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Kartellrecht und restriktive Handelspraktiken


Europäische Kommission verhängt Geldbuße gegen französische Apothekerkammer wegen Wettbewerbsverzerrung auf dem französischen Markt der medizinischen Analysen
Infolge der vorliegenden Verletzungen hat die Kommission eine Geldbuße von 5 Millionen Euro gegen die ONP und ihre Führungsgremien verhängt


(16.12.10) - Die Europäische Kommission hat die französische Apothekerkammer (Ordre national des pharmaciens, ONP) und ihre Führungsgremien mit einer Geldbuße von 5 Millionen Euro belegt, da diese unter Verletzung der EU-Vorschriften betreffend Kartellrecht und restriktive Handelspraktiken (Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU) auf dem französischen Markt für biomedizinische Analysen Mindestpreise durchgesetzt und die Entwicklung von Laborgruppen auf diesem Markt verhindert hat. Die ONP ist ein Berufsverband, der die Einhaltung der beruflichen Pflichten der Apotheker Frankreichs überwacht.

Das gerügte Verhalten hat die Patienten und den Staat geschädigt, die für medizinische Analysen weniger bezahlt hätten, wenn Wettbewerb geherrscht hätte und dieser sich hätte entfalten können. Da das fragliche Verhalten bislang nicht vollständig eingestellt worden zu sein scheint, weist die Kommission die ONP an, es sofort aufzugeben.

"Eine Vereinigung, die private Interessen vertritt und schützt, darf sich nicht staatliche Befugnisse anmaßen und eigene Vorschriften zur Einschränkung des Wettbewerbs über die Preise dort erlassen, wo der Staat ihn aufrechterhalten wollte, und so die Unternehmensentwicklung auf dem Markt über das gesetzliche Maß hinaus behindern", erklärte Joaquín Almúnia, Vizepräsident der Kommission für Wettbewerbspolitik. Er fügte hinzu: "Als Unternehmensvereinigungen sind die ONP und ihre Mitglieder wie alle Akteure des Wirtschaftslebens gehalten, das europäische Recht zu achten."

Nach eingehender Prüfung ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass das Verhalten der ONP, das in zweierlei Beschlüssen zum Ausdruck gekommen ist, den Wettbewerb auf dem französischen Markt für biomedizinische Analysen einzuschränken geeignet ist.

Seit Oktober 2003 waren die Beschlüsse der ONP systematisch auf Unternehmen ausgerichtet, die Laborgruppen angehörten, um deren Entwicklung auf dem französischen Markt zu behindern und Zukäufe sowie Änderungen am Statut oder Kapital dieser Unternehmen zu bremsen oder zu behindern. Diese Praktiken scheinen bislang nicht eingestellt worden zu sein.

Ferner fasste die ONP zwischen September 2004 und September 2007 Beschlüsse zur Durchsetzung von Mindestpreisen insbesondere zum Nachteil öffentlicher Krankenhäuser und öffentlicher Krankenversicherungen, indem sie versuchte, Nachlässe von mehr als 10 Prozent auf die öffentlichen Preise der Privatunternehmen im Rahmen von Verträgen zu verbieten. Es wurde festgestellt, dass die Preise für die am häufigsten vorkommenden biomedizinischen Analysen in Frankreich bis zu zwei- bis dreimal höher lagen als in anderen Mitgliedstaaten.

Infolge der vorliegenden Verletzungen hat die Kommission eine Geldbuße von 5 Millionen Euro gegen die ONP und ihre Führungsgremien verhängt.

Diese Sache betrifft ausschließlich das Verhalten der ONP. Sie betrifft nicht die Art und Weise, in der der französische Markt für biomedizinische Analysen von den gesetzlichen Bestimmungen gestaltet wird.

Der europäische Markt für Dienstleistungen im Bereich biomedizinische Analysen wird auf 25 Mrd. Euro geschätzt; 4,4 Mrd. davon entfallen auf den französischen Markt.

Zusammenhang
Ausgangspunkt der Untersuchung war eine Beschwerde, die die LABCO-Gruppe im Oktober 2007 bei der Europäischen Kommission eingereicht hatte; die ONP wurde im April 2008 aufgefordert, Bemerkungen dazu vorzulegen. Die Kommission führte im November 2008 eine Nachprüfung in den Räumlichkeiten der ONP durch (siehe MEMO/08/706). Die Mitteilung der Beschwerdepunkte wurde der ONP im Oktober 2009 übermittelt. Diese konnte ihre Argumente schriftlich sowie in der Anhörung vorbringen, die im Februar 2010 stattfand.

Die ONP ist ein Berufsverband, dem Frankreich die Zuständigkeit dafür übertragen hat, die Einhaltung der beruflichen Pflichten der Apotheker zu überwachen. Dazu stattet das französische Gesetz die ONP mit Befugnissen zur Überwachung der Apotheker aus; insbesondere darf sie eine Liste aller zugelassenen Apotheker führen. Obwohl die entsprechenden Beschlüsse ausschließlich den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder betreffen, die auf dem Markt der biomedizinischen Analysen tätig sind, und diese Beschlüsse nichts mit den vom Staat Frankreich übertragenen Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens zu tun haben, hat die ONP ihre disziplinarischen Befugnisse systematisch genutzt oder gedroht, diese einzusetzen, wenn ihren Weisungen nicht Folge geleistet würde.

In Anbetracht insbesondere der Tatsache, dass ONP-Mitglieder eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, und der Entscheidungsfreiheit der ONP und ihrer Führungsgremien gerade im Zusammenhang mit den fraglichen Beschlüssen ist die ONP als Unternehmensvereinigung im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts zu betrachten.

Bei der Bemessung der Geldbußen hat die Kommission den Besonderheiten der vorliegenden Sache Rechnung getragen, zumal sie erstmals eine Geldbuße gegen eine Unternehmensvereinigung verhängt und dabei auf die in der Verordnung 1/ 2003 genannte Möglichkeit der finanziellen Haftung von Unternehmen und deren leitenden Gremien verweist.

Schadensersatzklagen
Personen oder Unternehmen, die von dem hier beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadenersatz klagen. Laut Rechtsprechung des Gerichtshofs und nach der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates sind Kommissionsentscheidungen ein stichhaltiger Beweis für das Vorliegen und die Rechtswidrigkeit des Verhaltens. Auch wenn die Kommission gegen die betroffene Unternehmensvereinigung und deren Führungsgremien eine Geldbuße verhängt hat, kann Schadensersatz gewährt werden, auf den die Geldbuße der Kommission nicht mindernd angerechnet wird.

Die Kommission ist der Auffassung, dass begründete Schadensersatzansprüche darauf ausgerichtet sein sollten, Opfer einer Zuwiderhandlung für den entstandenen Schaden in angemessener Weise zu entschädigen. (Europäische Kommission: ra)

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