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35 Prozent Anzahlung sind zu viel


Gerichte verbieten überhöhte Anzahlungen und Stornokosten bei Pauschalreisen
Reiseveranstalter dürfen sich ihre normalen Geschäftsrisiken nicht von den Kunden bezahlen lassen


(20.11.13) - Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat sich in zwei Gerichtsverfahren gegen überhöhte Anzahlungen und Stornogebühren bei Pauschalreisen durchgesetzt. Das Oberlandesgericht Rostock verbot einem Kreuzfahrtveranstalter, pauschal 50 Prozent des Reisepreises von Kunden zu kassieren, die bis zum 60. Tag vor Beginn der gebuchten Reise zurücktreten. Das Kammergericht Berlin untersagte einem Reise-Unternehmen, direkt nach Erhalt der Rechnung 35 Prozent Anzahlung auf den Reisepreis zu verlangen.

Pauschale war viel höher als der Schaden
In einem speziellen Tarif sollten Kunden bei einer Absage bis zu 60 Tage vor Reisebeginn die Hälfte des Reisepreises als Entschädigung zahlen. Die Richter schlossen sich der Überzeugung des vzbv an, dass diese Pauschale den zu erwartenden Schaden des Reiseveranstalters bei weitem übersteigt. Aus dessen Zahlen ging zudem hervor, dass frühzeitig stornierte Reisen größtenteils wiederverkauft werden – teilweise sogar zu einem höheren Preis. Solche Ersatzeinnahmen müssen Reiseveranstalter bei der Festlegung der Stornopauschalen ebenso berücksichtigen wie zum Beispiel ersparte Ausgaben für Hotels und Verpflegung.

Ein weiters Reiseunternehmen hatte von ihren Kunden bereits nach Rechnungserhalt eine Anzahlung von 35 Prozent des Reisepreises verlangt. Dagegen hatte der vzbv geklagt. Durch die hohe Vorauszahlung werde der Kunde unangemessen benachteiligt, entschied das Kammergericht Berlin. Der Kunde habe ein berechtigtes Interesse daran, den Preis möglichst spät zu zahlen, um sicherzustellen, dass die Leistungen durch den Reiseveranstalter auch wirklich erbracht werden. Eine Anzahlung von einem Drittel des Reisepreises sei das Äußerste, was einem Reisenden im Kleingedruckten zugemutet werden könne.
Keine Einzelfälle

Der vzbv prüft seit vergangenem Jahr die Klauseln von Reiseveranstaltern hinsichtlich überhöhter Stornopauschalen und Anzahlungen und hat in diesem Zusammenhang Urteile zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher erstritten. Im ersten Halbjahr 2012 hatte der vzbv neun Reiseveranstalter wegen unzulässiger Klauseln in den Reisebedingungen abgemahnt. Vier Unternehmen gaben die geforderten Unterlassungserklärungen ab. Gegen fünf Unternehmen zog der vzbv vor Gericht.

Bereits rechtskräftig ist eine Entscheidung des Berliner Landgerichts gegen einen anderen Reiseveranstalter. Das Gericht untersagte dem Veranstalter, eine Rücktrittspauschale von 40 Prozent des Reisepreises zu verlangen, falls ein Kunde bis zu 30 Tage vor Reisebeginn absagt.

Die Möglichkeit, Reisen vor Antritt zu stornieren, ist eines der Themen, die von der Europäischen Kommission bei der Überarbeitung der Pauschalreiserichtlinie aufgegriffen wurden. Der Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie wird zurzeit in Brüssel verhandelt. Der vzbv kritisiert in seiner Stellungnahme, dass aufgrund der geplanten Vollharmonisierung deutsche Verbraucher an einigen Stellen dann schlechter gestellt sein werden als mit den in Deutschland jetzt geltenden Regeln.

Urteil des OLG Rostock vom 04.09.2013, Az. 2 U 7/13 - nicht rechtskräftig
Urteil des KG Berlin vom 19.08.2013, Az. 23 U 14/13 - nicht rechtskräftig
Urteil des LG Berlin vom 23.11.2012, Az. 15 O 235/12 - nicht rechtskräftig
(Verbraucherzentrale Bundesverband: ra)

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