Leerverkaufsverbot kritisch beurteilt


Verbot von Leerverkäufen und CDS eine "regulatorischen Überreaktion": Koalitionsfraktionen wollen in Deutschland Finanztransaktionen, die eine Bedrohung für die Stabilität der Märkte darstellen, verbieten
Kreditausfallversicherungen seien nicht die Ursache für die griechische Krise - Diese Instrumente könnten jedoch die Wirkungen von Krisen verstärken


(23.06.10) - Das von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP geplante Verbot sogenannter ungedeckter Leerverkäufe von Aktien und Staatsanleihen aus der Eurozone ist von der Mehrheit der Sachverständigen in einer Anhörung des Finanzausschusses kritisch bewertet worden.

Sollten der von den Fraktionen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte (17/1952) so verabschiedet werden, würden Teile des Finanzmarktes ins Ausland verlagert, warnten etwa Vertreter deutscher Börsen.

Diese Verlagerung droht auch nach Ansicht des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), falls es nicht gelingen sollte, ein Verbot ungedeckter Leerverkäufer auf europäischer Ebene durchzusetzen. Mit dem Entwurf wollen die Koalitionsfraktionen ohne Beteiligung anderer europäischer Länder in Deutschland Finanztransaktionen, die eine Bedrohung für die Stabilität der Märkte darstellen, verbieten.

Dazu gehört nicht nur das Verbot ungedeckter Leerverkäufe, sondern auch ein Verbot des Abschlusses ungedeckter Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps – CDS) auf Verbindlichkeiten von EU-Mitgliedstaaten. Für gedeckte Leerverkäufe sind Transparenzregelungen vorgesehen, die von den meisten Sachverständigen begrüßt wurden.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte zwar das geplante Verbot ungedeckter Leerverkäufe, protestierte jedoch gegen die vorgesehene Ermächtigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Währungsderivate auf den Euro zu verbieten. "Wir brauchen einen Absicherungsmarkt für Exporte", sagte ein BDI-Sprecher in der Anhörung. In der schriftlichen BDI-Stellungnahme ist von einer "regulatorischen Überreaktion, die erhebliche negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat", die Rede.

Professor Hendrik Enderlein (Hertie School of Governance) sagte, Kreditausfallversicherungen seien nicht die Ursache für die griechische Krise. Diese Instrumente könnten jedoch die Wirkungen von Krisen verstärken.

Die Deutsche Börse erwartet "klare Nachteile für die deutsche Finanzwirtschaft". Die Handelsplattform Xetra habe 70 Prozent ausländische Teilnehmer, von denen bei Verboten viele auf Handelsplätze im Ausland ausweichen könnten. Von der Baden-Württembergischen Börse Stuttgart hieß es, "für ein umfassendes gesetzliches Verbot von ungedeckten Leerverkäufen besteht keine Veranlassung".

Energisch protestierte der Bundesverband der Wertpapierfirmen an deutschen Börsen, der in dem Gesetzentwurf "ein allgemeines Misstrauen gegen Investoren, auf deren Vertrauen auch Deutschland mehr denn je angewiesen ist", erkennt.

Die Deutsche Bundesbank schrieb in ihrer Stellungnahme, grundsätzlich könnten Leerverkäufe "wichtige ökonomische Funktionen erfüllen".

Nach Ansicht von Professor Daniel Zimmer (Universität Bonn) bringen Leerverkäufe allein keine Kurse zum Absturz. Es gebe zusätzliche Marktmanipulationen durch das Streuen negativer Gerüchte. Er bezweifle, ob ein Verbot zu einer Finanzmarktstabilität führen werde.

Professor Sebastian Dullien bezeichnete das Verbot ungedeckter Leerverkäufe und CDS als grundsätzlich richtig.

Die BaFin begrüßte, dass sie jetzt Instrumente erhalte, um den Exzessen auf den Finanzmärkten entgegentreten zu können.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte sogar ein komplettes Verbot von Kreditversicherungen: "Sie unterstellen, dass jedes Risiko neutralisierbar ist. Zudem fördern Kreditversicherungen die Risikobereitschaft der Anleger und ihren Hunger nach immer höherer Rendite."

Einen ganz anderen Aspekt trug der Bankenrechtler Professor Karl-Joachim Schmelz vor. Danach haben die Finanzmärkte die Krise nicht verursacht. Dort würden nur die Folgen sichtbar. Es werde nur an den Symptomen herumgedoktert. Der Denkfehler bestehe darin, dass "auch eine negative Marktentwicklung beweist, dass der Markt funktioniert". (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Gleichstellung als verbindliches Förderkriterium

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (21/790) die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichstellung von Frauen und Mädchen im organisierten Sport in Deutschland deutlich zu verbessern.

  • Ausbau der digitalen Infrastruktur

    Die von der schwarz-roten Koalition geplante Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist bei einer Mehrheit der Sachverständigen auf Zustimmung zu den Zielen und Kritik an Details gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses zum TKG-Änderungsgesetz 2025 bezeichnete eine Reihe von Sachverständigen den Entwurf als ein wichtiges Signal für die Branche.

  • Auskunft zum Cum/Ex und Cum/Cum

    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

  • Kosten der Vermeidung von CO2-Emissionen

    Keine konkreten Angaben zu den Kosten, die ihre Pläne zur Vermeidung von CO2-Emissionen verursachen, macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/715) auf eine Kleine Anfrage (21/296) der AfD-Fraktion. Zur Begründung verweist sie darauf, dass Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele auf ein "breites Spektrum aufeinander abgestimmter Klimaschutzmaßnahmen" setze. Diese dienten neben der Minderung von Treibhausgasen auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, dem sozialen Ausgleich sowie der langfristigen Transformation hin zur Klimaneutralität. Die Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen gehe dabei über eine "kurzfristige, rein statische Betrachtung der CO2-Vermeidungskosten" hinaus.

  • Steuerung des Windenergieausbaus

    An der von den Koalitionsfraktionen geplanten Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses zu dem Gesetzentwurf "zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs" (21/568) deutlich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen