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Einfallstore für Korruption in der Bauleitplanung?


Untersuchungsausschuss zum Spreedreieck in Berlin: Politik habe sich nach Ansicht von Transparency über eigene Regeln hinweggesetzt
Gerade in der Bauleitplanung können Abwägungen und Ermessensspielräume, Gelegenheit für selbstherrliches Handeln, Nepotismus und Korruption öffnen


(15.09.10) - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland kritisiert in einer Presseerklärung das nach ihrer Ansicht "politische Versagen" im Zusammenhang mit dem Verkauf des Spreedreiecks in Berlin. Der vor zwei Jahren eingesetzte Untersuchungsausschuss zu diesem Verkauf habe schwerwiegende Fehler des Berliner Senats ans Licht gebracht. Das Land habe sich nicht an selbst gesetzte Regeln gehalten.

Jochen Bäumel, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland, sagte: "Das Spreedreieck ist ein Beispiel für systemisches Versagen. Dem Land Berlin ist dadurch erheblicher Schaden entstanden. Wir fordern, dass der Berliner Senat den Rechnungshofsbericht, der diesen Schaden genau beziffert, endlich veröffentlicht".

Das erste Versagen liege - so Transparency - im Vertragsabschluss im Dezember 2000. Damals wäre ein Kaufvertrag geschlossen worden, der Leistungen des Landes Berlin versprochen hätte, von denen vorab sicher gewesen wäre, dass das Land sie nicht hätte erbringen können. Das Land hätte die vertraglichen Zusagen nicht halten können und hätte gegenüber dem Investor umfangreiche Zugeständnisse machen müssen. Dieser katastrophale Vertrag wäre durch den damaligen Finanzsenator abgeschlossen worden.

Das zweite Versagen liege bei der Senatorin für Stadtentwicklung. Sie habe angeblich die Überschreitung gesetzlicher Vorschriften und vertraglicher Vereinbarungen bei der Erstellung des Bebauungsplans im Jahr 2006 zu Gunsten des Investors akzeptiert.

Zum Hintergrund
Transparency Deutschland hat im Rahmen des Untersuchungsausschusses Spreedreieck des Abgeordnetenhauses von Berlin untersucht, wo sich Einfallstore für Korruption in der Bauleitplanung befinden. Der Untersuchungsausschuss wurde im September 2008 eingesetzt und soll die Vermögens- und Baupolitik am Spreedreieck und den umliegenden Grundsstücken, insbesondere Friedrichstraße 100-103, aufklären. Untersuchungsausschüsse sind von herausgehobener Bedeutung, weil sie der Öffentlichkeit Einblicke in die Arbeit der Exekutive gewähren, die sonst im Verborgenen geblieben wäre. Sie eröffnen Erkenntnisse, wie durch das Amt verliehene Macht ausgeübt wird. Sie zeigen Arbeitspraktiken im Umgang mit Regeln und eben teilweise auch deren "kreative" Umgehung.

Gerade in der Bauleitplanung können Abwägungen und Ermessensspielräume, die im Rahmen von Gesetzen und Verordnungen verlangt bzw. gewährt werden, Spielraum für selbstherrliches Handeln, Nepotismus und Korruption öffnen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf Kopplungsgeschäfte zu legen, die einen idealen Humus für Intransparenz und korruptives Handeln bilden.

Das erste Versagen
Das Land habe bei der Wertermittlung des Reinhardt’schen Erbes, für das die Erben einen Restitutionsantrag gestellt hätten, mit "griffweise genommenen Zahlen" operiert. So wären Vorschriften der Landeshaushaltsordnung umgangen worden, die eine Überprüfung durch das Abgeordnetenhaus vorgesehen hätten. Es wäre in der Öffentlichkeit der Anschein eines zweckmäßigen und wirtschaftlichen Geschäftes erweckt worden.

Nach Ansicht von Transparency wäre ein Grundstück veräußert worden, das laut Vertrag bei Verkauf "frei von Nutzungsrechten" und "frei von jeder tatsächlichen Benutzung" gewesen sei. Dieses Grundstück sei belastet mit einem S-Bahntunnel, einem S-Bahn-Ausgang und einem Fußgängerverbindungstunnel zwischen U- und S-Bahn. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, 26 Tage vor Vertragsabschluss, das Eigentumsrechte neu bewertete, wäre nicht berücksichtigt worden, obwohl das Land beigeladen gewesen sei.

Die Klärung der Eigentumsverhältnisse wären dem normalen Verwaltungstrott und den Gerichten überlassen worden, eine zügige Bearbeitung wäre von der politischen Spitze nicht betrieben worden. Die Organisationsstruktur und dementsprechend auch die Verantwortlichkeiten hätten bereits damals einer Überprüfung unterzogen werden müssen, um derartiges Verwaltungsversagen auszuschließen.

Bebauungspläne sollten generell vor dem Verkauf von Grundstücken festgesetzt werden, um Intensivversuchen der Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern durch Investoren vorzubeugen. Sollte das aus Flexibilitätsgründen nicht möglich sein, so ist nach Ansicht von Transparency eine Wertsteigerungsabschöpfung im Vertrag zwingend vorzusehen. Sie wäre in diesem Fall ersatzlos aus dem Vertrag gestrichen worden.

Das Land habe mit einem Investor einen fragwürdigen Vertrag geschlossen, der allen Regeln eines gewissenhaften Kaufmanns widerspreche, sagt Transpareny. Er lasse Klarheit und Wahrheit, der das Land bei allen Geschäften verpflichtet sei, vermissen.

Der Zusatzvertrag im Jahr 2004
Um den Vertrag nicht platzen zu lassen, wäre es im Jahr 2004 zu einem Zusatzvertrag gekommen. Das Land hätte dem Investor 8,7 Mio. Euro überweisen müssen. Ferner hätte der Investor weitere Grundstücke mit ca. 3.000 qm erhalten. Ursprünglich wären es 2109 qm gewesen. Zusätzlich wäre die Geschossfläche von 15.000 qm auf 17.500 qm erweitert worden.

Das zweite Versagen
Unter Berücksichtigung der Änderungen des Zusatzvertrages aus dem Jahr 2004 sei laut Transparency im Jahr 2006 ein Bebauungsplan im Abgeordnetenhaus verabschiedet worden. Bei der Verabschiedung des Bebauungsplans seinen die im Zusatzvertrag von 2004 festgelegten Eckdaten überschritten worden. So sei die Geschossfläche von 17.500 qm auf 20.500 qm vergrößert (+17 Prozent) worden. Diese Erhöhung wäre ohne Gegenleistung hingenommen worden. Eine rechtzeitige Kontrolle durch die Verwaltung hätte nicht stattgefunden. Das Land habe einen Bebauungsplan akzeptiert, der zu Gunsten des Investors die gesetzlichen und vertraglich fixierten Eckdaten überschritten habe.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe in seinem Urteil vom 18.12.2007 zum Bebauungsplan festgestellt, dass die Umwidmung von Flächen zur baulichen Nutzung, die in Wirklichkeit als Verkehrsflächen dienen, unzulässig sei. Ferner habe das Gericht teilweise erhebliche Abwägungsmängel festgestellt. Das Gericht habe den Bebauungsplan für unwirksam erklärt.

Erst ein Vergleich mit dem Kläger habe das Urteil nicht rechtskräftig werden lassen. Das Land habe dem Kläger als Ausgleich 4 Mio. Euro überwiesen. Nutznießer der erweiterten Baurechte sei der Investor gewesen; bezahlt habe das Land. Eine rechtzeitige Kontrolle durch die Verwaltung habe nicht stattgefunden.

Forderungen zur Aufklärung
Transparency empfiehlt, dass der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses nicht der Partei oder Koalition angehören sollte, deren Verhalten Anlass für den Untersuchungsgegenstand gegeben hat. Die Verhandlungen hat der Vorsitzende gerecht und unparteiisch zu führen, wie das auch vom Parlamentspräsidenten verlangt wird.

Bei der Leitung des Untersuchungsausschusses Spreedreieck durch Andreas Köhler (SPD) sei - so Transparency - teilweise die Neutralität des Vorsitzenden vermisst worden. Das habe zu einer Reihe von Unterbrechungen geführt. Der Vorsitzende habe darauf verzichtet, auf einen möglichen Interessenkonflikt, der ihn selbst betroffen habe, hinzuweisen. Es wäre guter Stil gewesen, den möglichen Interessenkonflikt vorher offen zulegen und den Vorsitz zu diesem Sachverhalt seinem Vertreter zu übertragen.

Der Rechnungshof habe die Vorgänge um das Spreedreieck untersucht. Der Bericht sei bis heute vertraulich. Transparency fordert den Berliner Senat auf, in Abstimmung mit dem Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses diesen Rechnungshofbericht zu veröffentlichen.

Forderungen im Zusammenhang mit städtischen Bauprojekten
Aktenführung und -einsicht:
Aufträge der öffentlichen Hand (Beauftragung von Stadtplanungsinstituten) gehören zur Stadtplanungsakte und müssen ebenfalls einsehbar sein.

Wertabschöpfung: Wertabschöpfungsklauseln gehören grundsätzlich in Grundstückskaufverträge, da über das Planungs- und das Baugenehmigungsverfahren Wertsteigerungen stattfinden können.

Abwägungsprozesse: Bei Abwägungsprozessen sind Schäden oder Nachteile für betroffene Dritte mit einzustellen. Die Erteilung einer Baugenehmigung ist davon abhängig zumachen, dass eine zivilrechtliche Vereinbarung vorgelegt wird und städtebauliche Verträge bei der Abwägung über die Erteilung einer Baugenehmigung mit herangezogen werden.

Städtebauliche Verträge: Städtebauliche Verträge, die die Verwaltung mit Investoren schließt, sind erst nach Abschluss und dann auch nur auf Antrag von Mitgliedern der jeweiligen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einsehbar. Dies wird mit der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen begründet. Städtebauliche Verträge sind komplett offen zu legen. Die städtebaulichen Verträge sind durch das Rechtsamt zu kontrollieren, inwieweit sie durchführbar sind (d. h. keine unzulässigen Verknüpfungen enthalten). Die Folgen für die Investoren sind in das Baulastenverzeichnis des Plangebers oder ins Grundbuch einzutragen. (Transparency: ra)

Transparency International: Kontakt und Steckbrief

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