Interview mit Ullrich Ograbeck, Uni Göttingen
Compliance an der Universität Göttingen: Ullrich Ograbeck über mögliche Zwischenfälle und ein sinnvolles Risikomanagement - Viele so genannte Compliance-Verstöße sind oftmals gar nicht beabsichtigt
Der präventive Ansatz des Göttinger Modells: Information und Aufklärung können einem ordnungswidrigen Verhalten meistens vorbeugen
(21.10.08) - Diplom Oeconom Ullrich Ograbeck ist Leiter der Stabstelle Interne Revision und Anti-Korruptionsbeauftragter der Universität Göttingen mit der Universitätsmedizin Göttingen. In seiner Funktion setzt er auf transparente Kooperationen sowie auf Beratung und Prävention.
Was sind die Aufgaben eines Anti-Korruptionsbeauftragten?
Ullrich Ograbeck: Zu meinen Aufgaben gehören neben der Sensibilisierung, Aufklärung und Beratung auch das Ausloten von Risikokonstellationen und die Verfolgung von konkreten Verdachtsangelegenheiten. In Göttingen wird aber nicht mehr nur auf "Zwischenfälle" reagiert. Wir agieren im Sinne des Risikomanagements nach vorne. Letztendlich gehört zu meinem Aufgabenbereich auch die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, wie beispielsweise der Staatsanwaltschaft. Darüber hinaus bin ich Ansprechpartner für Firmen und Verbände.
Was beinhaltet das Göttinger Anti-Korruptionsprogramm "More Cooperation Safety"?
Ograbeck: Der Titel ist angelehnt an das klinische Risikomanagement. Unser Ziel sind mehr Kooperationen mit mehr Sicherheit. Wir versuchen "Beinahezwischenfälle" zu erkennen und "Risiko-Konstellationen" konstruktiv aufzuarbeiten. Wir möchten mit unserem Ansatz in erster Linie präventiv wirken. Ganz wichtig ist deshalb für mich die Beratung. Fragen oder etwaige kritische Konstellationen können oft schon im Vorfeld durch ein ausführliches Gespräch ausgeräumt werden. Vieles geht relativ einfach, wenn es von Beginn an richtig gemacht wird und die geltenden Prinzipien beachtet werden. Ein weiterer wichtiger Punkt des Göttinger Modells ist deshalb auch die Information und die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im universitären und klinischen Bereich.
Wie ist das Programm positioniert?
Ograbeck: Zunächst wurde der Themenkomplex Korruption und Vorteilsannahme enttabuisiert. Das Programm wird vom Präsidium der Universität, vom Vorstand der Universitätsmedizin und den Aufsichtsgremien anerkannt und gestützt. Eine universitätsweit geltende Anti-Korruptionsrichtlinie bildet dazu die Grundlage. Die Thematik wurde außerdem institutionalisiert, dazu zählt auch eine zentrale und öffentliche Positionierung der Beauftragtenfunktion. Korruption ist kein realitätsfernes Konstrukt, sondern eine konkrete Herausforderung. Intervention, Aufklärung und Beratung geschehen im direkten Dialog: Ich darf darüber sprechen.
Das Universitätsklinikum Göttingen ist ein wichtiger Partner für die Wirtschaft, in wie weit sind Sie auf Drittmittel angewiesen?
Ograbeck: Wir bezeichnen uns selbst als Forschungsuniversität. Exzellente Wissenschaft auf einem hohen Niveau wie auch eine hochqualitative Krankenversorgung ist kostspielig. Dabei sind wir auf öffentliche Mittel genau wie auf Finanzierungsmöglichkeiten aus der Wirtschaft angewiesen. In 2007 betrug das Drittmittelvolumen für den medizinischen Bereich 31 Mio. Euro.
Werden diese Förderungen durch Verträge dokumentiert?
Ograbeck: Die Dokumentation ist eines der vier wesentlichen Prinzipien und für erlaubte Kooperationen unbedingt notwendig. In der Regel arbeiten wir mit etablierten Musterverträgen. Oftmals schauen natürlich auch noch die Rechtsabteilung und die Interne Revision auf die Verträge, um zu klären, wer da eigentlich was mit wem auf welcher Grundlage machen möchte. Je individueller, je schwieriger.
Die Kooperationen, die vertraglich laufen und geprüft werden, sind aber eigentlich nicht das Problem. Korruption, Vorteilsannahme oder Vorteilsgewährung findet eher auf einer anderen Ebene darunter in einem informellen Umfeld statt.
Gibt es Korruptionsfälle in Ihrem Haus?
Ograbeck: Mich würde es wundern, wenn nicht transparente oder auch korrupte Versuchungen einen großen Bogen um die Universität Göttingen machen würden. Da liegen wir ganz im Durchschnitt. Aber wir haben einen klaren Vorteil: Im Gegensatz zu anderen Häusern haben wir das Thema offensiv besetzt und arbeiten in erster Linie präventiv. Wir machen intern ein konkretes Angebot und dieses wird auch genutzt. Wir sind selbst über die Häufigkeit der Inanspruchnahme sowie die Vielfalt der Varianten erstaunt.
Wie funktioniert der präventive Ansatz des Göttinger Modells?
Ograbeck: Information und Aufklärung können einem ordnungswidrigen Verhalten meistens vorbeugen. Viele so genannte "Verstöße" sind oftmals gar nicht beabsichtigt. Da ist viel Nichtwissen im Spiel. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind immer wieder erstaunt, wie einfach sich oftmals Kooperationen ordnungsgemäß umsetzen lassen. Mit der Kontaktaufnahme zu mir ist der erste wichtige Schritt ja schon getan: Es wurde ein transparenter Vorgang eingeleitet. Danach müssen die Kooperationsinhalte dokumentiert werden, eine schriftliche Vereinbarung ist unerlässlich. Dabei soll immer die Äquivalenz der Vergütung im Auge behalten werden, das Entgelt muss angemessen sein und dem üblichen Marktwert entsprechen oder sozial adäquat sein. Leistung und Gegenleistung stehen in einer engen Beziehung zueinander. Außerdem ist eine schriftliche Genehmigung unerlässlich.
Wie schätzen Sie die Zukunft von Anti-Korruptionsprogrammen ein?
Ograbeck: Ich halte sie für unerlässlich. In den letzten zehn Jahren sind Unternehmen und Klinken sensibel für etwaige Regelverstöße geworden. Anti-Korruptions- oder Compliance-Programme sind ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Dabei müssen alle Institutionen eng zusammenarbeiten. Wie in anderen Bereichen auch, muss es verbindliche Standards geben. Wir setzen dabei im alltäglichen Miteinander auf Prävention und weniger auf Sanktion.
Ein Fehlverhalten oder die bewusste Umgehung von Vorgaben kann aber nie gänzlich verhindert werden. Die wirkungsvollste Korruptionsprävention besteht aus einem Strauß von gezielten Maßnahmen und erfordert ein Netzwerk – intern und extern.
Das vollständige Interview können Sie auf der Internetpräsenz:
www.medtech-kompass.de nachlesen.
(MedTech Kompass: BVMed: ra)
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