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Staatsverschuldung belastet Realwirtschaft


Europäische Restrukturierungskonferenz der Kanzlei Noerr: Krise der Staatsfinanzen große Herausforderung für die Unternehmensfinanzierung
"In den nächsten vier Jahren kommen auf europäische Unternehmen auslaufende Kreditlinien in Höhe von zusammen 550 Milliarden Euro zu"


(15.05.12) - Die europäische Staatsschuldenkrise wird die Zahl der Unternehmensrestrukturierungen und Insolvenzen künftig deutlich ansteigen lassen. Dieses Fazit zogen heute viele Teilnehmer des "European Restructuring Day" in Frankfurt, zu dem die internationale Kanzlei Noerr Restrukturierungsexperten, Banker, Unternehmensvertreter und Investoren aus ganz Europa eingeladen hatte. Sie diskutierten über Auswirkungen und Lösungen der Staatsschuldenkrise sowie die verschärften Herausforderungen an die Unternehmensfinanzierung u.a. mit Steffen Kampeter, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, der die Bedeutung des Konsolidierungskurses in Europa unterstrich. Hochrangige Experten wie Dr. Panos Protopsaltis, Leiter der der 2011 im Zuge der Krise etablierten griechischen "Treuhandanstalt" Hellenic Republic Assets Development Fund (HRADF), berichteten von den Restrukturierungsbemühungen in den Krisenländern.

"Die massive Staatsverschuldung in Europa belastet bereits jetzt die Realwirtschaft erheblich, wie die aktuellen Absatzeinbrüche vieler Produzenten insbesondere in Südeuropa zeigen. Darüber hinaus wird die Unternehmensfinanzierung durch die erheblichen Belastungen für die Bankbilanzen in den kommenden Jahren erschwert", sagte Prof. Dr. Christian Pleister, Tagungsleiter und Noerr-Partner. Dies sei eine problematische Ausgangslage angesichts des enormen Refinanzierungsbedarfs: "In den nächsten vier Jahren kommen auf europäische Unternehmen auslaufende Kreditlinien in Höhe von zusammen 550 Milliarden Euro zu", zitiert er aktuelle Marktstudien. Pleister sagte: "Die durch die Staatsschuldenkrise verursachten Abschreibungen in Kombination mit den verschärften Eigenkapitalvorschriften durch Basel III machen es sehr fraglich, ob die Banken alleine diesen Finanzierungsberg stemmen können." Angesichts der Schwäche und Volatilität der Kapitalmärkte sei auch die Eigenkapitalfinanzierung schwierig. Hinzu komme, dass Anleger auch bei Unternehmensanleihen wohl vorsichtiger agieren.

Vor diesem Hintergrund warnte Steffen Kampeter davor, vom Pfad der Konsolidierung der Staatsfinanzen in Europa abzuweichen: "Die wieder verstärkt geforderten Konjunkturprogramme auf Pump würden die Situation weiter verschlechtern." Wachstumsimpulse seien wichtig, das gehe aber vor allem über den Weg von Strukturreformen. "Strukturreformen sind unerlässlich für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die letztlich Vorraussetzung für Wachstum ist", sagte Kampeter.

Restrukturierungsbedarf besteht nach Einschätzung von Sanierungsexperte Pleister vor allem bei Unternehmen, deren Geschäftsmodell durch die zunehmende Digitalisierung und das Internetwachstum in Frage gestellt wird. Dazu zählen etwa die Druckindustrie einschließlich der Druckmaschinenhersteller, der stationäre Handel und klassische Medienunternehmen. Zudem wird es nach dem stürmischen Wachstum der letzten Jahre noch signifikante Marktbereinigungen in der Erneuerbaren-Energien-Branche geben, wie ein Panel mit dem Solar-Millenium-Insolvenzverwalter Volker Böhm, dem Bioenergie-Unternehmer Felix Hess (NAWARO) und dem ehemaligen Q-Cells-CRO Dr. Walter Bickel feststellte.

Ob sich das vor zwei Monaten erheblich reformierte deutsche Insolvenzrecht im Wettbewerb insbesondere mit dem britischen "Scheme of Arrangement" behaupten kann, war ebenfalls Gegenstand einer Panel-Diskussion. Neben viel Lob wurde dabei allerdings die fehlende gesetzliche Regelungsmöglichkeit für Drittsicherheiten kritisiert. Dies führe dazu, dass Konzernfinanzierungen, bei denen üblicherweise die Tochtergesellschaften mithaften, nur bei Einstimmigkeit aller Finanzgläubiger durch einen Insolvenzplan der Konzernmutter restrukturiert werden könnten. Das schade dem Sanierungsstandort Deutschland und lasse stattdessen ein Scheme of Arrangement nach englischem Recht attraktiver erscheinen. Pleister sagte: "Um hier mit dem Scheme of Arrangement gleichzuziehen, sollte eine derartige Regelung noch in der anstehenden Reform des Verbraucherinsolvenzrechts berücksichtigt werden."

Der Erfolg des ESUG hängt vor allem aber davon ab, ob die neuen Chancen in der Praxis auch genutzt werden. Große Verantwortung tragen die Gerichte: "Es wäre überaus schädlich, wenn im Sinne vermeintlicher Einzelfallgerechtigkeit, Urteile hinter den gesetzgeberischen Willen zurückfallen, wie dies bei den jüngsten Urteilen zur Anwendbarkeit des Schuldverschreibungsgesetzes der Fall war", sagte Pleister. (Noerr: ra)

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Meldungen: Europäische Kommission

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    Die Europäische Kommission unternahm einen wichtigen Schritt, um die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz zu stärken und auszubauen. Sie unterbreitete dem Rat Vorschläge zur Genehmigung der Unterzeichnung und des Abschlusses eines umfassenden Pakets von Abkommen, das einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Ratifizierung eines modernisierten Rahmens für die Zusammenarbeit darstellt.

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    Die Umsetzung der Pläne der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Kernenergie wird erhebliche Investitionen in Höhe von rund 241 Mrd. EUR bis 2050 erfordern, sowohl für die Verlängerung der Lebensdauer bestehender Reaktoren als auch für den Bau neuer Großreaktoren. Zusätzliche Investitionen sind für kleine modulare Reaktoren (SMR), fortgeschrittene modulare Reaktoren (AMR) und Mikroreaktoren erforderlich, und die Kommission hat in ihrem achten illustrativen Nuklearprogramm (PINC) die Fusion für die längerfristige Zukunft bewertet.

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    Die EU-Kommission ersucht um Rückmeldungen zu einer Überarbeitung der Beihilfevorschriften für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI), die dem Mangel an erschwinglichem Wohnraum entgegenwirken soll. Zur Überbrückung der Investitionslücke für erschwinglichen Wohnraum bedarf es großer Investitionen. Staatliche Beihilfemaßnahmen können einen Anreiz für die erforderlichen Investitionen bieten.

  • Glaubwürdige Wettbewerber

    Die Europäische Kommission hat die geplante Übernahme von Intelsat Holdings S.à r.l. ("Intelsat") durch SES S.A. ("SES") ohne Auflagen nach der EU-Fusionskontrollverordnung genehmigt. Nach Prüfung des Vorhabens kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der Zusammenschluss keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gibt.

  • Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung

    Die Europäische Kommission hat ihre Liste der Länder und Gebiete mit hohem Risiko aktualisiert, die strategische Mängel in ihren nationalen Systemen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung aufweisen. EU-Einrichtungen, die unter den AML-Rahmen fallen, müssen bei Transaktionen, an denen diese Länder beteiligt sind, verstärkte Wachsamkeit walten lassen. Dies ist wichtig, um das Finanzsystem der EU zu schützen.

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