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Schutz kritischer Infrastrukturen


Chance IT-Sicherheitsgesetz: Ohne Engagement keine Sicherheit in der Industrie
Eine "ganzheitliche" Cyber-Security-Strategie ist der richtige Ansatz, der auf einer Analyse der Risiken für jedes einzelne Unternehmen basiert



Autor Winfried Hold
Autor Winfried Hold Eine Cyber-Security-Strategie in mehreren Schritten entwickeln und umsetzen, Bild: Atos

Von Winfried Hold, CEO Atos Deutschland und Mitglied des Bitkom Präsidiums

(05.05.15) - Das IT-Sicherheitsgesetz – das erste seiner Art in Deutschland – ist vom Kabinett verabschiedet worden und liegt nun im Bundestag zur Beratung. Es ist ein Anfang und eine Chance für Unternehmen, um sich vor Angriffen zu schützen. Die Notwendigkeit dieser Gesetzgebung ist offenkundig: Das zivile Leben in Deutschland darf nicht durch Cyberattacken beeinträchtigt werden. Besonders das Thema Wirtschaftspionage soll mit dem Gesetz adressiert werden, denn beinahe jede Woche werden neue Angriffe auf Unternehmens- und Organisationsstrukturen gemeldet. Offensichtlich ist es für Wirtschaftskriminelle, politische Akteure und Cyberterroristen immer noch viel zu einfach, in die Infrastrukturen einzudringen, zu sabotieren und Daten zu entwenden. Vollständig verhindern wird das IT-Sicherheitsgesetz diese Attacken nicht, es soll aber zumindest die gröbsten Sicherheitslücken beseitigen. Es soll unter anderem sicherstellen, dass es ein dokumentiertes Sicherheitsmanagement gibt und dass alle sicherheitskritischen Elemente in der IT-Infrastruktur im Unternehmen identifiziert und ganzheitlich überwacht werden.

Der wohl wichtigste Punkt in dem Gesetzentwurf betrifft den Schutz kritischer Infrastrukturen: Das Gesetz regelt unter anderem die Mindestanforderungen an die IT-Sicherheit von Betreibern dieser Infrastrukturen, also jener Unternehmen, deren Leistungen von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens in Deutschland sind. Unternehmen aus einer Reihe von Branchen, wie Finanzdienstleistungen, Landwirtschaft und Nahrungsmittel, Wasserversorgung, Transport und Verkehr müssen künftig bestimmte Mindeststandards für die Sicherheit ihrer IT-Infrastruktur erfüllen.

Interessanterweise sagt das Gesetz aber weder, wer genau diese Standards erfüllen soll, also welche Unternehmen kritische Infrastrukturen betreiben. Noch ist klar, was genau diese Standards beinhalten sollen. Aber genau in dieser Unklarheit liegt die Chance des Gesetzes. Die Definition "kritischer Infrastrukturen" wird in einer künftigen Rechtsverordnung festgelegt, die relativ einfach an sich verändernde Rahmenbedingungen angepasst werden kann – ein sinnvoller und flexibler Ansatz.

Die Definition von Mindeststandards wiederum wird in die Verantwortung der betroffenen Unternehmen und deren Branchenverbände gelegt. Das Innenministerium, mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als ausführendes Organ, legt also nicht pauschal für die gesamte deutsche Wirtschaft fest, wie die Sicherheit der IT-Infrastrukturen zu gewährleisten ist. Stattdessen gibt das Gesetz der Wirtschaft in Deutschland den Auftrag, diese Strukturen selbst zu entwickeln und diesen Auftrag müssen wir annehmen.

Security-Rahmenwerk statt punktuelle Einzelmaßnahmen
Durch Trends wie die digitale Revolution, die verstärkte Nutzung von Cloud-basierten IT-Ressourcen und mobilen Endgeräten sowie die Vernetzung kritischer Infrastrukturen wie Energieerzeugungsanlagen fällt es Unternehmen und Organisationen immer schwerer, IT-Systeme und entsprechende Infrastrukturen abzusichern. Denn zwischen dem Unternehmensnetz und der Außenwelt gibt es immer mehr Übergänge, die sich der Kontrolle der IT-Abteilung entziehen. Häufig erfolgt der Remote Access auf Firmennetze über potenziell unsichere Netzwerke wie das Mobilfunknetz oder Wireless LANs an Public Hotspots. Weitere Klassiker sind der nicht autorisierte Einsatz von Cloud Computing-Services, Online-Speicher-Diensten oder von Social-Media-Plattformen und Messaging-Diensten für die Kommunikation mit Kollegen und Partnern.

Die IT-Abteilung und die IT-Sicherheitsbeauftragten von Unternehmen sind daher kaum noch in der Lage, den Datenverkehr in das Unternehmensnetz hinein oder in umgekehrter Richtung wirkungsvoll zu überwachen. Die Folge: Sicherheits- und Compliance-Risiken häufen sich und letztlich kann es zum Verlust von internen Daten kommen – mit den bekannten Folgen wie Image-Schäden, dem Abwandern von Kunden zu Mitbewerbern bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen.

Eine "ganzheitliche" Cyber-Security-Strategie ist nun der richtige Ansatz, der auf einer Analyse der Risiken für jedes einzelne Unternehmen basiert. Die Strategie überprüft die Rolle aller beteiligten Akteure, so dass bereits in der Planungsphase potenzielle Schwachpunkte erkannt werden. Erst dadurch ist es möglich, vorhandene Risiken im Vorfeld zu identifizieren und zu bewerten sowie die richtigen Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Was eine Cyber-Security-Architektur berücksichtigen muss, sind die unterschiedlichen Anforderungen von Firmen, Behörden und Organisationen. Um das passende Sicherheitsniveau zu ermitteln, gibt es mehrere Möglichkeiten. So lassen sich Informationen und Checklisten aus einschlägigen Publikationen wie dem IT-Grundschutzkatalog heranziehen. Allerdings führt diese Vorgehensweise zu einer Mehrbelastung der IT-Abteilung und setzt ein hohes Maß an Know-how im IT-Security-Umfeld voraus.

Step by step zur richtigen Security-Strategie
Aus Praxiserfahrungen empfiehlt es sich, eine Cyber-Security-Strategie in mehreren Schritten zu entwickeln und umzusetzen. Der erste besteht darin, ein Sicherheits-Framework zu erarbeiten. Am Anfang steht eine detaillierte Analyse der Risiken. Diese kann zwar die hauseigene IT-Abteilung vornehmen, doch ist es häufig ratsam, externe IT-Fachleute hinzuzuziehen: Sie verfügen zum einen über das erforderliche Know-how und kennen die neuesten Tools. Das ist nicht in jedem Fall im Unternehmen vorhanden, speziell in kleineren und mittelständischen Firmen. Zum anderen mangelt es internen IT-Mitarbeitern häufig nicht nur an der Zeit, sondern auch an der notwendigen Distanz, um quasi "von außen" einen kritischen Blick auf die IT-Infrastruktur und die damit verbundenen Geschäftsprozesse und Schwachstellen zu werfen.

Im zweiten Schritt wird IT-Sicherheit in Hardware- und Software-Architekturen verankert. Die Aufgabe liegt darin, robuste Systeme zu entwickeln, die modernen Cyber-Angriffen standhalten, was wiederum integrierte Konzepte für das Erkennen und Stoppen von Attacken voraussetzt. Zum Einsatz kommen dabei Sicherheitstechnologien, Architektur-Designs (Secure by Design) sowie Test- und Sicherheits-Analysemethoden.

Nicht zu unterschätzen ist die Berücksichtigung aller maßgeblichen Teilbereiche der Cyber-Security wie die Identifizierung und Authentifizierung von Benutzern. Denn eine exakte Unterscheidung zwischen berechtigten und unberechtigten Zugriffen auf die IT-Ressourcen einer Organisation ist essentiell für die Informationssicherheit. Ein effizientes Identity & Access Management (IAM) ist daher ein wichtiger Baustein. Er versetzt das Unternehmen in die Lage, Identitäten und damit verbundene Berechtigungen sicher und geregelt zu erstellen, zu verteilen und zu verwalten. Hierüber lässt sich über ein sicheres Federated IAM auch die sichere Kollaboration mit Partnern einrichten. Neben der Benutzerverwaltung und Rechtevergabe sollte es den revisionssicheren Nachweis aller Berechtigungen und Berechtigungsvorgänge bieten.

Ein Schritt in die richtige Richtung
Entgegen verbreiteter Ansichten in Deutschland: Der größte Teil der Angriffe auf die IT - das BSI spricht hier von 95 Prozent - kann mit vertretbarem Aufwand verhindert werden. Nur sehr wenige Attacken sind so professionell und so systematisch, dass sie ohne extreme Maßnahmen nicht zu vermeiden sind. IT-Sicherheit muss überall integraler Bestandteil der Unternehmensorganisation und der Produktentwicklung sein. Und genau hierfür ist das IT-Sicherheitsgesetz ein wichtiger erster Schritt. Denn branchenspezifische Sicherheitsanforderungen zu definieren und praxisgerecht für die kritischen Infrastrukturen auszugestalten ist unabdingbar.

Zwar sind Mindeststandards kein Komplettschutz und zudem sind zusätzliche Kosten für die betroffenen Unternehmen zu erwarten, dennoch: Diese Standards werden dann Leuchtturm-Charakter für mittelständische und kleine Unternehmen haben und– wenn konsequent betrieben – einen wichtigen Beitrag zum Schutz der deutschen Wirtschaft haben. Die Chance müssen die Verbände und die Betreiber kritischer Infrastrukturen nun ergreifen, um nicht zu riskieren, aufgrund mangelnder Kooperation doch noch mit staatlich festgelegten Einheitsvorgaben konfrontiert zu werden, an denen dann nicht mehr zu rütteln ist. (Atos: ra)

Lesen Sie auch den Schwerpunkt:
"IT-Sicherheit im Kontext von Compliance"

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