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Legislativvorschläge zur Wirtschaftssteuerung


Neue Kontrollbefugnisse der Europäischen Kommission über nationale Haushalte
Die Ausübung erhöhter Machtbefugnisse durch die EU-Kommission sollte von den Mitgliedsstaaten und dem Parlament genauer überwacht werden, um Transparenz, Rechenschaftslegung und Legitimität zu gewährleisten


(25.06.12) - Die nächsten Legislativvorschläge zur Wirtschaftssteuerung in der EU müssen verstärkt auf Wachstum ausgerichtet sein und die neuen Kontrollbefugnisse der Europäischen Kommission über nationale Haushalte besserer demokratischer Kontrolle unterliegen, meinen die Abgeordneten nach der Verabschiedung des sogenannten "Two-Packs". Die wichtigsten Abänderungen des Kommissionsvorschlags betreffen das neue Kapitel über Staatsschuldtitel, eine teilweise Mutualisierung der Schulden der Euro-Zone sowie den rechtlichen Schutz für Länder, die dem Risiko einer Zahlungseinstellung ausgesetzt sind.

Die Abstimmung erfolgte nach der Verabschiedung der beiden Gesetzesvorlagen mit einer äußerst knappen Mehrheit durch den Wirtschafts- und Währungsausschuss. Erst die Abstimmung in der Vollversammlung stattet die Verhandlungsteams des Parlaments mit dem entsprechenden Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten aus. Jean-Paul Gauzès (EVP, FR), der als Berichterstatter für jenen Text verantwortlich zeichnet, der die Regeln im Umgang mit Ländern in großen finanziellen Schwierigkeiten festlegt, erklärte, dass den von der Krise am meisten betroffenen Ländern viel erspart geblieben wäre, hätte es diese Vorschriften schon vor zwei Jahren gegeben. Sie hätten klare und rechtzeitige Interventionen ermöglicht.

Elisa Ferreira (S&D, PT), Berichterstatterin des Textes, der die Verpflichtungen zur Finanzberichterstattung für Euro-Länder festlegt, meinte, dass die neue Gesetzgebung in einen breiteren Kontext zu stellen wäre. "Alleinige Haushaltsdisziplin kann nicht das A und O unserer Strategie sein. Wir müssen unsere kurzfristigen Zielvorgaben revidieren, um Wirtschafswachstum einzubeziehen und den Teufelskreis hoher Zinsraten zur Schuldenfinanzierung zu durchbrechen", meinte Ferreira.

Schuldentilgungsfond, Eurobonds und Infrastrukturinvestitionen
Die Position des Parlaments bereichert die Texte um konkrete Dimensionen des Wirtschaftswachstums und bietet einige unmittelbare Lösungen zur Schuldenreduzierung. Allen voran sollte ein Schuldentilgungsfond eingerichtet werden, der Schulden aller Länder der Eurozone jenseits des Grenzwerts von 60 Prozent ihres BIP umfasst. Diese Schulden belaufen sich derzeit auf rund 2,3 Mrd. Euro, die zu einem geringeren Zinssatz über einen Zeitraum von 25 Jahren zurückzuzahlen sind. Diese würden den Mitgliedstaaten, die schwierige Strukturreformen vornehmen müssen, eine gewisse Atempause verschaffen und dazu beitragen, der Spirale hoher Zinsraten, höherer Verschuldung und geringen Wachstums zu entkommen.

Mit Blick auf mittelfristige Maßnahmen sollte die Kommission einen Monat nach Inkrafttreten der Gesetzgebung laut Vorschlag auch einen Fahrplan zur Einführung von Eurobonds vorlegen sowie einen Vorschlag für ein Instrument zur Förderung nachhaltigen Wachstums unterbreiten, mit dem über einen Zeitraum von zehn Jahren jährlich ungefähr 1 Prozent des BIP für Investitionen in Infrastrukturen mobilisiert werden kann. Dieser Änderungsvorschlag wurde mit knapper Mehrheit von 355 Ja-Stimmen gegen 284 Nein-Stimmen bei 23 Enthaltungen angenommen.

Mehr Befugnisse, aber kein Blankoscheck für die Kommission
Die Ausübung erhöhter Machtbefugnisse durch die Kommission sollte von den Mitgliedsstaaten und dem Parlament genauer überwacht werden, um Transparenz, Rechenschaftslegung und Legitimität zu gewährleisten. Die Befugnisübertragung an die Kommission müsste daher alle drei Jahre erneuert werden und wäre vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufbar.

Die außerordentlichen Befugnisse der Kommission gegenüber Ländern, die vom Zahlungsausfall bedroht sind, werden in dem vom Parlament angenommen Text gestärkt, unter anderem durch Anwendung der "umgekehrten Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit". Dies bedeutet, dass die Kommission einem Land etwa Korrekturmaßnahmen empfehlen oder neue Pläne zur Schuldenreduzierung fordern kann und dieser Beschluss als angenommen gilt, so ihn der Rat nicht binnen zehn Tagen mit qualifizierter Mehrheit aufhebt.

Wachstum ist das Hauptziel
Beide Texte heben hervor, dass Haushaltskonsolidierung nicht zulasten von Wirtschaftswachstum gehen darf. Die länderspezifischen Haushaltsempfehlungen der Kommission müssten daher umfassender sein, um zu gewährleisten, dass Haushaltskürzungen nicht auf Kosten wachstumsfördernder Investitionen vorgenommen werden.

Substantielle Sparmaßnahmen dürften vor allem nicht zulasten von Investitionen im Bildungs- und Gesundheitswesen erfolgen, vor allem in jenen Ländern, die mit größten finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Zudem müsste die Kommission eventuellen Dominoeffekten politischer Weichenstellungen höhere Aufmerksamkeit widmen, um zu vermeiden, dass die Schwierigkeiten eines Landes auf andere Eurozonenländer übergreifen.

Die Mitgliedstaaten würden zudem verpflichtet sein, das jeweilige Wachstums- und Beschäftigungspotential ihrer Investitionen detailliert dazulegen. Der Terminkalender zur Reduzierung von Haushaltsdefiziten sollte jedoch unter besonderen Umständen oder bei Einbruch der Konjunktur flexibler gehandhabt werden.

Zuletzt unterstreicht der Text auch die Rechte der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft, zu den Empfehlungen der Kommission Stellung zu nehmen und bei der Ausformulierung der politischen Maßnahmen stärker einbezogen zu werden.

Rechtlicher Schutz vor Bankrott
Die Kommission würde unter der neuen Gesetzgebung auch dazu ermächtigt, ein Land am Rande des Bankrotts unter rechtlichen Schutz zu stellen, um ihm mehr Klarheit, Stabilität und Vorhersehbarkeit zu verschaffen. So sich ein Land unter diesen rechtlichen Schutz begibt, kann es nicht länger bankrott erklärt werden. Seine Gläubiger müssten sich binnen zwei Monaten bei der Kommission melden, und Zinssätze würden eingefroren. (Europäisches Parlament: ra)


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