Evaluierung der Finanzmarktregulierungen


Finanzmarkt-Compliance: Es fehlt nach Ansicht der FDP-Fraktion bislang an einer gesamtwirtschaftlichen Bewertung sämtlicher geltenden und geplanten Regulierungsmaßnahmen auf globaler, europäischer und nationaler Ebene
Ein an das Forschungszentrum SAFE vergebene Gutachten konzentriert sich vorrangig auf die vier Bereiche Eigenkapitalregulierung, Liquiditätsregulierung, Regulierung bezüglich Marktdisziplin und "Bail-in" im Bankensektor sowie auf die Regulierung von OTC Derivaten und untersucht jeweils die entsprechenden Regulierungsvorschriften



Ein wissenschaftliches Forschungszentrum an der Universität Frankfurt am Main prüft die Wirkung der nach der Finanzkrise beschlossenen europäischen Maßnahmen auf den deutschen Finanzsektor. Dabei gehe es auch um unerwünschte Nebenwirkungen und regulatorische Lücken, heißt es in der Antwort der Deutsche Bundesregierung (19/6360) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/5942). Das Gutachten werde voraussichtlich Anfang 2019 veröffentlicht.

Vorbemerkung der Fragesteller
Mit der Insolvenz von Lehman Brothers war der Höhepunkt der Finanzkrise vor zehn Jahren erreicht. Aus Sicht der Fragesteller wurden seitdem viele gute Regulierungsschritte unternommen. Risiken, die damals bestanden haben, bestehen heute nicht mehr oder wurden durch eingezogene Brandschutzmauern gesenkt. An anderer Stelle können neue Risiken entstanden sein.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist dargelegt, dass die Regierung sich "für eine zielgenaue, wirksame und angemessene Finanzmarktregulierung" einsetzen und "die (Wechsel-)Wirkungen der nach der Finanzmarktkrise beschlossenen Regulierungsmaßnahmen untersuchen" (Zeile 3165 ff.) möchte. Eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages "Regulierungsvorschriften für Kreditinstitute in den Jahren 2005, 2007, 2010, 2013, 2016" (WD 4 – 3000 – 030/17) listet alleine für die Jahre 2010, 2013 und 2016 annähernd 2 000 Regulierungsmaßnahmen auf.

Weiter heißt es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zur Finanzmarktregulierung: "Dabei wollen wir prüfen, ob ihre Ziele erreicht wurden und ob die Regulierung und die Aufsicht nach dem Grundsatz der doppelten Proportionalität ausgerichtet sind. Dort, wo es notwendig ist, werden wir auf eine Nachjustierung auch auf europäischer und internationaler Ebene hinwirken. Wir wollen dabei insbesondere kleine Institute entlasten, soweit von ihnen geringe Risiken für die Finanzstabilität ausgehen."

Das Ziel, die verabschiedeten Finanzmarktregulierungen, gerade auch im Hinblick auf Wechselwirkungen, zu überprüfen, ist ambitioniert, aber aus Sicht der Fragesteller zu begrüßen und erforderlich. Die Evaluierung kann Bedeutung auch für die künftige Ausrichtung der Regulierungspolitik im Finanzmarktbereich entfalten, die nach Ansicht der Fragesteller bislang zu stark durch die Betrachtung einzelner Problemlagen geprägt war und dem Zusammenwirken der verschiedenen Regulierungsschritte zu wenig Beachtung geschenkt haben könnte. Während jede Einzelmaßnahme der zurückliegenden Reformen für sich begründbar gewesen sein mag, ist doch zu vermuten, dass ungewollte Probleme aus der gesamten Fülle der Rechtsänderungen entstanden und aus der Tatsache, dass der Einführungsgeschwindigkeit und -reihenfolge der Reformmaßnahmen eine Gesamtbetrachtung nicht gerecht werden konnte.

Eine Bestandsaufnahme der Regulierung im Finanzdienstleistungsbereich kann nur dann sinnvoll angegangen werden, wenn Klarheit darüber besteht, was Ziel und Zweck von Regulierungsmaßnahmen sein soll. Finanzmärkte haben umfassende Aufgaben. Sie müssen die Wirtschaft finanzieren und den Menschen die Möglichkeit geben, Eigentum aufzubauen. Dabei können Zielkonflikte auftreten. Deshalb muss die Politik sehr genau beobachten, ob und welche Risiken entstehen. Die Politik muss sich stetig aufs Neue hinterfragen, ob die Regulierung dem Ziel gerecht wird, ein stabiles, aber auch funktionsfähiges Finanzsystem zu schaffen. In den Jahren nach der Staatsschulden- und Finanzmarktkrise standen zunächst die Marktstabilität und der Verbraucherschutz im Mittelpunkt der Reformen. Es stellt sich die Frage, ob dabei andere Aspekte ins Hintertreffen geraten sind, etwa die Effizienz, die Innovationsfähigkeit oder die Dynamik des Bankenmarktes durch die herrschende Wettbewerbsintensität.

Durch die Implementierung der neuen regulatorischen Anforderungen hat sich der betriebliche Aufwand deutscher Banken in den letzten Jahren tendenziell erhöht. Es ist zugleich anzunehmen, dass die Lasten dabei nicht gleich verteilt waren. Damit würde die Regulierungspolitik unmittelbar in den Wettbewerb am Bankenmarkt eingreifen. Sie betriebe damit ungewollt Strukturpolitik. Nur ein funktionierender Wettbewerb zwischen den drei Säulen der deutschen Bankenlandschaft sowie den Instituten selbst setzt die notwendigen Anreize, damit der Bankensektor die von ihm erwarteten Leistungen tatsächlich erbringt. Neben den entstandenen Kosten für Finanzinstitute müssen bei einer Evaluierung der umgesetzten Finanzmarktregulierungen auch die Folgen für die Realwirtschaft und die Verbraucher betrachtet werden. Die Finanzmarktregeln sollten daher mit Blick auf ihre Rückwirkung auf die Volkswirtschaft insgesamt evaluiert werden.
(Deutsche Bundesregierung: ra)

eingetragen: 23.01.19
Newsletterlauf: 11.03.19



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    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

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