Verfahren um Zusammenschluss von E.ON und RWE


Position, Rolle und Kontakte der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Transaktion von E.ON und RWE auf dem Energiemarkt
Die deutsche Energiewirtschaft soll nach den Zielbestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung von Verbrauchern mit Strom und Gas in Deutschland ermöglichen



Die Deutsche Bundesregierung verfolgt mit der Streithilfe im Klageverfahren um den Zusammenschluss der Energiekonzerne E.ON und RWE keine energie- oder industriepolitischen Interessen. Das schreibt sie in einer Antwort (19/24235) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/23376).
Das Verfahren um die Fusion der Unternehmen habe "unabhängig von den konkret betroffenen Märkten und Parteien Auswirkungen auf die Regelungskompetenzen des nationalen Gesetzgebers im Bereich der Fusionskontrolle". Die Bundesregierung verfolge mit der Streithilfe das Ziel, dass das Bundeskartellamt auch in solchen Konstellationen für den Wettbewerbsschutz zuständig bleibe.

Vorbemerkung der Fragesteller
Die deutsche Energiewirtschaft soll nach den Zielbestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung von Verbrauchern mit Strom und Gas in Deutschland ermöglichen. Sie nimmt zudem eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union ein, die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren und die Klimaschutzziele des Pariser Abkommens zu verwirklichen. Im Zuge der europäischen Liberalisierung wurde der deutsche Energiemarkt ab dem Jahr 1998 geöffnet, indem die bis dato abgeschotteten Strukturen der zentralen Verbundwirtschaft zugunsten von Akteursvielfalt und eines gesunden Wettbewerbs von kommunalen und privaten Energieversorgern aufgelöst wurden.

Auch technisch entwickelt sich der Markt durch verändertes Verbraucherverhalten, den Ausbau erneuerbarer Energien, den Ausstieg aus der Kernenergie und den mit dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz jüngst beschlossenen Ausstiegspfad für Braun- und Steinkohlekraftwerke zunehmend in Richtung dezentralerer Strukturen. Im vergangenen Jahr wurde aber mit mehreren Entscheidungen der Europäischen Kommission und des Bundeskartellamts der Weg für eine Fusion der beiden größten deutschen Energieversorger E.ON und RWE freigemacht. Grundlage dafür war ein zusammenhängendes, umfangreiches Tauschgeschäft, auf das sich beide Seiten im März 2018 verständigt hatten.

Darin wurde vereinbart, dass sich E.ON aus der Stromerzeugung zurückzieht und RWE den vorhandenen erneuerbaren Anlagenpark sowie Anteile an den Kernkraftwerken Emsland und Gundremmingen auf den deutlichen Marktführer RWE überträgt. Weiter sollte E.ON der RWE nach Durchführung einer Kapitalerhöhung einen 16,67-Prozent-Aktienanteil am eigenen Unternehmen verschaffen. Im Gegenzug sollte RWE das bis dato in der Tochtergesellschaft innogy gehaltene Netzgeschäft und das Geschäft mit Endkunden auf E.ON übertragen.

Die Übertragung von Erzeugungsassets der E.ON auf RWE wurde von der Europäischen Kommission (Case M.8871, RWE/E.ON Assets) – parallel zur gleichlautenden Entscheidung des Bundeskartellamts zur Beteiligung von RWE an E.ON (Fall B8 – 28/19) – am 26. Februar 2019 bereits in Phase 1 gebilligt, weil beide Behörden jene Teile der Fusion als wettbewerblich unbedenklich bewerteten. Bezüglich der Übertragung der innogy auf E.ON leitete die Europäische Kommission zwar am 7. März 2019 wegen erheblicher Wettbewerbsbedenken eine vertiefte Prüfung in Phase 2 ein. Jedoch wurde die Übernahme dann entgegen erheblicher Widerstände aus dem Markt unter geringen Auflagen, welche die Heizstromsparte von E.ON und den Betrieb von 34 Ladesäulen an bundesdeutschen Autobahnen umfassten, am 17. September 2019 freigegeben (Case M.8870, E.ON/innogy).

Gegen die Entscheidungen der Europäischen Kommission im Fall RWE/E.ON Assets haben inzwischen einige namhafte deutsche Energieversorger Nichtigkeitsklage zum Europäischen Gericht eingelegt, weil sie schwerwiegende und nachhaltige Schäden für den Wettbewerb im liberalisierten Energiemarkt erwarten. Die Entscheidung des Bundeskartellamts im Fall der 16,67-Prozent – Beteiligung der RWE an E.ON ist Gegenstand einer Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Kläger im Fall RWE/E.ON Assets haben angekündigt, auch gegen die Freigabe der Europäischen Kommission zur Übernahme der innogy durch E.ON Nichtigkeitsklage zu erheben.

Die Bundesrepublik Deutschland hat nach einem Bericht des "Handelsblatts" vom 24. September 2020 ("Megadeal vor Gericht: Bundesregierung ergreift Partei für Eon und RWE") nunmehr einen Antrag auf Zulassung zur Streithilfe im Rahmen der anhängigen Nichtigkeitsklagen gegen die Entscheidung im Fall RWE/E.ON Assets gestellt. Sie möchte damit die Freigabe der Kommission an der Seite der Energiekonzerne E.ON und RWE gegen die klagenden – überwiegend kommunalen – Energieversorger verteidigen, wie sie dies früher z. B. auch bei dem im Zusammenhang mit der Einführung von Toll Collect stehenden Zusammenschluss der Daimler AG und der Deutschen Telekom AG bereits getan hat.

Diese Intervention der Bundesregierung in das laufende Klageverfahren zum Fall RWE/E.ON Assets wirft vor dem Hintergrund der traditionell sehr regelmäßigen und guten Kontakte der Bundesregierung zu E.ON und RWE (vgl. Bundestagsdrucksachen 18/2469 und 18/12216) und der bisherigen Positionierung der Bundesregierung zu dem für die Energiewirtschaft grundlegenden Zusammenschluss beider Konzerne (vgl. Bundestagsdrucksachen 19/1681 und 19/10850) zahlreiche Fragen nach den Hintergründen auf.
(Deutsche Bundesregierung: ra)

eingetragen: 03.02.21
Newsletterlauf: 14.04.21


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