Bericht zum Lobbying in Europa vorgestellt


Unreguliert und unausgewogen: Ein verpflichtendes Lobbyregister verknüpft mit einem Verhaltenskodex und Sanktionierungsmöglichkeiten bei Fehlverhalten weiterhin nicht in Sicht
Bericht untersucht sowohl bestehende Lobbypraktiken als auch Regulierungsbemühungen

(24.04.15) - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat den Bericht "Lobbying in Europe: Hidden Influence, Privileged Access" veröffentlicht. Der Bericht zeigt, dass Lobbying in Europa nach wie vor unzureichend reguliert ist und somit Einfallstore für Korruption bietet. Nur sieben von 19 untersuchten Ländern verfügen über gezielte Maßnahmen, die einen fairen Zugang von allen Interessen zum politischen Entscheidungsprozess sicherstellen sollen. Deutschland gehört nicht zu diesen sieben Ländern (Frankreich, Großbritannien, Irland, Litauen, Österreich, Polen und Slowenien).

Deutschland unter Durchschnitt
Interessenvertretung oder auch "Lobbying" ist integraler Bestandteil einer gesunden Demokratie, das jedoch klare und durchsetzbare Regeln braucht. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass eine Minderheit die politische Entscheidungsfindung zuungunsten öffentlicher Interessen beeinflusst.

Der nun vorliegende Bericht untersucht sowohl bestehende Lobbypraktiken als auch Regulierungsbemühungen, die ein transparentes und ethisches Lobbying in Europa und den drei zentralen Institutionen der Europäischen Union (Europäisches Parlament, Europäische Kommission, Ministerrat) gewährleisten sollen. Er geht der Frage nach, ob ausreichende Mechanismen vorhanden seien, um einen fairen und gleichberechtigten Zugang zu den Entscheidungsfindungsprozessen zu ermöglichen.

Vorreiter ist nach dem Bericht Slowenien mit einem Punktwert von 55 von möglichen 100. Slowenien verfügt über Regulierungen, die sich speziell auf Lobbying konzentrieren und robuste Regeln, die Amtsträger zur Bekanntgabe von Kontakten zu Lobbyisten verpflichten. Doch auch die dortigen verpflichtenden Lobbyregulationen weisen Regelungslücken auf und zeigen in der Umsetzung Schwächen. Zypern und Ungarn sind die Schlusslichter mit einer Bewertung von jeweils 14 Punkten, wobei die Verweigerung eines Zugangs zu Informationen insbesondere negativ auffällt.

Der Durchschnitt der untersuchten 19 Länder liegt bei 31 Punkten, Deutschland erzielt lediglich 23 Punkte. So ist in Deutschland eine Selbstregulierung durch Interessenvertreter bisher unzureichend geblieben und bietet keine Alternative zu gesetzlichen Regelungen. Ein verpflichtendes Lobbyregister verknüpft mit einem Verhaltenskodex und Sanktionierungsmöglichkeiten bei Fehlverhalten ist aber weiterhin nicht in Sicht.

Die Krisenländer der Eurozone Italien, Portugal und Spanien sind unter den fünf am schlechtesten abschneidenden Ländern. Bei diesen Ländern gelten die Lobbypraktiken und die engen Beziehungen zwischen dem öffentlichen und dem Finanzsektor als risikoreich. Der Bericht zeigt, dass nach der Finanzkrise die Reformen sowohl auf der EU- als auch auf der nationalen Ebene zu einem großen Teil durch intensives Lobbying im Finanzsektor verhindert und abgemildert wurden.

Drehtüreffekte und Interessenkonflikte
Weder die ausgewerteten Länder der Europäischen Union noch die ausgewerteten EU-Institutionen verfügen über angemessene Instrumente, um Drehtüreffekte zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zu kontrollieren. Die Interessenkonflikte in den jeweiligen Entscheidungsprozessen bleiben daher auch weiterhin bestehen.

Prof. Dr. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland: "Wir brauchen im Lobbyismus ein transparentes und faires Verfahren. Um den Einfluss von Interessen auf die Gesetzesvorbereitung nachvollziehbar und politisch diskutierbar zu gestalten, ist die Einführung eines legislativen Fußabdruckes in Deutschland und in Europa unabdingbar."

Der Bericht beinhaltet eine Reihe von Forderungen, um Lobbying vor Korruptionsgefahren zu schützen. So sollen alle Länder sowie die EU-Institutionen:

• >> verbindliche Lobbyregister einführen, die detaillierte Informationen über die Auftraggeber der Lobbyorganisation, über die Zielsetzungen und -personen sowie über die Methodik geben,
• >> "legislative Fußabdrücke" einführen, um nachvollziehbar zu machen, welche externen Beiträge eine Gesetzgebung beeinflusst haben,
• >> effektive Karenzzeitregelungen einführen.

Zum Hintergrund
Der Bericht ist Teil des Projekts "Lifting the Lid on Lobbying: Taking Secrecy out of Politics in Europe" von Transparency International, das von der europäischen Kommission finanziell unterstützt wird. Die Untersuchung baut auf den nationalen Berichten der jeweiligen Länder auf. Der Bericht "Lobbying in Deutschland" wurde bereits im Oktober 2014 veröffentlicht.
(Transparency: ra)



Transparency International: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Studien

  • Lösungsansätze gegen den GenAI-Gender Gap

    Frauen drohen bei Künstlicher Intelligenz (KI), die bis 2030 allein in Deutschland 3 Millionen Jobs verändern könnte, ins Hintertreffen zu geraten. So zeigen aktuelle Zahlen von Coursera, dass lediglich 27 Prozent der Lernenden in Generative-AI (GenAI)-Kursen in Deutschland (102.000 Einschreibungen) weiblich sind. Dies liegt noch unter dem weltweiten Durchschnitt von 32 Prozent und reicht im Ländervergleich gerade für einen Platz in den Top-Ten (Platz 9). Und das, obwohl sich allein auf Coursera im vergangenen Jahr weltweit alle 10 Sekunden jemand in einen GenAI-Kurs einschrieb.

  • Rote Linien für die zukünftige Nutzung von KI

    Laut einer aktuellen Studie von NTT Data droht eine Verantwortungslücke die durch KI möglich gewordenen Fortschritte zu untergraben. Mehr als 80 Prozent der Führungskräfte räumen ein, dass Führungsfähigkeiten, Governance und die Bereitschaft der Mitarbeitenden nicht mit den Fortschritten der KI mithalten können. Das gefährdet Investitionen, Sicherheit und das Vertrauen der Öffentlichkeit.

  • Europas Sanktionslandschaft

    Die Durchsetzung der europaweiten Datenschutz-Gesetzgebung hat einen neuen Höchststand erreicht: Erstmals überschreiten die öffentlich bekannten Bußgelder in Europa die Marke von fünf Milliarden Euro. Seit Inkrafttreten der General Data Protection Regulation (GDPR) im Mai 2018 wurden bis März 2025 insgesamt rund 5,65 Milliarden Euro an Strafen verhängt - ein Plus von 1,17 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Diese Rekordsumme spiegelt wider, wie stark sich die europäische Sanktionspraxis in den vergangenen Jahren entwickelt hat.

  • Absicherung unternehmerischer Entscheidungen

    Die zunehmende Regulierungsdichte mit immer neuen Vorschriften erschwert Vorständen und Aufsichtsräten die rechtliche Einschätzung unternehmerischer Entscheidungen und bremst unternehmerisches Handeln. Das Deutsche Aktieninstitut und die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz haben die Studie "Absicherung unternehmerischer Entscheidungen - Entscheidungsfindung in unsicheren Zeiten" veröffentlicht.

  • Herausforderung: Datenschutz & geteilte Geräte

    Die Digitalisierung schreitet in der Transport- und Logistikbranche stetig voran und macht Prozesse innerhalb der Lieferkette immer transparenter und damit nachvollziehbarer. So kam die jüngste Studie "Digitale Innovationen: Was die Transport- und Logistikbranche jetzt braucht" von SOTI zu dem Ergebnis, dass sich 80 Prozent (weltweit 78 Prozent) der deutschen Arbeitnehmenden im T&L-Bereich durch die technische Nachverfolgbarkeit von Waren, für die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit Verantwortung tragen, sicherer fühlen. Gleichzeitig empfinden jedoch 61 Prozent das Tracking dienstlicher Geräte als Eingriff in ihre Privatsphäre (weltweit 55 Prozent).

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen