Finanzmarktvorschriften EU-weit durchsetzen
Verschärfung der Sanktionsregelungen: EU-Kommission will schärfere Sanktionierung von Verstößen gegen EU-Finanzdienstleistungsvorschriften
Michel Barnier: "Wenn ein Finanzinstitut die EU-Finanzdienstleistungsvorschriften nicht einhält, sollten dessen Händler und Führungskräfte wissen, dass sie nicht ungeschoren davonkommen"
(15.12.10) - Die Europäische Kommission hat eine Mitteilung angenommen, in der sie mögliche Wege zur Verschärfung der Sanktionsregelungen im EU-Finanzdienstleistungssektor aufzeigt. Zurzeit sind die Regelungen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich und dürften oftmals keine wirksame Abschreckung gewährleisten.
Gestützt auf eine Bestandsaufnahme der nationalen Sanktionsregelungen für Verstöße gegen die nationalen Vorschriften, die zur Umsetzung der wichtigsten EU-Richtlinien im Finanzdienstleistungsbereich erlassen wurden, werden in der Mitteilungen Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt und mögliche EU-Maßnahmen zur Erhöhung der Konvergenz und Wirksamkeit dieser Regelungen vorgeschlagen. Interessierte Kreise können bis zum 19. Februar 2011 zu dieser Mitteilung Stellung nehmen.
Dazu Binnenmarkt- und Dienstleistungskommissar Michel Barnier sagte: "Wenn ein Finanzinstitut die EU-Finanzdienstleistungsvorschriften nicht einhält, sollten dessen Händler und Führungskräfte wissen, dass sie nicht ungeschoren davonkommen und mit einer harten Strafe rechnen müssen, unabhängig davon, in welchem Teil Europas der Verstoß begangen wurde. Dies ist heute allzu oft nicht der Fall." In der vorgelegten Mitteilung werde dargelegt, wie künftig sichergestellt werden könne, dass die Behörden EU-weit über stärkere und konvergentere Sanktionsbefugnisse verfügten.
Die Mitteilung beruht auf einer sektorübergreifenden Bestandsaufnahme, bei der die drei Ausschüsse der Aufsichtsbehörden (Ausschuss der Europäischen Bankaufsichtsbehörden - CEBS, Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung - CEIOPS und Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden - CESR) die Sanktionsbefugnisse in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Kohärenz, Äquivalenz und tatsächliche Nutzung untersucht haben.
Diese Bestandsaufnahme erstreckte sich auf einige der wichtigsten Richtlinien im Wertpapier-, Banken- und Versicherungssektor.
Die wichtigsten Punkte der Mitteilung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Die Sanktionsregelungen sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich
Die Finanzkrise hat gezeigt, dass die Finanzmarktvorschriften EU-weit nicht immer eingehalten und ordnungsgemäß angewandt werden. Die ordnungsgemäße Anwendung der EU-Vorschriften sicherzustellen, ist in allererster Linie Aufgabe der nationalen Behörden, die Finanzinstitute von einem Verstoß gegen EU-Vorschriften abhalten und Verstöße in ihrem Rechtsraum sanktionieren müssen. Doch müssen die nationalen Behörden ihre Maßnahmen koordinieren und aufeinander abstimmen.
In der Mitteilung wird festgestellt, dass sich die Sanktionen der Mitgliedstaaten in wesentlichen Aspekten, wie der Art der möglichen Sanktionen und der Höhe der Bußgelder, unterscheiden. Dies stellt insofern ein Problem dar, als die Richtlinien europaweit gelten und die bei Nichteinhaltung dieser Richtlinien verhängten Sanktionen deshalb auch europaweit kohärent sein sollten.
Es könnte die Gefahr bestehen, dass Unternehmen oder natürliche Personen ihre Geschäfte in Ländern tätigen, wo die Sanktionen am schwächsten oder eine Sanktionierung am unwahrscheinlichsten ist. Im Hinblick auf Wirksamkeit, Verhältnismäßigkeit und Abschreckung scheint das derzeitige System nicht immer optimal zu sein.
2. Vorschläge für konvergentere, strengere Sanktionsregelungen
Die in der Mitteilung genannten Unterschiede können Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt bewirken. Doch können sie definitiv auch den Verbraucherschutz, die Marktintegrität und das Vertrauen in den Finanzsektor untergraben. Die mangelnde Durchsetzung von EU-Vorschriften in einem Mitgliedstaat kann sich erheblich auf die Stabilität und Funktionsweise des Finanzsystems in einem anderen Mitgliedstaat auswirken.
Um der Gefahr unzureichend funktionierender Finanzmärkte vorzubeugen, sind deshalb nach Auffassung der Kommission konvergentere Sanktionsregelungen erforderlich. Diese könnten dadurch erreicht werden, dass für bestimmte Bereiche, die für wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionsregelungen von zentraler Bedeutung sind, gemeinsame Mindeststandards festgelegt werden.
Festgelegt werden könnten u. a. die Art der möglichen Sanktionen sowie die Möglichkeit, neben zivilrechtlichen auch strafrechtliche Sanktionen ins Auge zu fassen, die Schwere dieser Sanktionen, die Möglichkeit, Sanktionen sowohl gegen Finanzinstitute als auch gegen natürliche Personen zu verhängen, und die Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung von Sanktionen.
Weitere Schritte
Die Kommission bittet alle Beteiligten um Stellungnahme zu den in der Mitteilung enthaltenen Vorschlägen. Die Beiträge sollten bis zum 19. Februar 2011 gerichtet werden an: markt-sanctions-consultation(at)ec.europa.eu. Ausgehend von den eingehenden Stellungnahmen wird die Kommission 2011 über etwaige Vorschläge zur Stärkung der Sanktionsregelungen entscheiden.
Hintergrundinformation
Die Stärkung der Sanktionsregelungen ist einer der Punkte des Finanzmarktreformprogramms. Er ergänzt andere Bereiche, in denen bereits Maßnahmen eingeleitet wurden, oder die eher auf Prävention abzielen, wie eine wirksame Aufsicht und die Corporate Governance.
Im de Larosière-Bericht wurde hervorgehoben, dass die Aufsicht ihre Aufgabe "mit schwachen, von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat höchst unterschiedlichen Sanktionen […] nicht erfüllen [kann]. Inner- wie außerhalb der EU müssen sämtliche Aufsichtsbehörden auf jeden Fall über ausreichend konvergente, strenge und abschreckende Sanktionsmöglichkeiten verfügen."
Die neuen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden, die am 1. Januar 2011 eingesetzt und für eine bessere Koordinierung der Durchsetzungsmaßnahmen zwischen den nationalen Behörden sorgen werden, müssen von wirkungsvollen und ausreichend konvergenten Sanktionsregelungen flankiert werden.
Auch auf globaler Ebene herrscht Einigkeit darüber, dass die Wirksamkeit von Sanktionen erhöht werden muss. Beim G20-Gipfel in Washington am 15. November 2008 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Aktionsplan zur Reformierung der Finanzmärkte, der auch Maßnahmen zum Schutz der Märkte und Anleger vor unerlaubten Handlungen einschließt und angemessene Sanktionsregelungen gewährleisten soll. Verstärkte Rechtsdurchsetzung und umfassendere Rechtsmittel gehören auch zu den Zielen der jüngsten Finanzmarktreform in den USA. (EU-Kommission: ra)
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