozialversicherungen schafft, soll nach den Vorstellungen der FDP-Fraktion am Jahresbeginn eine Sondervorauszahlung von Sozialversicherungsbeiträgen geleistet werden, die sich auf ein Elftel des Vorjahresumsatzes belaufen soll
Die derzeitige vorfällige Zahlung führe dazu, dass Betriebe Zahlungen für Arbeitsleistungen tätigen müssten, die noch gar nicht erbracht worden seien



Das Vorhaben der FDP-Fraktion, den Fälligkeitstermin für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitgeber nach hinten zu verschieben, um die Bürokratiekosten für Unternehmen zu senken, stieß während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales überwiegend auf Ablehnung. In einem Antrag (19/1838) fordern die Liberalen, das Fälligkeitsdatum der Sozialversicherungsbeiträge auf den drittletzten Werktag des Folgemonats zu verschieben.

Derzeit seien Unternehmen verpflichtet, Gesamtsozialversicherungsbeiträge am drittletzten Bankarbeitstag des Monats den Sozialversicherungsträgern zu übermitteln, heißt es in dem Antrag. Dadurch, dass die Beiträge im laufenden Monat fällig würden, seien Unternehmen verpflichtet, ihre Beiträge für den Rest des Monats zu schätzen und mögliche Differenzen bei der nächsten Überweisung mit zu verrechnen, kritisieren die Abgeordneten. Unternehmen müssten infolgedessen seit der im Jahr 2006 vorgenommenen Änderung der Fälligkeit 24 anstelle von zwölf Monatsabrechnungen für die Sozialversicherungsbeiträge erstellen.

Damit die Rückverschiebung der Fälligkeit keine Liquiditätslücken bei den Sozialversicherungen schafft, soll nach den Vorstellungen der FDP-Fraktion am Jahresbeginn eine Sondervorauszahlung von Sozialversicherungsbeiträgen geleistet werden, die sich auf ein Elftel des Vorjahresumsatzes belaufen soll.

Thea Dückert vom Nationalen Normenkontrollrat sah keinen Bedarf für eine Neuregelung. Sie verwies auf ein gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt erstelltes Gutachten, wonach die Rückkehr zu dem Verfahren von vor 2006 Einsparungen in Höhe von 81 Millionen Euro mit sich bringen würde. Die 2016 im Rahmen des Bürokratieentlastungsgesetzes gefundene Regelung, die allen Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, das erleichterte Beitragsberechnungsverfahren anzuwenden, das die Übernahme des Vormonatswertes zulässt, habe zu Einsparungen in Höhe von 64 Millionen Euro geführt, was eine Differenz von 17 Millionen Euro darstelle. Mit dieser Regelung sei aber zugleich verhindert worden, dass den Sozialkassen "eine Lücke von 28 Milliarden Euro" entstehen würde, was bei einer Rückverlegung der Fall gewesen wäre. Aus Sicht von Dückert könnte durch die Komplexität des von der FDP vorgeschlagenen Verfahrens sogar eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen entstehen.

Nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bringt die vorgeschlagene Änderung "keinen Benefit für die Unternehmen", sagte DGB-Vertreter Markus Hofmann. Es sei nicht zu erkennen, dass durch die Änderung Bürokratie abgebaut werden kann. Stattdessen wirke die Verschiebung der Fälligkeit in den Folgemonat wie ein zinsloses Darlehen für die Arbeitgeber.

Gerald Friedrich von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sagte, das jetzige System sorge bei den Arbeitgebern für eine "gefühlte Unzufriedenheit". Seiner Ansicht nach bezieht sich die Kritik aber eher grundsätzlich auf die zu komplizierte Lohnabrechnung. Aus Sicht der BDA führt die vorgeschlagene vorgezogene Beitragsfälligkeit nicht dauerhaft zu einer Entlastung der Betriebe. "Deshalb und auch wegen des hohen einmaligen Umstellungsaufwands sollte der Vorschlag nicht aufgegriffen werden", sagte Friedrich.

Auch die Vertreter der Kranken- und Rentenkassen stehen der vorgeschlagenen Neuregelung skeptisch gegenüber. Aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung Bund spricht zwar bei einer vollen Finanzierung der dadurch in einem Jahr entstehenden Beitragsausfälle durch die Arbeitgeber nichts gegen eine Verschiebung der Fälligkeit. Eine dringende Notwendigkeit dafür sei allerdings nicht zu erkennen, sagte Rentenversicherungsvertreter Holger Viebrock. Peggy Horn von der Knappschaft Bahn-See sagte, die 2016 erfolgte Gesetzesänderung habe deutliche Vorteile gebracht. Mit der von der FDP geplanten Vorauszahlung würde hingegen ein neuer Verwaltungsvorgang initiiert, was dazu führen würde, dass alle Programme erneut angepasst werden müssten.

Auch der Spitzenverband der Krankenklassen (GKV) sieht das derzeitige Modell als "automatisiert und etabliert" an. Das angedachte Optionsmodell würde hingegen für zusätzlichen Verwaltungsaufwand sorgen, sagte GKV-Vertreter Pekka Helstelä.

Gudrun Martens von der Arbeitsgemeinschaft der Personalabrechnungs-Software-Ersteller sagte, durch die Regelung würden neue Prozesse eingeführt, die die Belastungen der Arbeitgeber sowohl in finanzieller als auch in organisatorischer Hinsicht erheblich erhöhen würden. Alte Bürokratie werde so lediglich durch neue Bürokratie ersetzt.

Für den FDP-Antrag sprach sich Mario Ohoven vom Bundesverband Mittelständische Wirtschaft aus. Die derzeitige vorfällige Zahlung führe dazu, dass Betriebe Zahlungen für Arbeitsleistungen tätigen müssten, die noch gar nicht erbracht worden seien, sagte er. Gerade Kleinbetriebe müssten die Zahlung der Sozialabgaben durch Bankkredite vorfinanzieren. Der Entzug von Liquidität für kleine Unternehmen sei nicht hinnehmbar, befand Ohoven. Aus seiner Sicht wäre mit der Neuregelung eine spürbare bürokratische Entlastung verbunden. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 11.10.18
Newsletterlauf: 28.11.18


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Risikostrukturausgleich der Krankenkassen

    Verschiedene gesetzliche Initiativen der vergangenen Jahre zielen nach Angaben der Bundesregierung darauf ab, unzulässige Einflussnahmen auf die Datengrundlagen des Risikostrukturausgleichs (RSA) der Krankenkassen zu verhindern und die Manipulationsresistenz des RSA zu stärken. Zuletzt sei mit dem "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" (GKV-FKG) 2020 die sogenannte Manipulationsbremse eingeführt worden, heißt es in der Antwort (20/14678) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/14442) der Unionsfraktion.

  • Souveräne Dateninfrastruktur

    Die Bundesregierung strebt eine effiziente, wirtschafts- und innovationsfreundliche Umsetzungsstruktur der europäischen KI-Verordnung an, die knappe Ressourcen klug einsetzt. Das antwortet die Bundesregierung (20/14421) der AfD-Fraktion auf eine Kleine Anfrage (20/14109).

  • FDP legt Gesetzentwurf für flexibleres Stromsystem

    Die FDP-Fraktion hat den Entwurf eines Gesetzes (20/14705) zur "Integration von Photovoltaik- und anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Strommarkt und zur Vermeidung solarstrombedingter Netznotfall-Maßnahmen" vorgelegt. Er soll einerseits der Umsetzung der "Wachstumsinitiative der damaligen Bundesregierung vom Juli 2024 dienen.

  • Fairer Wettbewerb im digitalen Sektor

    Bis zum 5. Dezember 2024 haben die Koordinierungsstelle für digitale Dienste in der Bundesnetzagentur (BNetzA) 747 Eingänge von Beschwerden erreicht. Bereinigt um Irrläufer und Spam seien 703 konkrete Beschwerden zu möglichen Verstößen gegen den Digital Services Act (DSA) eingelegt worden.

  • Provisionsverbot noch nicht absehbar

    Ob beziehungsweise inwieweit im Zuge der nationalen Umsetzung der EU-Kleinanlegerstrategie national Maßnahmen ergriffen werden könnten, um Provisionen für den Abschluss von Versicherungsverträgen zu verbieten oder zu deckeln, ist noch nicht absehbar. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14411) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (20/14172) weiter mitteilt, haben die Trilogverhandlungen auf europäischer Ebene noch nicht begonnen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen