Wettbewerbsverhältnisse auf den Tankstellenmärkten
Bundeskartellamt legt Ergebnisse der "Sektoruntersuchung Kraftstoffe" vor - Fast wie alte Ehepaare: Konzerne "verstehen sich ohne Worte. Das führt zu überhöhten Preisen"
Oligopol der Mineralölkonzerne ermöglicht einheitliche Preissetzung an den Tankstellen
(31.05.11) - Das Bundeskartellamt hat seinen "Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe" veröffentlicht. Die Behörde legt damit eine eingehende Analyse der Wettbewerbsverhältnisse auf den Tankstellenmärkten in Deutschland vor.
Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, sagte: "Die fünf großen Tankstellenbetreiber in Deutschland machen sich gegenseitig keinen wesentlichen Wettbewerb, sie bilden ein marktbeherrschendes Oligopol. Unsere Studie weist im Einzelnen nach, wie die Mechanismen der Preissetzung funktionieren. Es bedarf bei solchen Marktstrukturen nicht zwingend einer Absprache. Die Unternehmen verstehen sich ohne Worte. Das führt zu überhöhten Preisen."
Oligopol auf den Tankstellenmärkten
Das Bundeskartellamt geht von der Existenz eines marktbeherrschenden Oligopols der fünf großen Mineralölunternehmen, BP (Aral), ConocoPhilipps (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total auf den Tankstellen-Märkten in Deutschland aus. Der veröffentlichte Bericht liefert wesentliche Erkenntnisse, die diesen Befund stützen.
Andreas Mundt erklärte: "Dieser Marktbeherrschungs-Befund ist von grundlegender Bedeutung für die kartellbehördliche Arbeit im Kraftstoffsektor. Aufgrund unserer Erkenntnisse werden wir eine weitere Konzentration der Tankstellenmärkte verhindern und darauf achten, dass die Oligopolisten ihre Marktmacht nicht missbräuchlich ausnutzen."
Gemeinsam verfügen die Oligopol-Mitglieder über hohe Marktanteile, ohne dass zwischen ihnen wesentlicher Wettbewerb besteht. Bundesweit entfallen rund 65 Prozent des Kraftstoffabsatzes auf die großen Fünf. Des Weiteren sind die Kraftstoffmärkte sehr transparent: Die Preise sind für alle Marktteilnehmer leicht zu beobachten. Alle fünf Unternehmen verfügen über ein System der Preisbeobachtung und -meldung, das zeitnahe Reaktionen auf Veränderungen erst möglich macht. Das Bundeskartellamt zeigt auch auf, dass ein Ausbrechen aus dem Oligopol durch die vielfachen Verflechtungen der Mineralölkonzerne sowie wechselseitige Abhängigkeiten in Kraftstoff-Tauschverträgen erschwert ist. Abweichendes Verhalten könnte umgehend von den anderen Oligopolisten wirtschaftlich sanktioniert werden.
Preissetzung an der Tankstelle
Über die marktstrukturellen Untersuchungen hinaus hat das Bundeskartellamt die Daten aller Preisänderungen vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2010 an insgesamt über 400 repräsentativ ausgesuchten Tankstellen von 19 Mineralölunternehmen in den Großräumen Hamburg, Leipzig, Köln und München – unterschieden nach Otto- und Dieselkraftstoff – erfasst und ausgewertet. Die Analyse des Bundeskartellamtes ist damit die erste systematische und auf einer objektiven Grundlage beruhende Untersuchung der Tankstellenpreise in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen, dass die oligopolistische Marktstruktur die großen Mineralölkonzerne in die Lage versetzt, Preise an der Tankstelle nahezu einheitlich zu bewegen. Mit Hilfe der systematischen Beobachtung und der zentral gesteuerten Preissetzung haben sich präzise Preissetzungsmuster etabliert.
So zeigt sich, dass in nahezu allen Fällen Aral oder Shell als Initiatoren der - zumeist flächendeckenden - Preiserhöhungsrunden hervortreten, das jeweils andere Unternehmen seinen Preis nach exakt drei Stunden anpasst und die übrigen Oligopolisten ebenfalls in festen Zeitkorridoren nachfolgen. Die Auswertung lässt erkennen, dass es zwar insgesamt mehr einzelne Preissenkungen als Preiserhöhungen gibt, die Senkungen aber örtlich begrenzt bleiben und im Durchschnitt in deutlich kleineren Cent-Schritten vollzogen werden als die Erhöhungen.
In der Regel sind die Benzinpreise an Freitagen am höchsten und an Montagen am niedrigsten. Die Untersuchung bestätigt auch die weitverbreitete Vermutung, dass das Preisniveau zu Ferienbeginn steigt, was sich entgegen den Beteuerungen aus der Mineralölwirtschaft nicht allein durch eine besonders erhöhte Nachfrage erklären lässt.
Ausblick
Das Bundeskartellamt wird an der bisherigen Untersagungslinie in der Fusionskontrolle festhalten, um eine weitere Konzentration der Märkte zu verhindern. Darüber hinaus wird die Behörde einige Verfahren einleiten, um konkret nachweisbare Rechtsverstöße aufzugreifen. Im Hinblick auf die oligopolistischen Preismechanismen sollte der Gesetzgeber prüfen, ob Verbesserungen im Sinne der Verbraucher durch regulative Eingriffe erzielt werden können.
Den vollständigen Bericht, eine Zusammenfassung sowie die Präsentation von Präsident Andreas Mundt finden Sie auf der Internetseite des Bundeskartellamtes. (Bundeskartellamt: ra)
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