Pflicht zur Offenlegung der Provisionen
Erstes BGH-Urteil zu "kick-backs" (Provisionen) bei Anlageempfehlungen von Banken zeigt sich MiFID-konform
TILP Rechtsanwälte: Gravierende Konsequenzen für klassische Vermögensverwalter - Insb. Zertifikatebranche gerät unter Transparenzdruck
(06.03.07) - Nach einem gestern den Parteien zugestellten Urteil des Bankensenats des BGH (Az. BGH XI ZR 56/05; OLG München, LG München I) müssen Banken, die ihre Kunden über Kapitalanlagen beraten und ihnen dabei Fondsprodukte empfehlen, "kick-backs" der Fondsgesellschaften (Rückvergütungen) aus Ausgabeaufschlägen und jährlichen Verwaltungsgebühren offenlegen. Nur mittels dieser Transparenz kann ein Kunde nach Auffassung des BGH tatsächlich beurteilen, ob die Anlageempfehlung primär anlage- und objektgerecht erfolgte oder dem Interesse der Bank diente, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten.
Das BGH-Urteil entspricht im Grunde der EU-Finanzmarktrichtlinie "MiFID - Markets in Financial Instruments Directive" , die auch in Deutschland noch in diesem Jahr ihr Anwendung finden soll. MiFID zielt darauf ab, mehr Transparenz und Wettbewerb in den europäischen Finanzmarkt zu bringen. Dadurch sollen die Liquidität und Effizienz des Marktes erhöht und der Anlegerschutz verbessert werden. Von den vorgesehenen Änderungen sind alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen betroffen, die eine der in MiFID definierten Hauptdienstleistungen erbringen.
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Das jetzt von TILP Rechtsanwälte erstrittene BGH-Urteil hat für die gesamte Finanzbranche, vor allem aber für Banken und Vermögensverwalter weitreichende Auswirkungen. Es ist das erste Urteil des BGH, in der eine Aufklärungspflicht einer Bank festgestellt wird, die selbst ein "kick-back" zum Beispiel von einer Fondsgesellschaft aufgrund einer Anlageempfehlung und des darauf folgenden Produktkaufs durch den Kunden erhalten hat. Der BGH-Rechtsprechung zufolge müssen Banken auch über die "Größenordnung der Rückvergütungen" aufklären. Aus Sicht von TILP Rechtsanwälte kann derjenige, der das "kick-back" bezahlt, gegenüber dem Anleger ebenfalls zu Schadenersatz verpflichtet sein. Um diese Fragestellung ging es jedoch beim vorliegenden Urteil nicht.
Rechtsanwalt Andreas Tilp erläutert: "Das Urteil betrifft Kapitalanlagen aller Art und erfasst frühere wie zukünftige Fälle. Durch dieses Urteil sowie durch die ebenfalls von uns in einem anderen Zusammenhang erstrittene BGH-Entscheidung vom Oktober 2006 ist es nun gesicherte Rechtsprechung des BGH, dass eine Bank ihren Kunden über "kick-backs" zu seinen Lasten stets aufzuklären hat. Dabei spielt keine Rolle, ob die Bank diese Rückvergütungen selbst erhält oder an Dritte bezahlt".
Das aktuelle BGH-Urteil sowie die BGH-Entscheidung vom Oktober 2006 können unter tilp.de heruntergeladen werden.
Gravierende Konsequenzen für klassische Vermögensverwalter
Aus dem BGH-Urteil ergibt sich auch, dass im Rahmen von Vermögensverwaltungsverträgen eine Vermutung dahin besteht, dass ein Kunde nicht nur diejenigen Transaktionen unterlassen hätte, aus denen es für den eigenen Vermögensverwalter eine verdeckte Rückvergütung gab, sondern sämtliche Transaktionen im Depot des Kunden. Zu den Rechtsfolgen des BGH-Urteils erläutert der Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp: "Der BGH sieht im Verschweigen von "kick-backs" einen schweren Vertrauensmissbrauch. Daher wird der Kunde so gestellt, als ob er die mit "kick-backs" behafteten Geschäfte nicht getätigt hätte. Bei Vermögensverwaltungen besteht dem BGH zufolge sogar eine Vermutung dahin, dass die Vermögensverwaltung insgesamt nicht erfolgt wäre. Da hier die kurze Verjährung der Beratung bei Wertpapieren und Derivaten nicht gilt, kann dieses Urteil für die Vermögensverwaltungsbranche desaströse Auswirkungen haben. Denn dort fließen fast stets "kick-backs", ohne dass der Kunde darüber ordnungsgemäß aufgeklärt wird."
Insbesondere die boomende Zertifikatebranche gerät jetzt unter Transparenzdruck
Nach § 41 Abs. 5 InvG müssen Kapitalanlagegesellschaften bereits heute in ihren Fondsprospekten Anleger über Gebührenteilungen informieren. Dieser rechtlichen Anforderung kommen in Deutschland bereits die meisten Fondsgesellschaften nach. Anders sieht es jedoch bei Zertifikateanbietern aus.
"Die boomende Zertifikatebranche, die im Gegensatz zur Fondsbranche hierzulande noch weitgehend unreguliert ist und daher einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber der Fondsbranche verzeichnet, gerät durch das aktuelle BGH-Urteil unter einen massiven Transparenzdruck", so Andreas Tilp, der das Karlsruher Urteil erstritten hat. Die Prospekte der Zertifikatebranche sind in ihrer Informationsqualität und vor allem hinsichtlich ihrer Transparenz über "kick-backs" völlig unzureichend. "Es ist nicht einzusehen, warum Zertifikateanleger gegenüber Fondsanlegern hierzulande massiv benachteiligt werden. Dieses Ungleichgewicht sollte der Gesetzgeber korrigieren" kommentiert Andreas Tilp. (Tilp: ra)
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