Kinder in Gerichtsverfahren
Europäische Union für Grundrechte stellt fest: Die Justiz muss kinderfreundlicher werden
Die Verbesserung des Kinderschutzes innerhalb der Justizsysteme ist Gegenstand der UN-Kinderrechtskonvention, die von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde
(29.05.15) - Jahr für Jahr sind in der EU Hunderttausende von Kindern in Gerichtsverfahren involviert. In der Justiz muss mehr unternommen werden, um den Bedürfnissen dieser Kinder zu entsprechen. Dies geht aus dem jüngsten Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) hervor. Eine kindgerechtere Justiz dient dem Kindeswohl, verbessert den Kinderschutz und fördert eine sinnvolle Beteiligung der Kinder an Gerichtsverfahren.
"Wir dürfen nicht zulassen, dass Kinder verunsichert oder unter Stress gesetzt werden, wenn sie an Gerichtsverfahren beteiligt sind", erklärt der Interimsdirektor der FRA, Constantinos Manolopoulos. "Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Kinderrechte respektiert und gewahrt werden. Dies gilt insbesondere in Gerichtsverfahren. Die Mitgliedstaaten sollten zudem gewährleisten, dass die Leitlinien des Europarates für eine kindgerechte Justiz von allen Beteiligten in der täglichen Praxis eingehalten werden."
Die Verbesserung des Kinderschutzes innerhalb der Justizsysteme ist Gegenstand der UN-Kinderrechtskonvention, die von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Der Europarat hat besondere Leitlinien für eine kindgerechte Justiz verfasst, da dieses Thema für viele Kinder von Bedeutung ist. So wurden beispielsweise im Jahr 2010 in elf EU-Mitgliedstaaten etwa 74 000 Kinder Opfer von Straftaten, 495 000 Kinder waren von Scheidungen betroffen.
Die Forschungsarbeit der FRA zeigt, dass nicht nur zwischen, sondern auch in den einzelnen Mitgliedstaaten beträchtliche Unterschiede hinsichtlich der Verfahren für die Beteiligung von Kindern herrschen und diese Verfahren nicht immer kindgerecht sind. Dies ist ein Beleg für die Notwendigkeit, eindeutige und kohärente Standards und Leitlinien zu schaffen, die systematisch eingehalten werden müssen. Die Untersuchung ergab weiter, dass Sensibilisierungs- und spezielle Schulungsmaßnahmen für Fachkräfte vonnöten sind.
Die wichtigsten Ergebnisse beziehen sich auf besondere Kinderrechte. So wurden beispielsweise die folgenden Feststellungen getroffen:
>> In den letzten Jahren wurde die Achtung und Wahrung des Rechts des Kindes auf Gehör insbesondere in Strafverfahren verbessert. In Zivilverfahren werden Kinder nicht immer gehört. Es müssen verstärkt Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass Kinder in sicheren und kindgerechten Räumlichkeiten und unter Anwendung von dem Alter und Reifegrad des Kindes entsprechenden Methoden gehört werden. Kinder sollten in möglichst wenigen Anhörungen und nur von einigen wenigen gut ausgebildeten Fachkräften befragt werden.
>> Die nationalen Rechtsvorschriften beinhalten häufig Bestimmungen über das Recht auf Information. In der Praxis bestehen jedoch erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Frage, in welcher Weise die Kinder unterrichtet werden, von wem und worüber. Ordnungsgemäße, kindgerechte und auf das Alter der betroffenen Kinder zugeschnittene Informationen und Materialien über Kinderrechte und die gerichtlichen Verfahrensschritte, die während des gesamten Gerichtsverfahrens bereitgestellt werden, können das Vertrauen der Kinder in die Justiz stärken.
>> Die meisten Mitgliedstaaten haben bedeutende Anstrengungen unternommen, um das Recht des Kindes auf Privatsphäre und auf Schutz vor Schaden und erneuter Traumatisierung insbesondere in Strafverfahren zu gewährleisten. In der Praxis kommen jedoch die Schutzmaßnahmen oft nur in unzureichendem Maße zur Anwendung. Eine räumliche Trennung, um den Kontakt mit Angeklagten zu verhindern, und der Einsatz von Videoaufzeichnungen und Videoschaltungen durch geschulte Fachkräfte in Gerichtssälen und Polizeidienststellen sollten in der EU zur Norm werden, um Kinder angemessen zu schützen.
>> Es gibt zwar Rechtsvorschriften zur Gleichbehandlung, jedoch verfügt das Personal häufig nicht über das nötige Fachwissen für den Umgang mit besonders gefährdeten Kindern, wie beispielsweise mit Kindern mit Behinderungen oder aus ethnischen Minderheiten. Es muss dafür gesorgt werden, dass der Zugang von Kindern zur Justiz und ihre Behandlung in Gerichtsverfahren wirksam überwacht werden, um jede Form der Diskriminierung zu verhindern. Der Zugang gefährdeter Kinder zu Prozesskostenhilfe und Beratung sollte erleichtert werden.
(FRA - Agentur der Europäischen Union für Grundrechte: ra)
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