Compliance im Softwarelizenz-Bereich
Kein Unterschied zwischen Download und CD/DVD: Überraschendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs über die Zulässigkeit des Handels mit "gebrauchten" Softwarelizenzen beschert Oracle eine Niederlage vor dem EuGH
Handel mit gebrauchter Software ist erlaubt - Softwarehersteller können sich nicht gegen einen Weiterverkauf ihrer gebrauchten Lizenzen sperren
(09.07.12) - Der EuGH erlaubt den Weiterverkauf gebrauchter Softwarelizenzen, auch wenn diese aus dem Internet heruntergeladen wurden. Damit wird der Download rechtlich so behandelt wie der Software(ver)kauf über eine CD/DVD. Der Weiterverkauf und die Nutzung einer Gebraucht-Kopie stellt keine "Vervielfältigung" dar, wenn das Original beim Erstbesitzer von dessen Rechnern deinstalliert (sprich gelöscht) wurde. Mehr noch: Der neue Eigentümer der "Gebrauchtlizenz" besitzt die gleichen Rechte wie der Erstbesitzer: D.h. er muss auch in den Genuss von Udates, Pachtes etc. kommen können. Nicht erlaubt bleibt laut EuGH die Aufspaltung von (Volumen-)Lizenzen, um Teile davon weiterzuverkaufen.
Damit brachte die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache "Oracle gegen usedSoft", bei der es um ein Musterverfahren zum Urheberrecht bei digitalen Gütern und zur Vervielfältigung gebrauchter Software ging, eine große Überraschung. Wider Erwarten folgten die Richter nicht den Anträgen des Generalanwalts, wonach die Verbreitung gebrauchter Software zwar unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, deren Vervielfältigung aber verboten bliebe.
Die Anwälte der Kanzlei FPS Rechtsanwälte & Notare interpretierten in einer Presseerklärung im Vorfeld der Entscheidung:
"Aus dem Gutachten des Generalanwalts geht hervor, dass gebrauchte Software weiter verbreitet werden darf, wenn der ursprüngliche Lizenznehmer die Software mit Zustimmung des Herstellers auf einem Datenträger kopiert hat. Allerdings bleibt es unzulässig, genau diese Software-Kopie noch einmal zu vervielfältigen, da sich nach Ansicht des Generalanwalts das Vervielfältigungsrecht nicht erschöpft. Damit bleibt auch das Erstellen zusätzlicher Software-Kopien mit dem Zweck, diese weiterzuverkaufen, verboten. Das Weiterverbreitungsrecht bezieht sich nur auf die eine ursprüngliche, vom Erstkäufer erstellte Kopie.
Da aber auch für die Nutzung von Software immer eine Vervielfältigung notwendig ist – schon das Laden in den Arbeitsspeicher sowie das Installieren der Software auf der Festplatte stellen Vervielfältigungen im Sinne des Urheberrechts dar –, kann der Käufer der gebrauchten Software mit dem Datenträger nichts anfangen. Eine Nutzung der kopierten Software durch den zweiten Erwerber ist damit auf legalem Wege nicht möglich."
Dr. Hauke Hansen von FPS Rechtsanwälte & Notare sagte: "Mit den Empfehlungen des Generalanwalts wackelt das Geschäftsmodell für gebrauchte Software. Händler wie usedSoft können in der bisherigen Form keine Nutzungsrechte mehr übertragen", erklärt Dr. Hauke Hansen von FPS Rechtsanwälte & Notare. "Auch andere digitale Güter sind gleichermaßen von den Neuregelungen betroffen. So werden beispielsweise auch eBooks bei der Nutzung grundsätzlich vervielfältigt. Von einem blühenden Zweitmarkt für derartige Werke ist daher nicht auszugehen."
Mit dem Urteil vom 3. Juli 2012 gaben die Luxemburger Richter jedoch deutlich zu verstehen, dass Sie der Argumentation des Generalanwalts nicht folgen können. Der EuGH zeigte einmal mehr, wie sehr doch die römische Juristenweisheit gilt: "Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand."
Enttäuscht kritisierten die TCI Rechtsanwälte das EuGH-Urteil:
Überraschendes Urteil missachtet Wert von Innovation und geistigem Eigentum – Risiken für Unternehmen beim Einsatz "gebrauchter" Softwarelizenzen bleiben bestehen
Statement kommentiert Dr. Truiken Heydn von TCI Rechtsanwälte, Vertreterin von Oracle vor dem EuGH, die Entscheidung:
"Wir meinen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die bedeutsame Chance verpasst hat, eine klare Botschaft über den Wert von Innovation und geistigem Eigentum an die europäische Wirtschaft und europäische Unternehmen auszusenden, wobei er die überzeugenden Hinweise der Europäischen Kommission, mehrerer Mitgliedstaaten und des Generalanwalts missachtet hat, die in dem Verfahren alle Oracle unterstützt haben. Das Urteil ist daher durchaus überraschend.
Unserer Ansicht nach ist dies nicht das Ende der Rechtsentwicklung. Wir vertrauen darauf, dass die EU-Mitgliedstaaten ebenso wie die Europäische Kommission alles in ihrer Macht stehende tun werden, um die Innovationen und Investitionen der europäischen Technologiebranche zu schützen und Geschäftsmodelle, die beides gefährden, zu unterbinden. Ebenso muss verhindert werden, dass Anwendern unnötige Risiken durch Software entstehen, die sie über einen Zweitvertriebsweg erwerben, ohne sicher zu wissen, ob die Lizenzen durch den Erstanwender rechtlich einwandfrei erworben wurden."
Im Folgenden veröffentlichen wir die EuGH-Presseerklärung
"Gerichtshof der Europäischen Union - Urteil in der Rechtssache C-128/11, UsedSoft GmbH / Oracle International Corp.":
Ein Softwarehersteller kann sich dem Weiterverkauf seiner "gebrauchten" Lizenzen, die die Nutzung seiner aus dem Internet heruntergeladenen Programme ermöglichen, nicht widersetzen
Das ausschließliche Recht zur Verbreitung einer derart lizenzierten Programmkopie erschöpft sich mit dem Erstverkauf
Oracle entwickelt und vertreibt, insbesondere per Download über das Internet, sogenannte "Client-Server-Software". Der Kunde lädt unmittelbar von der Internetseite von Oracle eine Programmkopie auf seinen Computer. Das durch einen Lizenzvertrag gewährte Nutzungsrecht an einem solchen Programm umfasst die Befugnis, die Kopie dieses Programms dauerhaft auf einem Server zu speichern und bis zu 25 Nutzern dadurch Zugriff zu gewähren, dass die Kopie in den Arbeitsspeicher ihrer Arbeitsplatzrechner geladen wird. In den Lizenzverträgen ist vorgesehen, dass der Kunde ausschließlich für seine internen Geschäftszwecke ein unbefristetes und nicht abtretbares Nutzungsrecht erwirbt. Im Rahmen eines Software-Pflegevertrags können auch aktualisierte Versionen der Software ("updates") und Programme zur Fehlerbehebung ("patches") von der Internetseite von Oracle heruntergeladen werden.
UsedSoft ist ein deutsches Unternehmen, das mit Lizenzen handelt, die es Oracle-Kunden abgekauft hat. Die UsedSoft-Kunden, die noch nicht im Besitz der Software sind, laden nach dem Erwerb einer "gebrauchten" Lizenz unmittelbar von der Internetseite von Oracle eine Programmkopie herunter. Kunden, die bereits über das Programm verfügen, können eine Lizenz oder einen Teil der Lizenz für zusätzliche Nutzer hinzuerwerben. In diesem Fall laden die Kunden die Software in die Arbeitsplatzrechner dieser weiteren Nutzer.
Oracle hat UsedSoft vor den deutschen Gerichten verklagt, um Letzterer diese Praxis untersagen zu lassen. Der Bundesgerichtshof, der letztinstanzlich über diesen Rechtsstreit zu entscheiden hatte, hat den Gerichtshof ersucht, die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (1) in diesem Kontext auszulegen.
Nach dieser Richtlinie erschöpft sich das Recht zur Verbreitung einer Programmkopie in der Union mit dem Erstverkauf dieser Kopie durch den Urheberrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung. So verliert der Rechtsinhaber, der eine Kopie in einem Mitgliedstaat der Union vermarktet hat, die Möglichkeit, sich auf sein Verwertungsmonopol zu berufen, um sich dem Weiterverkauf der Kopie zu widersetzen. Im vorliegenden Fall macht Oracle geltend, der in der Richtlinie vorgesehene Erschöpfungsgrundsatz sei nicht auf Nutzungslizenzen für aus dem Internet heruntergeladene Computerprogramme anwendbar.
Der Gerichtshof führt in seinem Urteil aus, dass der Grundsatz der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht nur dann gilt, wenn der Urheberrechtsinhaber die Kopien seiner Software auf einem Datenträger (CD-ROM oder DVD) vermarktet, sondern auch dann, wenn er sie durch Herunterladen von seiner Internetseite verbreitet.
Stellt der Urheberrechtsinhaber seinem Kunden nämlich eine – körperliche oder nichtkörperliche – Kopie zur Verfügung, und schließt er gleichzeitig gegen Zahlung eines Entgelts einen Lizenzvertrag, durch den der Kunde das unbefristete Nutzungsrecht an dieser Kopie erhält, so verkauft er diese Kopie an den Kunden und erschöpft damit sein ausschließliches Verbreitungsrecht. Durch ein solches Geschäft wird nämlich das Eigentum an dieser Kopie übertragen. Somit kann sich der Rechtsinhaber, selbst wenn der Lizenzvertrag eine spätere Veräußerung untersagt, dem Weiterverkauf dieser Kopie nicht mehr widersetzen.
Der Gerichtshof stellt insbesondere fest, dass der Urheberrechtsinhaber, wenn die Anwendung des Grundsatzes der Erschöpfung des Verbreitungsrechts allein auf Programmkopien, die auf einem Datenträger verkauft worden sind, beschränkt würde, den Weiterverkauf von Kopien, die aus dem Internet heruntergeladen worden sind, kontrollieren und bei jedem Weiterverkauf erneut ein Entgelt verlangen könnte, obwohl er schon beim Erstverkauf der betreffenden Kopie eine angemessene Vergütung erzielen konnte. Eine solche Beschränkung des Weiterverkaufs von aus dem Internet heruntergeladenen Programmkopien ginge über das zur Wahrung des spezifischen Gegenstands des fraglichen geistigen Eigentums Erforderliche hinaus.
Außerdem erstreckt sich die Erschöpfung des Verbreitungsrechts auf die Programmkopie in der vom Urheberrechtsinhaber verbesserten und aktualisierten Fassung. Selbst wenn der Wartungsvertrag befristet ist, sind die aufgrund eines solchen Vertrags verbesserten, veränderten oder ergänzten Funktionen nämlich Bestandteil der ursprünglich heruntergeladenen Kopie und können vom Kunden ohne zeitliche Begrenzung genutzt werden.
Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts den Ersterwerber nicht dazu berechtigt, die Lizenz aufzuspalten und teilweise weiterzuverkaufen, falls die von ihm erworbene Lizenz für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl von Nutzern gilt.
Weiter führt der Gerichtshof aus, dass der ursprüngliche Erwerber einer körperlichen oder nichtkörperlichen Programmkopie, an der das Verbreitungsrecht des Erwerbers erschöpft ist, die auf seinen Computer heruntergeladene Kopie zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar machen muss. Würde er sie weiterhin nutzen, verstieße dies nämlich gegen das ausschließliche Recht des Urheberrechtsinhabers auf Vervielfältigung seines Computerprogramms. Anders als das ausschließliche Verbreitungsrecht erschöpft sich das ausschließliche Vervielfältigungsrecht nicht mit dem Erstverkauf. Die Richtlinie erlaubt jedoch jede Vervielfältigung, die für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist. Solche Vervielfältigungen dürfen nicht vertraglich untersagt werden.
In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof klar, dass jeder spätere Erwerber einer Kopie, für die das Verbreitungsrecht des Urheberrechtsinhabers erloschen ist, rechtmäßiger Erwerber in diesem Sinne ist. Er kann also die ihm vom Ersterwerber verkaufte Kopie auf seinen Computer herunterladen. Dieses Herunterladen ist als Vervielfältigung eines Computerprogramms anzusehen, die für die bestimmungsgemäße Nutzung dieses Programms durch den neuen Erwerber erforderlich ist.
Folglich kann der neue Erwerber der Nutzungslizenz, wie z. B. ein UsedSoft-Kunde, als rechtmäßiger Erwerber der betreffenden verbesserten und aktualisierten Programmkopie diese von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers herunterladen.
(1) Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 111, S. 16).
(Europäischer Gerichtshof: ra)
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