Das Jahr 2022 bringt die DSGVO reloaded


Max Rahner, Sales Director DACH der Industrial-Cybersecurity-Anbieterin Claroty, fühlt sich beim neuen IT-Sicherheitsgesetz 2.0 an die Einführung der DSGVO erinnert
Welche Unternehmen "nach ihrer inländischen Wertschöpfung zu den größten Unternehmen in Deutschland gehören und daher von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind", muss noch durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden



Wir alle kennen das Gefühl: Weihnachten kommt immer völlig überraschend. Jedes Jahr. Etwas Ähnliches war vor ein paar Jahren bei der Einführung der DSGVO zu sehen: Obwohl das Gesetz lange bekannt war und es sogar eine zweijährige Übergangsfrist gab, bevor es endgültig in Kraft trat, warteten viele Unternehmen bis zur letzten Sekunde mit der Umsetzung – beziehungsweise scheiterten daran. Ich fürchte, wir befinden uns in exakt der gleichen Situation: Am Horizont steht das IT-Sicherheitsgesetz 2.0.

Je nachdem, in welche Kategorie ein Unternehmen fällt (hier wird es schon etwas kompliziert), besteht bereits jetzt für einige akuter Handlungsbedarf. So sind Unternehmen aus dem Sektor der Gefahrstoffe seit dem 1. November 2021 dazu verpflichtet, Störungen zu melden. Andere Unternehmen, nämlich solche, "die Güter nach § 60 Absatz 1 Nummer 1 und 3 der Außenwirtschaftsverordnung in der jeweils geltenden Fassung herstellen oder entwickeln", haben noch eine Schonfrist (wir erinnern uns an die DSGVO) bis zum 1. Mai 2023. Aber glauben Sie mir: Dieses Datum kommt schneller als man denkt.

Bei der dritten großen Gruppe ist es noch gar nicht klar, wer hier überhaupt einzuordnen ist. Welche Unternehmen "nach ihrer inländischen Wertschöpfung zu den größten Unternehmen in Deutschland gehören und daher von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind", muss noch durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden. Besonderes Augenmerk verdienen auch die Zulieferer dieser Unternehmen: Sobald ein Zulieferer von wesentlicher Bedeutung ist, erstreckt sich das Gesetz auch auf diesen. Liefert er beispielsweise exklusiv ein bestimmtes Vorprodukt, ohne das ein "bedeutendes Unternehmen" nicht produzieren kann, fällt er unzweifelhaft unter diese Definition. Wie sieht es aber aus, wenn er einer von drei Supplieren ist? Sie sehen: Auch die Frage, wer für die direkt betroffenen Unternehmen von wesentlicher Bedeutung ist, ist noch ungeklärt. Der vermeintliche Hoffnungsschimmer ist, dass diese Unternehmen zwei Jahre Zeit ab der Erlassung der konkretisierenden Rechtsverordnung haben, um den Ansprüchen des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0 gerecht zu werden. Vermeintlich nur deshalb, weil die Angreifer nicht warten werden, wie jüngste Attacken auf Automobilzulieferer, Pharma-Unternehmen und Handelsketten zeigen.

Ich befürchte, dass bis weit ins Frühjahr hinein viele Sicherheitsverantwortlichen keinen Gedanken an das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 verschwenden werden, um dann ab Mai in eine leichte Panik zu verfallen, die sich im Laufe der Monate verstärkt. Denn in diesem Zeitraum wird ihnen klar werden, dass sich die Anforderungen aus dem neuen Gesetz nicht mit nur mit Technologie adressieren lassen, sondern auch Prozesse und Strategie im Unternehmen angepasst werden müssen.

Viele Unternehmen wissen aus genannten Gründen auch noch gar nicht, dass sie nun Teil der kritischen Infrastruktur bzw. "Unternehmen im besonderen öffentlichen Interesse" (UBI) sind bzw. werden könnten und damit unter das Gesetz fallen. Zudem erweitert das BSI seinen Fokus auch auf vernetzte Technologien jenseits der IT wie IoT, IIoT oder industrielle Steuerungssysteme / Betriebstechnik (ICS). Gerade hier sind zahlreiche Unternehmen hinter dem aktuellen Stand zurück und es fehlt an vielem, bei einigen sogar an fast allem: Bewusstsein, Prozesse und vor allem den Basics, wie etwa eine umfassende Inventarisierung. Diese Erkenntnis hat sich jedoch noch nicht allzu weit verbreitet. Hier muss die Lernkurve sehr steil sein, um den Bogen noch einigermaßen zu bekommen.

Versuchen wir dieses eine Mal wirklich aus unseren Fehlern zu lernen und die Hausaufgaben nicht bis zum letzten Abend aufzuschieben, damit wir nur noch von Weihnachten überrascht werden, aber nicht von neuen gesetzlichen Anforderungen. (Claroty: ra)

eingetragen: 06.12.21
Newsletterlauf: 09.03.22

Claroty: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Datenschutz und Informationsfreiheit

    Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider ihren Tätigkeitsbericht vorgestellt. Dazu erklärt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung: "Das Amt der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist mit Blick auf die digitale Transformation und Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz eines der wichtigsten in Deutschland. Der vorgelegte Tätigkeitsbericht zeigt den eingeschlagenen und dringend notwendigen Perspektivwechsel der BfDI, die Datenschutz und verantwortungsvolle Datennutzung gleichermaßen in den Blick nimmt."

  • Bitkom zum "AI Continent Action Plan" der EU

    Die EU-Kommission hat den "AI Continent Action Plan" vorgestellt, mit dem Europa bei Künstlicher Intelligenz zu den aktuell führenden Nationen USA und China aufschließen will. Dazu erklärt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung: "Mit dem AI Continent Action Plan verschiebt die EU den Fokus von KI-Regulierung auf KI-Förderung - und dafür ist es höchste Zeit. Die europäischen Staaten können nur gemeinsam zu den führenden KI-Nationen USA und China aufschließen und die Grundlagen für eine wettbewerbsfähige, europäische KI schaffen. Eine KI aus Europa würde einen entscheidenden Beitrag zu Europas digitaler Souveränität leisten. Die aktuelle geopolitische Lage und die angespannten Handelsbeziehungen zu den USA machen dies notwendiger denn je."

  • Rückschlag im Kampf gegen Korruption

    Transparency Deutschland kritisiert den Koalitionsvertrag von Union und SPD als unzureichend im Hinblick auf Korruptionsbekämpfung und -prävention sowie Transparenz. Keine der drei Kernforderungen, die die Antikorruptionsorganisation bereits im Wahlkampf an die künftige Bundesregierung formuliert hatte, wurde im Koalitionsvertrag berücksichtigt. In der nächsten Legislaturperiode bleiben damit gravierende Defizite bestehen - und der Handlungsbedarf verschärft sich.

  • Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie

    Die Europäische Kommission hat am 26.02.25 mit der Omnibus-Richtlinie ein neues Paket von Vorschlägen zur Vereinfachung der EU-Nachhaltigkeitsvorschriften und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt. Stefan Premer, Principal Sustainability Consultant - Global Lead Climate Strategy bei Sphera, Anbieterin von Lösungen für das Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen, erläutert unten seine Sicht zu diesen Vorschlägen.

  • Risiken frühzeitig zu kontrollieren

    Die Regulierung von KI ist ein zentrales politisches und wirtschaftliches Thema - doch während Europa auf Vorschriften setzt, treiben die USA und China die Umsetzung voran. Die EU versucht mit dem AI-Act, Risiken frühzeitig zu kontrollieren, doch der technologische Fortschritt lässt sich nicht per Gesetz erzwingen. Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen, indem sie Transparenz fördern und Vertrauen schaffen - nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch für wirtschaftliche Vorteile.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen