Preisregulierung angemessen und verhältnismäßig?
Digitale Agenda: Europäische Kommission setzt Pläne des deutschen Telekom-Regulierers zur Regulierung von Mietleitungen mit hoher Bandbreite aus
Ernste Bedenken, ob der Vorschlag der BNetzA, kostenorientierte Preise für den Zugang zu Mietleitungen mit einer Bandbreite über 155 Mbit/s vorzugeben, mit dem EU-Telekommunikationsrecht vereinbar ist
(14.06.12) - Die Europäische Kommission hat für die Dauer weiterer Untersuchungen die Pläne des deutschen Telekom-Regulierers (BNetzA) zur Festsetzung der Preise für gesicherte Breitband-Standleitungen mit sehr hoher Geschwindigkeit, die das etablierte deutsche Telekommunikationsunternehmen Deutsche Telekom (DT) alternativen Betreibern in Rechnung stellen kann, ausgesetzt. Solche Leitungen werden als sog. "Mietleitungen mit sehr hohen Bandbreiten" an Wettbewerber vermietet.
Diese Art von Mietleitungen wird von Telekom-Anbietern hauptsächlich verwendet, um Unternehmen wie Banken, Versicherungen oder Krankenhäusern ausfallsichere Telekommunikationssysteme für die Anbindung unterschiedlicher Standorte zur Verfügung zu stellen. Die Kommission hat ernste Bedenken, ob der Vorschlag der BNetzA, kostenorientierte Preise für den Zugang zu Mietleitungen mit einer Bandbreite über 155 Mbit/s vorzugeben, mit dem EU-Telekommunikationsrecht vereinbar ist. Deshalb hat sie um weitere Informationen gebeten, die diesen Vorschlag rechtfertigen könnten.
Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Neelie Kroes sagte hierzu: "Die EU-Telekommunikationsvorschriften sollen einen angemessenen Wettbewerb auf dem Markt sicherstellen, damit den Verbrauchern stets immer bessere Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Wenn bereits Wettbewerb herrscht, sollten wir aber keine zusätzlichen Vorschriften erlassen, die Investoren abschrecken und die Einführung wettbewerbsfähiger Dienste behindern könnten."
Laut EU-Telekommunikationsrecht muss eine nationale Regulierungsbehörde Abhilfemaßnahmen treffen, die verhältnismäßig sind und der Art des festgestellten Problems entsprechen. Das bedeutet, dass die Regulierer nicht in Märkte eingreifen dürfen, in denen bereits ein ausreichender Wettbewerb stattfindet.
Die Kommission hat ihre ernsten Bedenken geäußert, weil die deutsche Regulierungsbehörde näher begründen muss, inwiefern die vorgeschlagene Preisregulierung sowohl angemessen als auch verhältnismäßig ist. Fraglich erscheint der Kommission insbesondere die Notwendigkeit einer weiteren Regulierung, nachdem die BNetzA selbst der Kommission Ende 2011 mitgeteilt hat, dass auf dem Markt für Mietleitungen mit sehr hohen Bandbreiten nunmehr Wettbewerb herrscht. Die Kommission hat deshalb die Pläne der BNetzA ausgesetzt und eine dreimonatige Prüfung eingeleitet.
Mit der Entscheidung der Kommission, eine gründliche Prüfung einzuleiten, beginnt die zweite Phase des Verfahrens nach Artikel 7a der EU-Telekommunikationsrichtlinie. Die BNetzA hat nun drei Monate Zeit, um gemeinsam mit der Kommission und dem Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) eine Lösung zu finden, die den Vorschlag mit dem EU-Recht vereinbar macht. Für diesen Zeitraum wird die Umsetzung des BNetzA-Vorschlags ausgesetzt.
Hintergrund
Im Mai 2012 ging bei der Kommission der Entwurf einer Entscheidung der BNetzA in Bezug auf den Vorleistungsmarkt für Abschlusssegmente von Mietleitungen ein. Darin schlägt die BNetzA eine Regulierung der Preise vor, die die Deutsche Telekom von alternativen Betreibern für den Zugang zu Abschlusssegmenten ihrer Mietleitungen in Deutschland verlangen darf. Der Vorschlag sieht eine Preiskontrolle für Mietleitungen mit einer Bandbreite über 155 Mbit/s vor.
Ende 2011 hatte die BNetzA der Kommission mitgeteilt, dass die Deutsche Telekom über beträchtliche Marktmacht im Bereich der Abschlusssegmente mit Geschwindigkeiten von mehr als 2 Mbit/s bis einschließlich 155 Mbit/s verfügt. In dieser zweiten Marktüberprüfungsrunde kam die BNetzA allerdings zu dem Schluss, dass Abschlusssegmente mit einer Bandbreite über 155 Mbit/s voraussichtlich wettbewerbsbestimmt sind und daher keiner Vorabregulierung mehr unterliegen sollten. Nach Ansicht der Kommission könnte sich der Vorschlag der BNetzA negativ auf den Wettbewerb und das künftige Angebot von Mietleitungen unter Wettbewerbsbedingungen auswirken. Außerdem könnten dadurch möglicherweise Hindernisse für die Entwicklung des Binnenmarkts entstehen.
Im Rahmen ihrer neuen Befugnisse nach Artikel 7a der Rahmenrichtlinie kann die Kommission eine so genannte Prüfung der zweiten Phase einleiten, in der sie – in enger Zusammenarbeit mit dem GEREK – mit der betreffenden nationalen Regulierungsbehörde Gespräche darüber führt, wie der Vorschlag mit dem EU-Recht vereinbar gemacht werden kann. Für diesen Zeitraum wird die Umsetzung des Vorschlags ausgesetzt. (Europäische Kommission: ra)
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