Irreführende Werbung und Desinformation
EU-Kommission leitet förmliches Verfahren gegen Facebook und Instagram im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste ein
Die mutmaßlichen Verstöße betreffen die Strategien und Praktiken von Meta in Bezug auf irreführende Werbung und politische Inhalte in seinen Diensten
Die Europäische Kommission hat ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Meta, der Anbieter von Facebook und Instagram, möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte: "Diese Kommission hat Mittel geschaffen, um die europäischen Bürgerinnen und Bürger vor gezielter Desinformation und Manipulation durch Drittländer zu schützen. Wenn wir einen Verstoß gegen die Vorschriften vermuten, handeln wir. Dies gilt jederzeit, doch insbesondere in Zeiten demokratischer Wahlen. Große digitale Plattformen müssen ihrer Verpflichtung nachkommen, dafür ausreichende Ressourcen einzusetzen, und die heutige Entscheidung zeigt, dass wir es mit der Einhaltung von Vorschriften ernst nehmen. Seite an Seite mit den Mitgliedstaaten kämpfen wir für den Schutz unserer Demokratie. Ich möchte Premierminister Fiala für seine aktive Rolle bei der Befassung mit diesem Thema auf europäischer Ebene danken, sowie für die Aktivierung des Notfallmechanismus für den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten durch Belgien."
Die mutmaßlichen Verstöße betreffen die Strategien und Praktiken von Meta in Bezug auf irreführende Werbung und politische Inhalte in seinen Diensten. Sie betreffen auch die Tatsache, dass Dritten vor den Wahlen zum Europäischen Parlament kein wirksames Instrument für die Führung eines zivilgesellschaftlichen Diskurses und die Wahlbeobachtung zur Verfügung steht, da Meta sein Echtzeit-Tool für den öffentlichen Einblick, CrowdTangle, ohne angemessenen Ersatz abwertet.
Darüber hinaus vermutet die Kommission, dass der Mechanismus zur Kennzeichnung illegaler Inhalte in den Diensten ("Melde- und Abhilfeverfahren") sowie die Rechtsbehelfe der Nutzer und interne Beschwerdemechanismen nicht den Anforderungen des Gesetzes über digitale Dienste entsprechen und dass Meta Forschenden nur unzureichend Zugang zu öffentlich zugänglichen Daten gewährt. Die Einleitung des Verfahrens stützt sich auf eine vorläufige Analyse des von Meta im September 2023 übermittelten Risikobewertungsberichts, die Antworten von Meta auf die förmlichen Auskunftsverlangen der Kommission (zu illegalen Inhalten und Desinformationen, Datenzugang, Abonnements mit werbefreier Nutzung und generativer KI), öffentlich zugängliche Berichte und die eigene Analyse der Kommission.
Im vorliegenden Verfahren wird es vor allem um Folgendes gehen:
>> Irreführende Werbung und Desinformation. Die Kommission vermutet, dass Meta seinen Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste im Zusammenhang mit der Verbreitung irreführender Werbung, Desinformationskampagnen und einem koordinierten unauthentischen Verhalten in der EU nicht nachkommt. Die Verbreitung solcher Inhalte kann eine Gefahr für den gesellschaftlichen Diskurs, Wahlprozesse und die Grundrechte sowie den Verbraucherschutz darstellen.
>> Sichtbarkeit politischer Inhalte. Die Kommission hegt den Verdacht, dass die Politik von Meta für den Umgang mit politischen Inhalten, wonach politische Inhalte in den Empfehlungssystemen von Instagram und Facebook, einschließlich ihrer Feeds, herabgestuft werden, nicht mit den Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste im Einklang steht. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Vereinbarkeit dieser Politik mit den Transparenz- und Rechtsbehelfspflichten der Nutzer sowie mit den Anforderungen zur Bewertung und Minderung der Risiken für den zivilgesellschaftlichen Diskurs und Wahlprozesse.
Die Tatsache, dass im Vorfeld der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament und anderer Wahlen in verschiedenen Mitgliedstaaten kein wirksames Instrument für den zivilgesellschaftlichen Diskurs und die Wahlbeobachtung durch Dritte in Echtzeit zur Verfügung steht. Meta ist dabei, "CrowdTangle", ein Instrument für den öffentlichen Einblick, das eine Echtzeit-Wahlüberwachung durch Forschende, Journalistinnen und Journalisten sowie die Zivilgesellschaft (unter anderem durch visuelle Live-Dashboards) ermöglicht, ohne angemessenen Ersatz einzustellen. Wie jedoch in den jüngsten Leitlinien der Kommission für Anbieter sehr großer Online-Plattformen zu systemischen Risiken für Wahlprozesse zum Ausdruck kommt, sollte der Zugang zu solchen Instrumenten in Zeiten von Wahlen im Gegenteil ausgeweitet werden.
Die Kommission vermutet daher, dass Meta bei seiner Abwertung und geplanten Einstellung von CrowdTangle die Risiken im Zusammenhang mit dem Einfluss von Facebook und Instagram auf den gesellschaftlichen Diskurs und Wahlprozesse sowie andere systemische Risiken nicht sorgfältig bewertet und angemessen gemindert hat. Angesichts der Reichweite der Meta-Plattformen in der EU (monatlich mehr als 250 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer) und im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament, die vom 6. bis 9. Juni 2024 stattfinden wird, sowie einer Reihe weiterer Wahlen in verschiedenen Mitgliedstaaten, könnte eine solche Abwertung den gesellschaftlichen Diskurs und die Wahlprozesse in Bezug auf die Fähigkeiten zur Verfolgung von Falsch- und Desinformationen, die Ermittlung der Einflussnahme auf Wähler/innen und die Unterdrückung von Informationen für Wähler/innen sowie die allgemeine Echtzeit-Transparenz für Faktenprüfende, Medienschaffende und andere relevante Interessenträger bei Wahlen beeinträchtigen.
Die Kommission behält sich ihre Bewertung der Art und des Ausmaßes des Schadens vor und erwartet, dass Meta mit ihr zusammenarbeiten wird, indem es unverzüglich die für eine solche Bewertung erforderlichen Informationen vorlegt. Sie erwartet ferner, dass Meta rasch alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, um eine wirksame öffentliche Kontrolle seines Dienstes in Echtzeit zu gewährleisten, indem es Forschern, Journalisten und Wahlbeamten angemessenen Zugang zu Echtzeit-Überwachungsinstrumenten für Inhalte gewährt, die in seinen Diensten gehostet werden. Meta wird außerdem aufgefordert, innerhalb von fünf Arbeitstagen mitzuteilen, welche Abhilfemaßnahmen diesbezüglich getroffen wurden. Die Kommission hat sich das Recht vorbehalten, Maßnahmen zu ergreifen, falls diese Abhilfemaßnahmen als unzureichend erachtet werden.
>> Mechanismus zur Kennzeichnung illegaler Inhalte. Die Kommission vermutet, dass der Melde- und Abhilfemechanismus von Meta, der es Nutzern ermöglicht, illegale Inhalte in seinen Diensten zu melden, gegen die Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste verstößt. Es besteht ferner der Verdacht, dass die Anforderungen hinsichtlich leichter Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit dieses Mechanismus nicht erfüllt sind. Zugleich vermutet die Kommission, dass Meta kein wirksames internes Beschwerdemanagementsystem für die Einreichung von Beschwerden gegen Entscheidungen zur Moderation von Inhalten eingerichtet hat.
Sollten sich diese Vorwürfe bewahrheiten, würden die beanstandeten Mängel Verstöße gegen Artikel 14 Absatz 1, Artikel 16 Absätze 1, 5 und 6, Artikel 17 Absatz 1, Artikel 20 Absätze 1 und 3, Artikel 24 Absatz 5, Artikel 25 Absatz 1, Artikel 34 Absätze 1 und 2, Artikel 35 Absatz 1 sowie Artikel 40 Absatz 12 des Gesetzes über digitale Dienste darstellen. Die Kommission wird diese eingehende Prüfung nun vorrangig behandeln. Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens greift dem Ausgang der Untersuchung in keiner Weise vor.
Die vorliegende Einleitung des Verfahrens lässt sonstige Verfahren unberührt, die die Kommission in Bezug auf andere Verhaltensweisen einleiten kann, die eine Zuwiderhandlung nach dem Gesetz über digitale Dienste darstellen könnten.
Nächste Schritte
Nach der förmlichen Einleitung des Verfahrens wird die Kommission weiter Beweise sammeln und kann sich dabei beispielsweise auf zusätzliche Auskunftsersuchen, Befragungen oder Inspektionen stützen.
Infolge der Einleitung eines förmlichen Verfahrens hat die Kommission nun die Möglichkeit, weitere Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen. Dazu zählen z. B. einstweilige Maßnahmen und Nichteinhaltungsbeschlüsse. Außerdem ist die Kommission befugt, von Meta zugesagte Abhilfemaßnahmen zu den im Verfahren aufgeworfenen Fragen anzunehmen. Im Gesetz über digitale Dienste ist keine gesetzliche Frist für den Abschluss solcher förmlichen Verfahren festgelegt. Ihre Dauer hängt von mehreren Faktoren ab, so etwa von der Komplexität des jeweiligen Falles, der Bereitschaft des betroffenen Unternehmens zur Zusammenarbeit mit der Kommission sowie der Ausübung der Verteidigungsrechte.
Durch die Einleitung eines förmlichen Verfahrens werden die Koordinatoren für digitale Dienste oder andere zuständige Behörden der EU-Mitgliedstaaten von ihren Befugnissen zur Überwachung und Durchsetzung des Gesetzes über digitale Dienste in Bezug auf mutmaßliche Verstöße gegen Artikel 14 Absatz 1, Artikel 16 Absätze 1, 5 und 6, Artikel 17 Absatz 1, Artikel 20 Absätze 1 und 3, Artikel 24 Absatz 5, Artikel 25 Absatz 1 sowie Artikel 40 Absatz 12 entbunden.
Hintergrund
Facebook und Instagram wurden am 25. April 2023 im Rahmen des EU-Gesetzes über digitale Dienste als sehr große Online-Plattformen benannt, da sie jeweils über mehr als 45 Millionen aktive monatliche Nutzerinnen und Nutzer in der EU verfügen. Als sehr große Online-Plattformen mussten Facebook und Instagram vier Monate nach ihrer Benennung, d. h. Ende August 2023, damit beginnen, eine Reihe von Verpflichtungen gemäß dem Gesetz über digitale Dienste zu erfüllen. (EU-Kommission: ra)
eingetragen: 24.05.24
Newsletterlauf: 12.07.24
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