Wettbewerb im Pharmasektor
Kartellrecht: Europäische Kommission übermittelt Lundbeck und anderen Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen Behinderung des Markteintritts von generischen Antidepressiva
Wurden Vereinbarungen mit Generika-Herstellern getroffen, um den Markteintritt konkurrierender generischer Versionen des Bestsellers Citalopram zu verhindern?
(03.08.12) - Die Europäische Kommission hat dem dänischen Pharmaunternehmen Lundbeck ihre Einwände in Bezug auf Vereinbarungen mit vier konkurrierenden Generika-Herstellern über das Blockbuster-Antidepressivum Citalopram mitgeteilt. Sie vertritt vorläufig die Auffassung, dass die Vereinbarungen zur Verhinderung des Markteintritts kostengünstigerer Generika gegen die Kartellvorschriften der EU verstoßen. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte wird auch Merck KgaA, Generics UK, Arrow, Resolution Chemicals, Xellia Pharmaceuticals, Alpharma, A.L. Industrier und Ranbaxy übermittelt, die zu den Generika-Herstellern zählen, mit denen die Vereinbarungen geschlossen wurden. Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem endgültigen Ergebnis des Verfahrens nicht vor.
In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte vertritt die Kommission den vorläufigen Standpunkt, dass Lundbeck Vereinbarungen mit Generika-Herstellern getroffen hat, um den Markteintritt konkurrierender generischer Versionen ihres Bestsellers Citalopram zu verhindern. Der Markteintritt von Generika wurde grundsätzlich möglich, nachdem bestimmte Citalopram-Patente der Firma Lundbeck abgelaufen waren. Doch die Unternehmen schlossen Vereinbarungen, die umfangreiche Wertübertragungen Lundbecks an dessen vier Generika-Konkurrenten vorsahen, die anschließend darauf verzichteten, mit generischem Citalopram in den Markt einzutreten. Die Wertübertragungen erfolgten als Direktzahlungen von Lundbeck an die konkurrierenden Generika-Hersteller sowie in anderer Form, z. B. durch den Kauf von Beständen an generischem Citalopram, um diese zu vernichten, oder durch garantierte Gewinne im Rahmen von Vertriebsvereinbarungen.
Dieses Verhalten würde, sofern nachgewiesen, gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen, der wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken verbietet. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Kommission der Auffassung, dass diese Praktiken möglicherweise erhebliche Nachteile für den Verbraucher zur Folge hatten, da sie den Markteintritt von Generika eventuell bis zu zwei Jahren verzögert haben und die Preise von Citalopram infolgedessen hoch blieben.
Neben Servier ist dies bislang der einzige Fall, bei dem es sich um sogenannte "Pay for delay"-Vereinbarungen handelt.
Hintergrund
Die Kommission hatte im Jahr 2010 ein Prüfverfahren gegen Lundbeck eingeleitet.
In der Untersuchung der Kommission zum Wettbewerb im Pharmasektor wurde auf eine Reihe struktureller Probleme in der Unternehmenspraxis hingewiesen, die potenziell zu Wettbewerbsverzerrungen und Verzögerungen beim Eintritt neuer, innovativer sowie kostengünstigerer Generika in den EU-Markt hätten führen können. In ihrem Abschlussbericht formulierte die Kommission eine Reihe von Empfehlungen zur Behebung dieser allgemeinen Probleme, wobei sie insbesondere die stärkere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften im Hinblick auf die Beilegung von Patentstreitigkeiten hervorhob.
Die heutige Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein wichtiger Schritt bei der Bewältigung der im Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung herausgestellten Wettbewerbsprobleme.
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Wettbewerbsregeln. Mit dieser Mitteilung setzt die Kommission die Beteiligten schriftlich von den Beschwerdepunkten, die gegen sie vorliegen, in Kenntnis. Diese können daraufhin die Unterlagen in der Kommissionsakte einsehen, schriftlich Stellung nehmen und eine mündliche Anhörung beantragen, um vor Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden ihre Position darzulegen.
Die Dauer der kartellrechtlichen Ermittlungen variiert je nach Sachlage im Einzelfall, der Anzahl der betroffenen Märkte und der beteiligten Unternehmen und deren Kooperationsbereitschaft.
Wenn die Beteiligten ihre Verteidigungsrechte wahrgenommen haben und die Kommission dennoch zu dem Schluss kommt, dass hinreichende Beweise für eine Zuwiderhandlung vorliegen, kann sie einen Beschluss erlassen, mit dem sie die wettbewerbswidrige Verhaltensweise untersagt und gegen die Kartellmitglieder Geldbußen von bis zu 10 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes verhängt. (Europäische Kommission: ra)
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