Netzsperren und Zensurmaßnahmen


Kommt für das Internet in Europa ein "Zugangserschwerungsgesetz"?
Etablierung einer grundsätzlichen Sperrstruktur im Internet


(21.01.11) - Die Piratenpartei fragt sich, ob sich der "große Fehler" von Ursula von der Leyen mit deren gescheitertem "Zugangserschwerungsgesetz" nun in Europa wiederholt. Unter dem "Vorwand der Bekämpfung von Pornografie mit Kindern" habe nun auch die EU-Kommission das Thema "Sperren im Internet" wieder aus der Schublade geholt. Hiergegen hätte sich - wie in Deutschland - bürgerrechtlicher Widerstand formiert, der auch bereits gewisse Erfolge aufzuweisen habe.

Entgegen der ursprünglichen Formulierung, die eine obligatorische Netzsperrenstruktur für alle Mitgliedsstaaten vorsah, bevorzuge die nationalistisch-konservative Berichterstatterin des führenden Ausschusses für Bürgerrechte, Justiz und Inneres, Roberta Angelilli, nun eher eine freiwillige, nationale Lösung.

"Wir sind positiv überrascht, dass Frau Angelilli sich der Kritik nicht verschlossen hat und verpflichtende Netzsperren für die Mitgliedsstaaten abgelehnt hat", sagt Julia Schramm, Netzsperrenbeauftragte der Piratenpartei Deutschland. "Eine Garantie, dass die EU sich nicht durch weitere, umfassendere Zensurmaßnahmen weiter von ihren Bürgern und den Kerngedanken der Demokratie in Europa entfernt, ist das aber immer noch nicht."

Während Innenkommissarin Anna Cecilia Malmström und das EU-Parlament die Zensur der Türkei zu Recht kritisierten hätten, würden sie mit diesem Kompromiss Tür und Tor für weitere Zensurregelungen in der EU selbst eröffnen. In einer Anhörung habe sich der Bonner CDU-Abgeordnete Axel Voss als Verfechter einer europäischen Verpflichtung der Mitgliedsstaaten für Netzsperren offenbart. Der Verdacht, dass somit der Grundsatz des Koalitionsvertrages der schwarz-gelben Regierung "Löschen statt Sperren" umgangen werden soll, liegt nach Meinung der Piratenpartei auf der Hand.

"In der Debatte geht es schon lange nicht mehr um den Schutz von Kindern, sondern viel mehr um die Etablierung einer grundsätzlichen Sperrstruktur im Internet. Es gilt zu befürchten, dass hierbei politisch unliebsame Äußerungen gesperrt und Urheberrechtsansprüche durchgesetzt werden sollen", so Schramm weiter. "Der Kampf gegen Kinderpornographie ist längst als nur vorgeschobenes Argument der Netzsperrenbefürworter entlarvt. Mit derselben Technik, mit der in Europa vermeintlich Kinderpornografie bekämpft wird, können in anderen Staaten unliebsame Journalisten und Regimekritiker weit effektiver verfolgt werden. Kinderpornografie lässt sich mit Sperren nicht reduzieren, Demokratie und Freiheit schon. Netzsperren sind deshalb ein Irrweg." (Piratenpartei: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Hochkompetent, verantwortungsvoll, unabhängig

    Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD), eine seit über 40 Jahren aktive Bürgerrechtsorganisation, hat mit größtem Befremden zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung bis heute immer noch keine Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber in Aussicht gestellt hat.

  • VdK-Präsidentin: "Riester-Rente ist gescheitert"

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Sparkassen-Klausel zu Riester-Abschlusskosten für unwirksam erklärt. Die Bank hatte Sparerinnen und Sparer nicht über alle Kosten des Riester-Vertrags informiert und dann zu Beginn der Auszahlphase einen Nachschlag verlangt.

  • Gesetzliche Verpflichtung zu Barrierefreiheit

    Zur Anhörung zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele: "Gerne erinnere ich das Bundesjustizministerium (BMJ) an den gemeinsamen Plan im Koalitionsvertrag, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz umfassend zu novellieren. Hier müssen endlich klare gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die privaten Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit verpflichten. Trotz Absichtserklärungen und Ankündigungen hat das für das AGG zuständige Bundesjustizministerium bisher nichts vorgelegt."

  • Gesammelte Kommentare zur US "AI Executive Order"

    Am 30. Oktober 2023 hat US-Präsident Joe Biden die "AI Executive Order" erlassen. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse der Verordnung auf einen Blick.

  • Regulierung von Foundation Models

    Zur Debatte über eine mögliche Verzögerung beim EU AI Act, mit dem die Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Europa reguliert werden soll, erklärt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst: "Der AI Act ist die wohl wichtigste Entscheidung, die Europäisches Parlament und Kommission derzeit auf der Agenda haben."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen