Kritik am Sächsischen Abgeordnetengesetz
Das sächsische Abgeordnetengesetz bleibt weit hinter den entsprechenden Regelungen auf Bundesebene zurück
Transparency-Stellungnahme zum Entwurf des "Gesetzes zum Schutz der Freiheit der Mandatsausübung und zur Anzeige und Veröffentlichung von Zuwendungen"
(05.03.07) - Transparency Deutschland wurde als Sachverständiger bei der Anhörung des Verfassungs-, Rechts- und Europaauschusses des Sächsischen Landtages am 26.02.2007 in Dresden geladen. Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency Deutschland, nahm zum Entwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen des "Gesetzes zum Schutz der Freiheit der Mandatsausübung und zur Anzeige und Veröffentlichung von Zuwendungen" Stellung.
Gesamteinschätzung
Das bestehende Sächsische Abgeordnetengesetz erfüllt unserer Ansicht nach in keinster Weise die Anforderungen eines Abgeordnetengesetzes, das zurückhaltend aber klar die Nebentätigkeiten von Abgeordneten und Zuwendungen an Abgeordnete regelt. Das sächsische Abgeordnetengesetz bleibt, so wie es im Moment gilt, weit hinter den entsprechenden Regelungen auf Bundesebene zurück, die wiederum auch in der neuen Fassung noch stets bescheiden sind. Der Gesetzentwurf, der hier vorgelegt wurde, erfüllt unserer Ansicht nach an vielen Stellen die Anforderungen eines modernen Abgeordnetengesetzes. Bei einer Berücksichtigung der verschiedenen Kritikpunkte wäre eine Verabschiedung des Entwurfs ein Schritt in die richtige Richtung.
1) Die in Paragraf 2, Abs. 2, S. 1 vorgeschlagene Beschränkung, mögliche Interessenkonflikte nur dann offen zu legen, wenn es sich um "ein besonderes wirtschaftliches Interesse" handelt, bemängeln wir. Mit dieser Formulierung ist der Streit, wann ein wirtschaftliches Interesse "besonders" ist, vorprogrammiert. Die in Paragraf 2, Abs. 4, S. 1 vorgeschlagene Beschränkung der Anzeige und Veröffentlichung von Tätigkeiten und Einkünften neben dem Mandat, "die auf Interessenverknüpfungen hinweisen können", bemängeln wir. Auch hier ist Streit vorprogrammiert.
2) Nach Paragraf 2, Absatz 4 des Entwurfs sind persönliche Spenden an Abgeordnete innerhalb der Wahlbewerbungsphase von sechs Monaten nur anzuzeigen, aber nicht zu veröffentlichen. Hier empfehlen wir eine Veröffentlichungspflicht.
3) Die in Paragraf 2a, Abs. 2 vorgeschlagene Regelung der Veröffentlichung halten wir für nicht weitgehend genug. Zum einen ist unseres Erachtens der Zeitraum zu weit gefasst, zum anderen empfiehlt sich auch die Verpflichtung einer Veröffentlichung im Internet.
Hintergrund
Vor zwei Monaten wurde das "Korruptionsbarometer 2006" von Transparency International vorgestellt. Das Korruptionsbarometer basiert auf einer repräsentativen Meinungsumfrage unter rd. 60.000 Personen in 62 Ländern. In Deutschland haben danach die politischen Parteien wie im Vorjahr am schlechtesten abgeschnitten. Das Parlament bzw. die Abgeordneten stehen auf dem drittletzten Platz bei der Beurteilung, wie stark der Einfluss von Korruption ist. Korruption ist der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Bei einer rein legalistischen Betrachtung würde man das schlechte Abschneiden der Abgeordneten in der Umfrage nicht unbedingt erwarten, denn Ermittlungen bei oder Verurteilung von Abgeordneten auf der Basis von Korruptionstatbeständen sind kaum zu finden.
Das schlechte Abschneiden erklärt sich möglicherweise eher durch die Wahrnehmung in der Bevölkerung, dass Abgeordnete die ihnen anvertraute Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil missbrauchen. Im Gespräch mit Parlamentariern stellt man fest, dass diese für ihr schlechtes Image teilweise die Medien mitverantwortlich machen. Durch die Skandalisierung von wahrgenommenem Fehlverhalten bildet sich in der Bevölkerung der Eindruck korrupten Verhaltens von Abgeordneten. Diese Skandalisierung wird ermöglicht, wenn es wenig Grundlagen oder Regelungen gibt, wo festgehalten ist, was richtig und was falsch ist. Eine gesetzliche Ausweitung der Regelungen der Abgeordnetentätigkeit könnte daher dazu dienen, die Reputation der Abgeordneten zu schützen, nämlich dann, wenn durch das Gesetz klar definiert ist, dass Verhalten bzw. Tatbestand "A" zulässig und Verhalten oder Tatbestand "B" gesetzeswidrig ist.
Offenlegung von Interessenkonflikten
Paragraf 2, Absatz 2 des Gesetzentwurfes stellt erfreulicherweise klar, dass Interessenkonflikte offen zu legen sind, egal ob in der Ausschussberatung oder in der Plenardiskussion. Auch die Offenlegung der Ausschussprotokolle begrüßen wir, sofern sie dazu dient, mögliche Interessenkonflikte von Abgeordneten transparent zu machen. Die Formulierung "an welchem es selbst, ein Familienmitglied im Sinne des §20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 … oder ein anderer, für den es oder ein Familienmitglied entgeltlich tätig ist" in Paragraf 2 Abs. 1, S. 1 sollte systematisch auch in Satz 2 verwendet werden. Vor dem Wort "tätig ist" sollte dann in Satz 1 und Satz 2 "mittelbar oder unmittelbar" eingefügt werden. Dies ist wesentlich, wenn die Verpflichtung effektiv sein soll, da damit auch die Fälle abgedeckt werden, in denen der Abgeordnete Beteiligter an einer Zwischenholding ist, die sonst den wahren Einfluss verschleiern könnte. Die Formulierung "besonderes wirtschaftliches Interesse" ist problematisch; das Wort "besonderes" sollte gestrichen werden.
Verbot "arbeitsloser" Einkommen
Das ausdrückliche Verbot "arbeitsloser" Einkommen in Paragraf 2, Abs. 3 begrüßen wir.
Anzeige und Offenlegung von Nebentätigkeiten und der daraus erzielten Einkünfte
Paragraf 2, Absatz 4 regelt sehr allgemein die Anzeige und Veröffentlichung der Nebentätigkeiten und der daraus erzielten Einkünfte und verlagert die Ausgestaltung auf die Verhaltensregeln. Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Beschränkung auf "die Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat, die auf Interessenverknüpfungen hinweisen können", lehnen wir ab. Hier stellt sich stets die Frage, wer dies nach welchen Kriterien beurteilt. Wir empfehlen grundsätzlich die Einbeziehung aller Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat in die Anzeige- und Veröffentlichungspflicht. Wir sehen durchaus die Bedeutung gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten. Gleichwohl muss unserer Ansicht nach dies nicht durch einen eigenen Satz in Paragraf 2, Absatz 4 ausgeführt werden. Eine Offenlegungspflicht muss natürlich immer in Einklang mit den bestehenden Verschwiegenheitspflichten stehen. Um dem Bürger dennoch zumindest einen Überblick zu geben, in welchem Umfang ein Abgeordneter neben der Abgeordnetentätigkeit noch beruflich tätig ist, könnte hier zumindest die Gesamtsumme der Einnahmen ohne Angabe des Mandanten und ohne spezifischer Leistungsbeschreibung gefordert werden. So würde die Vertraulichkeit des Mandanten- oder Patientenverhältnisses geschützt bleiben.
Finanzielle Zuwendungen im Sinne persönlicher Spenden an Abgeordnete
Nach Paragraf 2, Absatz 3 des Entwurfs sind persönliche Spenden an Abgeordnete während der 6-monatigen Wahlbewerbungsphase nur anzuzeigen, aber nicht zu veröffentlichen. Hier empfehlen wir eine Veröffentlichungspflicht. Weiterhin ist zu überlegen, ob – um jegliche Missverständnisse auszuschließen – Spenden explizit verboten werden, auch wenn sich dies bereits mittelbar aus der Formulierung des Paragraf 2, Absatz 3, ergibt.
Veröffentlichungszeitpunkt
Paragraf 2a, Absatz 2 fordert eine jährliche Veröffentlichung. Wie bereits angesprochen, ist dieser Zeitraum unseres Erachtens zu weit gefasst. Unserer Erfahrung nach kann es nämlich sonst vorkommen, dass ein Sachverhalt von heute, also dem 26. Februar 2007, erst im Herbst 2008 veröffentlicht wird. Andere Länder, z.B. Großbritannien, zeigen, dass dies viel schneller gehen kann und muss. Wir empfehlen daher einen Veröffentlichungszeitraum von einem Quartal und eine Veröffentlichungsfrist von drei Monaten. Dies würde am Beispiel von heute bedeuten, dass dieser Sachverhalt spätestens am 30. Juni dieses Jahres veröffentlicht werden müsste.
Veröffentlichungsform
Paragraf 2a, Absatz 2 regelt eine Veröffentlichung im Rahmen einer Landtagsdrucksache. Unserer Erfahrung nach hat Transparenz viel mit Zugang zu Informationen zu tun. Die Form einer Landtagsdrucksache ist für Bürger nicht immer die einfachste. Die zusätzliche Veröffentlichung in einer gut strukturierten Datenbank auf der Website des Sächsischen Landtages, die ebenfalls in der oben angesprochenen Frist erfolgen müsste, ist zu empfehlen.
Sanktionierungsinstanz
Paragraf 2b sieht als Sanktionierungsinstanz das Landtagspräsidium vor. Es ist nicht leicht für das Landtagspräsidium, hier eine unabhängige und überparteiliche Wahrnehmung seiner Rolle auszuüben. Die zögerliche und halbherzige Verteidigung des Abgeordnetengesetzes durch Bundestagspräsidenten Lammert vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober des vergangen Jahres hat dies nicht zuletzt deutlich gemacht. Wir empfehlen daher die Einrichtung eines Ehrenrates, der im Falle von Anhaltspunkten von Verstößen eingeschaltet wird und Empfehlungen ausspricht. Möglicherweise könnte dieser Ehrenrat auch institutionell mit der Diätenkommission verschmolzen werden, um nicht immer neue Institutionen schaffen zu müssen.
Quelle: http://www.transparency.de/Stellungnahme-zum-Entwurf-des.1011.0.html
(Transparency: ra)
Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>