Sie sind hier: Home » Markt » Hintergrund

Bleibt Gläubigerschutz in Europa auf der Strecke?


Symposium zur neuen europäischen Ein-Personen-Gesellschaft – Bayerns Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback: "Rechtsänderungen im Bereich der Ein-Personen-Gesellschaften können unsere Unternehmenswelt massiv verändern"
Bausback: "Wenn sich Gesellschaftsgründer nicht zuverlässig identifizieren lassen, wird professionellen Betrügern ein weites Tor geöffnet"


(16.06.14) - Kurz vor der Europawahl diskutierte Bayerns Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback in Berlin mit hochrangigen Vertretern der EU-Kommission und aus Politik, Wirtschaft und Rechtspraxis im Rahmen eines Symposiums der bayerischen Justiz den neuen Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur europäischen Ein-Personen-Gesellschaft ("Societas Unius Personae" - SUP). "Auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick nicht den Anschein hat: Ein-Personen-Gesellschaften finden sich überall - vom Kleinstbetreib bis hin zum Weltkonzern. Rechtsänderungen in diesem Bereich können unsere Unternehmenswelt massiv verändern", so Bausback. "Deshalb ist es mir wichtig, den Richtlinienentwurf frühzeitig in den Fokus der politischen Diskussion zu rücken, damit wir auf den Entscheidungsprozess in Brüssel nachhaltig Einfluss nehmen können."

Bei dem Symposium wurde deutlich, dass der Richtlinienentwurf der Kommission zur SUP in wichtigen Punkten der Überarbeitung bedarf. Dabei geht es vor allem um die neue Möglichkeit einer Online-Gründung. Bausback fasst die Kritik so zusammen: "Wenn sich Gesellschaftsgründer nicht zuverlässig identifizieren lassen, wird professionellen Betrügern ein weites Tor geöffnet. Dann können wir uns künftig nicht nur Bemühungen in Sachen Verbraucherschutz oder Geldwäschebekämpfung sparen. Auch Vorgaben im Steuer- und Gewerberecht lassen sich gegenüber solchen Akteuren nicht mehr durchsetzen."

Auch in punkto Gläubigerschutz stieß der Richtlinienentwurf auf deutliche Kritik. Wie das Symposium zeigte, sieht auch die Wirtschaft die mit der SUP angebotene Haftungsbeschränkung zum Preis eines Mindestkapitals von nur 1 EUR zwiespältig. Bausback bringt die Gefahren für den Rechtsverkehr auf den Punkt: "Der Gläubigerschutz in Europa bleibt auf der Strecke, wenn eine Gesellschaft dauerhaft mit einem Vermögen von nur einem Euro haften muss."

Zustimmung fand auch Bausbacks kritische Anmerkung, der Gründer einer SUP könne sich das ihm genehme Recht aus der Vielfalt der europäischen Rechtsordnungen herauspicken. "Es kann doch nicht Sinn einer europäischen Regelung sein, dass jemand seine Firma irgendwo im europäischen Ausland registriert, nur um inländische Schutzstandards zu umgehen. Damit fördert der Richtlinienentwurf die Niederlassungsfreiheit nicht, sondern lädt zu ihrem Missbrauch ein."

Der Minister abschließend "Mit der gestrigen Veranstaltung ist es uns gelungen, die Fachöffentlichkeit für die Probleme des Richtlinienvorschlags zu sensibilisieren. Nun gilt es, auf nationaler wie auf europäischer Ebene um Unterstützung für die Einhaltung unverzichtbarer Rechtsstandards bei der SUP zu werben!"

Zum Hintergrund:
Am 9. April 2014 hat die Europäische Kommission ihren Richtlinienentwurf zur Ein-Personen-Gesellschaft ("Societas Unius Personae" - SUP) veröffentlicht. Die SUP soll eine haftungsbeschränkte Gesellschaft mit nur einem Gesellschafter sein, deren rechtliche Grundlagen sich in erster Linie aus der Richtlinie, im Übrigen aus dem jeweiligen nationalen Recht ergeben. Damit soll den Akteuren des Wirtschaftslebens eine EU-weit vergleichbare Gesellschaftsform vor allem zur Gründung ausländischer Tochtergesellschaften angeboten werden.

Nach diesem Konzept wird es 28 Varianten der SUP geben, da die konkrete Ausgestaltung der Gesellschaft von den nationalen Umsetzungsgesetzen abhängt, die in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union zu erlassen sind. Dabei kann sich der Gründer einer SUP das für ihn maßgebliche Rechtssystem aussuchen, weil er den (formalen) Satzungssitz beliebig auswählen kann, nachdem keine Aktivitäten am Satzungssitz entfaltet werden müssen.

Nach der neuen Richtlinie soll die Registrierung einer SUP im Online-Verfahren binnen dreier Werktage erfolgen können. Anders als etwa bei der deutschen GmbH muss bei der Gründung der SUP kein Mindestkapital nachgewiesen werden. Gleichwohl wäre die Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Ein hinreichender Gläubigerschutz soll dadurch erreicht werden, dass Gewinne der SUP nur dann ausgeschüttet werden dürfen, wenn die Geschäftsführung schriftlich versichert, dass ein die Verbindlichkeit deckendes Gesellschaftsvermögen vorhanden ist.

Nähere Informationen und der Richtlinientext finden sich unter:
http://ec.europa.eu/internal_market/company/modern/index_de.htm.
(Bayerisches Justizministerium: ra)



Meldungen: Markt / Hintergrund

  • Datenkontrolle im Zeitalter der KI

    Keepit veröffentlichte ihren Berichts "Intelligent Data Governance: Why taking control of your data is key for operational continuity and innovation" (Intelligente Data-Governance: Warum die Kontrolle über Ihre Daten entscheidend für betriebliche Kontinuität und Innovation ist). Der Bericht befasst sich mit der grundlegenden Bedeutung der Datenkontrolle im Zeitalter der KI, wobei der Schwerpunkt auf der Sicherstellung der Cyber-Resilienz und Compliance moderner Unternehmen liegt.

  • Vorbereitung wird zum Wettbewerbsfaktor

    Zwischen dem 14. und dem 28. April 2025 mussten Finanzinstitute in der EU ihre IT-Dienstleister bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) registriert haben. Mit dem Inkrafttreten des Digital Operational Resilience Act (DORA) geraten damit viele IT-Dienstleister ohne unmittelbare Regulierung in den Fokus von Aufsichtsbehörden. Gleichzeitig sorgt die bevorstehende Umsetzung der europäischen NIS2-Richtlinie in weiteren Branchen für erhöhten Handlungsdruck.

  • Investitionen in Photovoltaikprojekte

    Vor 25 Jahren schuf das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) die Grundlage für den erfolgreichen Ausbau der Photovoltaik in Deutschland. Feste Einspeisevergütungen, garantierte Laufzeiten und unbürokratische Abwicklung sorgten für Vertrauen - nicht nur bei Projektierern, sondern auch bei Banken und institutionellen Investoren. "Diese Planbarkeit ermöglichte umfangreiche Investitionen in Photovoltaikprojekte", weiß Thomas Schoy, Mitinhaber und Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Privates Institut. "Die damals garantierten Erlöse deckten Finanzierungskosten, Betriebsausgaben und Risikozuschläge gleichermaßen zuverlässig ab."

  • Bayern verstärkt Kampf gegen Geldwäsche

    Allein in Deutschland ist nach Schätzungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) von Geldwäsche bis zu 100 Milliarden Euro im Jahr auszugehen. Bayern verstärkt im Kampf gegen Geldwäsche seine Strukturen erneut und erweitert die Kompetenzen der bei der Generalstaatsanwaltschaft München angesiedelten Zentral- und Koordinierungsstelle Vermögensabschöpfung (ZKV) auf Geldwäsche.

  • Von Steuerreform bis Deutschlandfonds

    Benjamin Bhatti, Geschäftsführer der bhatti.pro Steuerberatungsgesellschaft mbH, durchforstet die Wahlprogramme der möglichen Koalitionspartner und betrachtet ihre Steuervorhaben aus wirtschaftlicher und politischer Sicht.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen