BFH ändert starre Rechtsprechung
BFH-Urteil: Reisekosten können künftig in größerem Umfang abgesetzt werden
Der Große Senat hat sich endgültig vom Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Reisekosten verabschiedet
(31.01.11) - Ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) ermöglicht erstmals Steuereinsparungen bei Dienstreisen, die nicht rein beruflich sind, sondern auch private Motive enthalten. Dipl.-Finw. Bettina M. Rau-Franz, Steuerberaterin und Partnerin in der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland Franz & Partner in Essen weist darauf hin, dass Aufwendungen für Hin- und Rückreise, sowohl beruflich (betrieblich) als auch privatveranlasste Reisen grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten (Betriebsausgaben) und nichtabziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung aufgeteilt werden können. Damit ändert der Bundesfinanzhof eine jahrzehntelang starre Rechtsprechung.
Zum Sachverhalt:
Im Streitfall hatte ein EDV-Controller eine Computermesse in Las Vegas besucht, auf der er auch einen Gastvortrag hielt. Er flog bereits am Freitag dorthin, obwohl die Messe erst am Montag begann. Die Messe endete am Donnerstag und der Kläger kehrte zwei Tage später wieder nach Deutschland zurück.
Das Finanzamt und auch das Finanzgericht waren der Ansicht, von den sieben Tagen USA-Aufenthalt seien nur vier Tage einem eindeutig beruflichen Anlass zuzuordnen. Abziehbar seien daher nur die Kongressgebühren, Kosten für vier Übernachtungen und Verpflegungsmehraufwendungen für fünf Tage. Das Finanzgericht erkannte darüber hinaus noch die Flugkosten zu 4/7 als Werbungskosten an. Hiergegen wandte sich das Finanzamt mit der Begründung, die Aufteilung der Flugkosten verstöße gegen das Aufteilungsverbot und weiche von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ab. Im Revisionsverfahren rief der VI. Senat den Großen Senat des Bundesfinanzhofs mit dem Ziel an, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts hinsichtlich der Aufteilung der Flugkosten zu bestätigen – und zwar mit Erfolg.
Zur Rechtslage:
Nach dem Einkommensteuergesetz können Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, selbst dann nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die Aufwendungen zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Damit steht gerade an der Grenzlinie zwischen Berufs- und Privatsphäre ein verlockender Anreiz für den Steuerpflichtigen, Privataufwendungen als "beruflich veranlasst" darzustellen, um so den Abzug der Aufwendungen zu erreichen. Die bisherige Bundesfinanzhofs-Rechtsprechung hat dieser Praxis weitgehend einen Riegel vorgeschoben; obwohl es auch bisher schon zahlreiche Ausnahmen gegeben hat. Nunmehr aber hat sich der Große Senat endgültig vom Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Reisekosten verabschiedet.
1) Hatte der Bundesfinanzhof früher noch entschieden, dass eine Reise nur insgesamt und als Einheit beurteilt - einzelne Teile einer Reise aber nicht isoliert betrachtet werden können - vertritt nunmehr der Große Senat die veranlassungsbezogene Sichtweise.
2) Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen. Dies kommt etwa in Betracht, wenn eine Reise so stark unter dem Weisungsgebot des Arbeitgebers steht, dass eine private Mitveranlassung völlig untergeordnet ist.
Die Entscheidung des Großen Senats zum Aufteilungsverbot kann man ohne Übertreibung als Quantensprung bezeichnen: Denn mit der Entscheidung verschiebt sich das bislang geltende Regel-Ausnahmeprinzip endgültig dahin, dass bei gemischt veranlassten Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben ab sofort grundsätzlich von einer Aufteilungsmöglichkeit ausgegangen werden kann.
Steuerberaterin Bettina M. Rau-Franz rät, in der Praxis folgendes zu beachten:
1) Die Aufteilungsmöglichkeit findet Anwendung auf alle Veranlagungszeiträume, die noch nicht bestandskräftig und abschließend entschieden sind. Machen Sie den Steuerberater bitte unbedingt auf Kosten aufmerksam, die Sie ihm - nach der bisherigen Rechtsprechung durchaus richtig - gar nicht erst benannt haben.
2) Die Entscheidung darf nicht als Freibrief angesehen werden, dass mit Urlaub kombinierte Dienstreisen nun in jedem Fall absetzbar sind. Aus dem Hinweis des Großen Senats, dass Finanzverwaltungen und Finanzgerichte besonders gründlich auf die "Nachweise der Steuerpflichtigen" für beruflich veranlasste (Teil-)Aufwendungen blicken sollen, lässt sich die dringende Empfehlung ableiten, entsprechende Sachverhalte künftig besonders gut mit Belegen zu dokumentieren. Ein besonderes Gewicht hat dabei der genaue Inhalt des Reiseprogramms mit dem entsprechenden zeitlichen Ablaufplan, der Rückschlüsse auf die berufliche oder private Veranlassung zulässt.
3) Welche Auswirkungen die BFH-Entscheidung auf andere Sachverhalte mit gemischter Veranlassung hat, bleibt abzuwarten. Aber auch in Zukunft werden Aufwendungen, die in bloß mittelbarem Zusammenhang mit der Berufstätigkeit stehen (Repräsentationsaufwendungen wie der Nadelstreifenanzug des Unternehmensmanagers), nicht abziehbare Kosten der privaten Lebensführung bleiben.
(Roland Franz & Partner: ra)
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