Merk: "Vorratsdatenspeicherung ist ein Muss"
naiin: "Vorratsdatenspeicherung hätte Anschläge in Norwegen wohl nicht verhindern können"
naiin kritisiert: Schlimmen Ereignisse würden von einigen Politikern dazu instrumentalisiert, die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zu fordern
(02.08.11) - Der Terroranschlag in Oslo wird offensichtlich von der Politik zur Instrumentalisierung genutzt, um für die Vorratsdatenspeicherung zu werben. So mahnte Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk an, alles zu tun, was möglich sei, um die Kommunikationswege von kriminellen Netzwerken nachverfolgen zu können:
Die Ministerin sagte: "Wir brauchen einen Zeitraum von mehreren Monaten, in denen Verbindungsdaten sicher auf Vorrat gespeichert werden. Wie will ich überprüfen, ob ein Täter alleine gehandelt hat oder Teil einer größeren Gruppe ist, wenn ich maximal sieben Tage in die Vergangenheit schauen kann und dies auch bloß dann, falls der Anbieter überhaupt Daten speichert?
"Nur wenn über mehrere Monate hinweg nachvollziehbar ist, wer mit wem telefoniert, wer wem eine E-Mail oder SMS geschickt hat, haben die Ermittler eine Chance, auch möglichen Mittätern, Gleichgesinnten oder Hintermännern auf die Spur zu kommen. Und so zu verhindern, dass sie mit ihrem kriminellen Treiben weitermachen und die nächsten Anschläge planen.
Wenn wir die Verbindungsdaten zumindest - wie es die EU-Richtlinie uns zwingend vorschreibt - für sechs Monate speichern, können wir nicht nur bereits begangene Taten aufklären, sondern auch weitere Verbrechen verhindern und Menschenleben retten.
Eines ist klar: Einen absoluten Schutz wird es niemals geben. Es wird immer Einzeltäter geben, denen man nicht rechtzeitig auf die Spur kommen wird. Aber wollen wir uns wirklich vorwerfen lassen, nicht alles Mögliche getan zu haben, um organisierte Aktionen aufzudecken?"
Im Gegensatz dazu warnt die Organisation "no abuse in internet" (naiin) angesichts der Abschläge in Norwegen vor Schnellschüssen. Die gemeinnützige Einrichtung, die seit über einem Jahrzehnt unter anderem im Kampf gegen Extremismus im Internet engagiert ist, verurteilt insbesondere, dass die schlimmen Ereignisse von einigen Politikern dazu instrumentalisiert werden, die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zu fordern.
"In Norwegen werden nach unserem Kenntnisstand IP-Adressen in der Praxis bereits über mehrere Wochen hinweg gespeichert. Außerdem stehen den Behörden weitere Überwachungsmaßnahmen zur Verfügung. Und dennoch hatten sie den Täter nicht auf dem Radar", erklärt Dennis Grabowski, 1. Vorsitzender von naiin.
Ohnehin sei die Vorratsdatenspeicherung nicht das Allheilmittel, als das sie immer wieder angepriesen werde, moniert die Organisation. "Sie kann umgangen werden, ist nicht treffsicher und verletzt die Bürgerrechte von Millionen Unschuldigen. Mit dem Wertekanon eines demokratischen Rechtsstaates ist dieses Ermittlungsinstrument nicht vereinbar", so Grabowski. naiin kritisiert darüber hinaus, dass es gerade in der deutschen Politik einen Trend gebe, nach Ereignissen wie in Norwegen das Internet vorschnell an den Pranger zu stellen.
"Das Internet ist ein freiheitliches Medium, das als solches auch erhalten bleiben sollte. Entsprechend dem hohen Stellenwert, den es in unserer Gesellschaft heute einnimmt, lässt es sich bedauerlicherweise nicht vermeiden, dass es auch von Nutzern mit extremistischer Gesinnung genutzt wird", erklärt der naiin-Vorsitzende.
Extremisten nutzen die Möglichkeiten des weltweiten Datennetzes nach Angaben von naiin vor allem zur Selbstinszenierung, Nachwuchsrekrutierung, Vernetzung und Verbreitung ihres Gedankengutes. "Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Internet vor allem aber freiheitliche und demokratische Werte in Regionen der Welt bringt, in der diese noch nicht selbstverständlich sind, und eben nicht überwiegend von Terroristen und Extremisten genutzt wird", führt Grabowski aus.
Dennoch gelte es laut naiin den Kampf gegen Extremismus jeder Couleur im Internet nicht zu vernachlässigen, sondern weiter zu intensivieren. Die Organisation fordert neben mehr Personal für die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden auch die Bereitstellung von Fördermitteln für gesellschaftliche Initiativen.
naiin kritisiert, dass ein Gros der von der Bundesregierung im Kampf gegen Extremismus bereitgestellten Fördermittel nicht für Maßnahmen im Internet vorgesehen sei. "Die aktuelle Förderpolitik der Bundesregierung trägt der zentralen Rolle, die das Internet in unserer heutigen Gesellschaft spielt, nicht angemessen Rechnung", kritisiert der naiin-Vorsitzende. (naiin: ra)
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