Weniger Bürokratie für den Bürger
Europäische Kommission will problemlosere Anerkennung von öffentlichen Dokumenten wie Geburts- oder Besitzurkunden im Ausland
Der Europäische Binnenmarkt beschränkt sich nicht auf die Beseitigung der Hindernisse für den Waren- und den Dienstleistungsverkehr – er soll auch dem Bürger das Leben erleichtern, vor allem wenn er innerhalb der EU umzieht
(21.12.10) - Europäer, die außerhalb ihres Heimatlandes leben, sehen sich oftmals bürokratischen Hürden gegenüber: Sie müssen warten, bis eine gerichtliche Entscheidung oder eine Besitzurkunde mit dem amtlichen Stempel versehen ist, sie müssen für die Übersetzung einer Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunde zahlen oder kämpfen mit den Behörden, weil sie einen Familiennamen anerkennen lassen wollen.
Da die Mobilität der Europäer gestiegen ist – ca. 12 Millionen EU-Bürger leben heute in einem anderen Mitgliedstaat –, häufen sich die Beschwerden über Schwierigkeiten bei der offiziellen Anerkennung öffentlicher Dokumente.
In einigen Mitgliedstaaten müssen die Bürger eine Gebühr entrichten, um Dokumente, die ihnen in einem Mitgliedstaat bereits von amtlicher Seite ausgestellt wurden, als echt anerkennen zu lassen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass in manchen Mitgliedstaaten Verwaltungspapiere verlangt werden können, die es im Heimatland des Bürgers unter Umständen gar nicht gibt. All diese Hemmnisse behindern die Ausübung des in den EU-Verträgen verankerten Rechts auf Freizügigkeit im Alltag.
Die Europäische Kommission, die sich verpflichtet hat, diese Hemmnisse zu beseitigen, hat heute ein Grundsatzpapier veröffentlicht, das mehrere Optionen zur Erleichterung des freien Verkehrs von Dokumenten enthält, die für die Bürger relevant sind.
Die Öffentlichkeit hat nun Gelegenheit, sich dazu zu äußern, wie die derzeitige Situation dahingehend verbessert werden könnte, dass diese Dokumente – unabhängig davon, wo sich die Bürger in der EU aufhalten oder wohin sie in der EU ziehen – in jedem Fall anerkannt werden. Die Reaktionen müssen bis 30. April eingehen. Sie werden von der Kommission bei der Unterbreitung von Legislativvorschlägen im Jahr 2013 berücksichtigt.
"Der Europäische Binnenmarkt beschränkt sich nicht auf die Beseitigung der Hindernisse für den Waren- und den Dienstleistungsverkehr – er soll auch dem Bürger das Leben erleichtern, vor allem wenn er innerhalb der EU umzieht", so Viviane Reding, die für Justiz zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission. "Die "Bürger-Dimension" des Binnenmarktes ist allerdings nicht vollständig entwickelt und die Bürger wollen, dass sich das ändert: Drei Viertel der Europäer haben kundgetan, dass die EU den Verkehr öffentlicher Dokumente zwischen EU-Ländern erleichtern muss. Unzeitgemäße Formalitäten frustrieren die Bürger und kosten sie Zeit und Geld. Daher bin ich fest entschlossen, für den Aufbau eines einheitlichen EU-Rechtsraums zu sorgen, in dem öffentliche Dokumente ohne Einschränkung anerkannt werden."
Der reibungslose Verkehr öffentlicher Dokumente (Diplome, Staatsangehörigkeitsnachweise, Besitzurkunden usw.) und die Anerkennung von Personenstandsurkunden, in denen die wichtigsten "Lebensereignisse" (wie Geburt, Adoption, Heirat oder Tod) erfasst sind, sowie die Anerkennung von Familiennamen sind von größter Bedeutung für Bürger, die in ein anderes EU-Land ziehen. Die Register und Verwaltungssysteme der Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich organisiert, was aufwändige und teure Formalitäten (Übersetzung, zusätzlicher Nachweis der Echtheit von Dokumenten) zur Folge hat. Diese Probleme erschweren dem Bürger die uneingeschränkte Inanspruchnahme seiner Rechte innerhalb der EU.
Nach einer Eurobarometer-Umfrage vom Oktober 2010 meinen 73 Prozent der Europäer, dass Maßnahmen getroffen werden sollten, um den Verkehr öffentlicher Dokumente zwischen EU-Ländern zu erleichtern.
In dem heute angenommenen Grundsatzpapier stellt die Kommission Fragen zur Verbesserung des freien Verkehrs öffentlicher Dokumente. Außerdem schlägt sie Optionen zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Anerkennung von Personenstandsurkunden vor. Eine Option könnte darin bestehen, für die gebräuchlichsten Personenstandsurkunden EU-weit gültige Formblätter einzuführen, damit die Bürger nicht mehr für die Anerkennung und Übersetzung solcher Urkunden zahlen müssen. Eine weitere Option wäre die automatische Anerkennung von Personenstandsurkunden. Dafür wäre keine Harmonisierung der geltenden Vorschriften notwendig und die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten müssten nicht geändert werden.
Die Kommission plant, unter Berücksichtigung der Ergebnisse der öffentlichen Konsultation 2013 zwei separate Legislativvorschläge zu unterbreiten: erstens einen Vorschlag über den freien Verkehr öffentlicher Dokumente und zweitens einen Vorschlag über die Anerkennung von Personenstandsurkunden.
Hintergrund
Diese Maßnahmen sind Teil der Pläne der Kommission zur Beseitigung der bürokratischen Hindernisse, die dem Bürger das Leben erschweren und für Unternehmen Zusatzkosten und Rechtsunsicherheit mit sich bringen
Wie Kommissionspräsident José Manuel Barroso im September 2009 in seinen politischen Leitlinien erklärte, will die EU "ein Europa, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt". Diese Vision findet sich im Vertrag von Lissabon wieder, der die Unionsbürger ins Zentrum der EU-Politik rückt. Daher ergreift die Kommission konkrete Maßnahmen, um den nahezu 12 Millionen EU-Bürgern, die außerhalb ihres Heimatlandes leben, die Wahrnehmung ihrer Rechte als Unionsbürger zu erleichtern, wenn sie heiraten, ein Haus kaufen oder ein Auto in einem anderen EU-Land zulassen wollen.
In dem am 27. Oktober angenommenen Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010 erläutert die Kommission 25 Maßnahmen, die in den kommenden Jahren getroffen werden sollen. Diese Maßnahmen werden in zehn Infoblättern beschrieben.
Außerdem schlug die Kommission heute vor, das sogenannte Exequaturverfahren, ein teures, schwerfälliges und zeitaufwändiges Gerichtsverfahren, abzuschaffen, was für die EU-Unternehmen zu Kostenersparnissen von bis zu 48 Millionen Euro jährlich und zu einer Belebung der EU-Wirtschaft führen dürfte.
Weitere Informationen
Das Grünbuch der Kommission über den freien Verkehr von Dokumenten ist über den Newsroom der Generaldirektion Justiz ist hier abrufbar (externer Link)
Spezial-Euroobarometer-Umfrage im Bereich des Zivilrechts (externer Link)
(Europäische Kommission: ra)
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