"Weiterer Datenskandal erster Ordnung"


Piratenpartei kritisiert "Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens": Meldebehörden geben Daten von Bürgern frei
Bürger, die nicht mit Werbung belästigt werden möchten, müssen nach Inkrafttreten des Gesetzes explizit der Weitergabe ihrer Daten durch die Ämter widersprechen

(09.07.12) - Die Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag haben am späten Abend des 28. Juni 2012 ein "Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens" ohne weitere Aussprache in geänderter Form beschlossen. Laut Angaben der Piratenpartei wurde entgegen früheren Bekundungen [1] damit die Rechte des Bürgers gegenüber Adresshändlern und Werbetreibenden deutlich geschwächt. Auch ein ursprünglich vorgesehenes elektronisches Widerspruchsrecht der Betroffenen habe die Koalition beseitigt. [2]

Bürger, die nicht mit Werbung belästigt werden möchten, müssen somit explizit der Weitergabe ihrer Daten durch die Ämter widersprechen. Nach Auffassung der Piratenpartei Deutschland sollte die Nutzung personenbezogener Daten durch Dritte jedoch erst nach ausdrücklicher Zustimmung durch die Betroffenen zulässig sein. Vielen Bürgern sei nicht bewusst, dass Meldeämter ihre Daten ungefragt weitergeben dürfen.

"Da der Staat eine Meldepflicht der Bürger gesetzlich verankert hat, sind die Behörden im Gegenzug verpflichtet, mit diesen zwangsweise erhobenen Daten sorgfältig umzugehen. Diese Sorgfaltspflicht wurde wirtschaftlichen Interessen der Werbetreibenden geopfert. Dies ist ein weiterer Datenskandal erster Ordnung", kritisierte Markus Barendorff, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland. "Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt wird, und der Staat mit diesem Gesetz gegen seine Sorgfaltspflicht aus Gröbste verstößt, stellt sich die Frage, ob die Verfassungskonformität überhaupt noch gegeben ist. Das 'Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens' ist ein einziger Rückschritt."

Die Piraten sprechen sich in ihrem Grundsatzprogramm gegen die Weitergabe personenbezogener Daten vom Staat an die Privatwirtschaft aus. [3]

Gegen den ursprünglichen Regierungsentwurf waren Inkassounternehmen und Adressdienste Sturm gelaufen, woraufhin die Regierung mit dem neuen Entwurf eine inhaltliche Kehrtwende vollführte: Grundsätzlich ist nun jede Weitergabe von Meldedaten für Werbung und Adresshandel gestattet, sofern ihr nicht zuvor explizit widersprochen wurde ("Opt-Out-Verfahren").

Quellen:
[1] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/077/1707746.pdf
[2]
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Standardartikel/DE/Themen/OeffentDienstVerwaltung/Meldewesen/ausblick.html?nn=2237178
[3]
http://wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm#Privatsph.C3.A4re_und_Datenschutz
(Piratenpartei: ra

Lesen Sie auch:
"Schockiert über Form und Inhalt der Gesetzgebung"


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Hochkompetent, verantwortungsvoll, unabhängig

    Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD), eine seit über 40 Jahren aktive Bürgerrechtsorganisation, hat mit größtem Befremden zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung bis heute immer noch keine Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber in Aussicht gestellt hat.

  • VdK-Präsidentin: "Riester-Rente ist gescheitert"

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Sparkassen-Klausel zu Riester-Abschlusskosten für unwirksam erklärt. Die Bank hatte Sparerinnen und Sparer nicht über alle Kosten des Riester-Vertrags informiert und dann zu Beginn der Auszahlphase einen Nachschlag verlangt.

  • Gesetzliche Verpflichtung zu Barrierefreiheit

    Zur Anhörung zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele: "Gerne erinnere ich das Bundesjustizministerium (BMJ) an den gemeinsamen Plan im Koalitionsvertrag, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz umfassend zu novellieren. Hier müssen endlich klare gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die privaten Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit verpflichten. Trotz Absichtserklärungen und Ankündigungen hat das für das AGG zuständige Bundesjustizministerium bisher nichts vorgelegt."

  • Gesammelte Kommentare zur US "AI Executive Order"

    Am 30. Oktober 2023 hat US-Präsident Joe Biden die "AI Executive Order" erlassen. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse der Verordnung auf einen Blick.

  • Regulierung von Foundation Models

    Zur Debatte über eine mögliche Verzögerung beim EU AI Act, mit dem die Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Europa reguliert werden soll, erklärt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst: "Der AI Act ist die wohl wichtigste Entscheidung, die Europäisches Parlament und Kommission derzeit auf der Agenda haben."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen