Umgang mit illegalen Online-Inhalten


Geplanter Upload-Filter gefährdet die Meinungsfreiheit und fördert Monopolisierung
Die Tatsache, dass Hoster in Zukunft durch die Implementierung eines Filters dazu aufgefordert werden, alle gespeicherten Daten der Nutzer zu durchleuchten, stellt eine ernstzunehmende Bedrohung der Meinungsfreiheit dar



Ein Statement von Dr. Florian Scheuer, CTO bei Dracoon

Der Streit über ein neues EU-Urheberrecht dauert in Brüssel bereits seit Jahren an. Anfang März dieses Jahres stellte die EU-Kommission ihre sogenannten "Empfehlungen für wirksame Maßnahmen im Umgang mit illegalen Online-Inhalten" vor, also unter anderem mit urheberrechtlich geschützten Inhalten. Online-Plattformen und Speicherdienste werden dazu aufgefordert, sobald wie möglich Maßnahmen umzusetzen, um die Sperrung von illegalen Inhalten auf den jeweiligen Plattformen zu ermöglichen. Gefordert wird unter anderem, die Entdeckung und Entfernung solcher Inhalte durch die Implementierung eines Upload-Filters zu automatisieren.

Die Tatsache, dass Hoster in Zukunft durch die Implementierung eines Filters dazu aufgefordert werden, alle gespeicherten Daten der Nutzer zu durchleuchten, stellt eine ernstzunehmende Bedrohung der Meinungsfreiheit dar. Der Upload-Filter wird durch seine automatisierte Überwachung zum Zensurmittel, der auch ein legales Zitieren von urheberrechtlich geschütztem Material verhindert. Bei vielen Inhalten, die gespeichert werden, lässt sich eine Urheberrechtsverletzung nicht auf den ersten Blick – und noch dazu nicht automatisiert – erkennen.

Der Filter würde damit unweigerlich auch zum Entfernen rechtmäßig hochgeladener Inhalte (also dem sogenannten "Overblocking") führen, da sich Betreiber angesichts des Haftungsrisikos absichern werden. Dies gefährdet massiv die freie Entfaltung, Kreativität und die Vielfalt des Internets für seine Nutzer und bedeutet somit auch eine Einschränkung der Kunst- und Satirefreiheit, denn gerade bei Satire gibt es Urheberrechtsschranken, die gesondert bewertet werden müssen. Im Detail betrachtet bedeutet dies möglicherweise, dass gewisse Teile eines eigentlich urheberrechtlich geschützten Inhalts im Rahmen eines Zitats oder einer ironischen Darstellung durchaus Teil einer eigenen Veröffentlichung sein dürfen. Auch bei Beiträgen, die für Lehre und Forschung verwendet werden, gelten Ausnahmen, die für einen Upload-Filter wohl schlichtweg nicht erkennbar wären. Absolut fraglich ist deshalb, wie sich dies automatisiert und zutreffend unterscheiden ließe.

Als Anbieter einer File-Plattform wären auch wir gezwungen, einen Upload-Filter einzusetzen. Eine Maßnahme, deren Auswirkung völlig konträr zu unserem Verständnis von Demokratie steht. In unserer Philosophie hat die Wahrung der Datensouveränität unserer Nutzer oberste Priorität. Wird der Einsatz eines Upload-Filters Pflicht, müssten wir zudem diesen Filter zukaufen. Die Entwicklung eines eigenen wirksamen Filters für unterschiedliche Formate, wie Audio- und Video-Dateien, Text- bzw. Office-Dokumente sowie Bilder, ist selbst für uns als erfahrenes Softwareunternehmen in kurzer Zeit schlichtweg zu komplex, vor allem wenn es darum geht, das Haftungsrisiko einzudämmen, das im Falle einer äußerst aufwändigen Eigenentwicklung wieder auf uns zurückfiele.

Kauft man den Filter zu, kommen in der aktuellen Marktsituation im Wesentlichen amerikanische Anbieter wie Facebook oder Google als Anbieter in Frage, da sie bereits heute entsprechende Systeme auf ihren eigenen Plattformen zum Einsatz bringen (z. B. "Content ID" von Google). Wie bereits hinlänglich bekannt ist, unterliegen diese Unternehmen jedoch wiederum dem sogenannten Patriot Act, der entsprechende Folgen für die Nutzer von US-amerikanischen Cloud-Diensten in Bezug auf die Datensouveränität mit sich bringt. Damit bewegen wir uns in einem Teufelskreis, der uns definitiv in einen moralischen Konflikt bringt und im Zusammenhang mit der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung zudem große Fragen aufwirft.

Aber nicht nur das: Die Entscheidung fügt sämtlichen mittelständischen Unternehmen in Europa einen wirtschaftlichen Schaden zu und liefert zeitgleich amerikanischen Anbietern einen finanziellen Nutzen und einen Wettbewerbsvorteil – und unterstützt darüber hinaus eine Monopolisierung. Auch nichtkommerzielle, oftmals ehrenamtlich betriebene Projekte wie Online-Enzyklopädien stünden vor einer großen wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderung. Die Bundesregierung sprach sich zwar im Koalitionsvertrag gegen die verbindliche Einführung des Upload-Filters aus und bezeichnete die Maßnahme als unverhältnismäßig, andererseits unterstützt das federführende Bundesjustizministerium jedoch diesen Vorschlag entgegen den Empfehlungen der Netzpolitiker beider Regierungsparteien.

Was für eine Tragweite dieses Thema inzwischen besitzt, belegen auch die Reaktionen aus der breiten Zivilgesellschaft. So haben sich vor einigen Wochen Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Aktivisten mit einem offenen Brief gegen die europäische Reform des Urheberrechts und im Speziellen gegen den vorgeschlagenen Upload-Filter ausgesprochen. Dieser adressiert u. a. an den EU-Abgeordneten und Berichterstatter Axel Voss (CDU), der entscheidend an der EU-Urheberrechtslinie beteiligt war. Das Schreiben wurde unter anderem vom Digitalverband Bitkom und dem Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. unterzeichnet. Weitere Adressaten des Briefes sind auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU).

Eine Entscheidung über die Durchsetzung des Vorstoßes seitens der EU-Kommission steht bis heute aus. Im Interesse der Demokratie und Meinungsfreiheit sowie im Hinblick auf eine zu befürchtende Schwächung des Mittelstandes muss die Durchsetzung des Upload-Filters unbedingt verhindert werden.
(Dracoon: ra)

eingetragen: 19.05.18
Newsletterlauf: 15.06.18

Dracoon: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Weitere Maßnahmen sollten folgen

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßt die Entscheidung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), den sektoralen Systemrisikopuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen von zwei auf ein Prozent zu senken. Damit reagiert die Aufsicht auf die veränderten Marktbedingungen und kommt einer Forderung der Kreditwirtschaft nach. Der Schritt ist ein wichtiges Signal für die differenzierte und verantwortungsvolle Anwendung makroprudenzieller Instrumente.

  • Dringend gesetzliche Klarheit & Bürokratieabbau

    Als am 1. Juli 2024 die Pflegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) in Kraft getreten ist, waren sich die meisten Krankenhäuser über die weitreichenden Folgen vermutlich noch gar nicht im Klaren. Denn: Auch wenn der ursprüngliche Gedanke aus dem Gesundheitsministerium durchaus begrüßenswert ist - nämlich Pflege und Versorgung im Gesundheitswesen zu verbessern - ist es wieder einmal das Wie, das eine Besserung der oftmals dramatischen Lage verhindert. In der Praxis erweist sich die Verordnung nämlich nicht als pragmatische Lösung für bessere Arbeitsbedingungen oder einen Abbau von zeitintensiver Bürokratie, sie ist ziemlich genau das Gegenteil: ein bürokratisches Monster, das an inhaltlicher Komplexität seinem eigenen Namen in nichts nachsteht.

  • Stärkung der Demokratie notwendiger denn je

    Transparency Deutschland (TI-D) hat den Koalitionsvertrag der neuen Regierung geprüft - die Bilanz fällt weitgehend ernüchternd aus. Mit Blick auf Lieferkettengesetz, Geldwäschebekämpfung sowie Klima- und Umweltpolitik seien leider erhebliche Rückschritte zu erwarten.

  • Bewertung von PCI DSS 4.0

    Am 31. März 2025 trat die neueste Version des Payment Card Industry Data Security Standard (PCI DSS) in Kraft - Version 4.0*. PCI DSS 4.0 verlangt nicht nur, dass digitale Identitäten eindeutig Personen zugeordnet werden, sondern legt zudem den Fokus auf die Aufrechterhaltung robuster Sicherheitsmaßnahmen angesichts sich ständig weiterentwickelnder Cyberbedrohungen. Organisationen, die mit Zahlungskartendaten arbeiten, müssen verbesserte Sicherheitsanforderungen umsetzen - darunter auch starke Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA).

  • EU-Richtlinie gegen Diskriminierung muss kommen

    Auf EU-Ebene fanden weitere Verhandlungen zur "5. Antidiskriminierungsrichtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung" statt. Der Sozialverband VdK fordert die Bundesregierung auf, sich endlich dafür einzusetzen, dass diese verabschiedet wird.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen