Facebook-Fanpages: Streit droht zu eskalieren
ULD zeigt sicht enttäuscht: Nur eine der bisher 15 angemahnten öffentlichen und Privaten Websites verzichtete auf die Fanpage
Dr. Thilo Weichert: "Der Umfang und die Art der Rechtsverweigerung in Sachen Datenschutz durch private und öffentliche Stellen in unserem Bundesland in dieser Sache sind für mich erschreckend"
(14.11.11) - Anfang Oktober 2011 hatte das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) private und öffentliche Stellen in Schleswig-Holstein aufgefordert, die von diesen betriebenen Facebook-Fanpages abzuschalten bzw. zu deaktivieren. Das Ergebnis ist aus Sicht des ULD enttäuschend: Von den 15 angeschriebenen (sieben öffentliche und acht private) Stellen hat bisher nur eine öffentliche Stelle ihre Fanpage deaktiviert. Alle weiteren Stellen sind weiterhin über Facebook online.
Die vom ULD eingeforderte Stellungnahme gaben von den verbleibenden 14 Stellen bisher nur drei öffentliche und drei private Stellen ab, darunter auch die Staatskanzlei Schleswig-Holstein und die Industrie- und Handelskammer (IHK). Zwei der Stellungnahmen gingen nach Fristablauf ein und waren inhaltlich ohne Substanz. Mit der Nichtreaktion im Rahmen des vom ULD eingeleiteten Verwaltungsverfahrens verletzten die weiterhin eine Facebook-Fanpage betreibenden Stellen ihre Auskunftspflicht, was nach dem Datenschutzrecht - so die Ansicht des ULD - einen eigenständigen Rechtsverstoß darstellt.
Zwei Verfahren sind wegen der Besonderheiten des Einzelfalles weiterhin anhängig. Bei zwei großen Pressehäusern hat das ULD den Deutschen Presserat eingeschaltet, um zu klären, wer für das weitere Verfahren zuständig ist. Gegenüber sechs öffentlichen Stellen sprach das ULD eine Beanstandung nach § 42 Abs. 2 Landesdatenschutzgesetz (LDSG) aus. Gegen drei private Stellen wurde eine Beseitigungsanordnung nach § 38 Abs. 5 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erlassen und ein Zwangsgeld im Fall der Nichtbefolgung in Höhe von 5.000 Euro angedroht. Von einer Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit wurde zunächst abgesehen.
Mit Beanstandungen gegenüber öffentlichen Stellen ist eine Unterrichtung der Rechtsaufsichtsbehörden verbunden. Dies erfolgte in vier Fällen. Zwei Beanstandungen richteten sich gegen oberste Landesbehörden. Insofern kann, wenn der jeweiligen Beanstandung des ULD nicht abgeholfen wird, keine weitere rechtsförmliche Durchsetzung erreicht werden, da es keine Rechtsaufsicht gegenüber obersten Landesbehörden gibt. In den Beanstandungen gegenüber der Staatskanzlei und der Industrie- und Handelskammer wies das ULD darauf hin, dass eine möglicherweise schnelle und verbindliche rechtliche Klärung dadurch herbeigeführt werden kann, dass diese gegen das Unzulässigkeitsverdikt des ULD vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig eine Feststellungsklage erheben.
Ein Feststellungsinteresse der Staatskanzlei ergibt sich u. a. aus dem Interesse des Rechtsschutzes der Menschen, die sich über das Land Schleswig-Holstein über das Facebook-Portal informieren wollen. Ein besonderes Feststellungsinteresse der IHK sieht das ULD in der Klärung der Rechtmäßigkeit der Nutzung von Fanpages durch die Mitgliedsunternehmen im Lande.
Gegen die Verfügungen des ULD nach § 38 Abs. 5 BDSG kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Wird der Widerspruch vom ULD zurückgewiesen, so kann hiergegen innerhalb eines Monats Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht in Schleswig erhoben werden.
Die Kontakte mit Facebook haben ergeben, dass dort Überlegungen angestellt werden, eine spezifische Informationsseite zur Reichenweitenanalyse "Insights" einzurichten. Keine Bereitschaft besteht bisher, den Facebook-Nutzenden den Widerspruch gegen die Analyse ihres Surfverhaltens zu ermöglichen, wie dies gemäß § 15 Abs. 3 TMG erforderlich ist. Hinsichtlich der Datenspeicherung von Nicht-Mitgliedern bietet Facebook weitere Gespräche an. Denkbar sei der Ausschluss der Nicht-Mitglieder bei der Reichweitenanalyse. Hinsichtlich der Mitglieder meint Facebook, sämtliche Verarbeitungsprozesse über einen angeblich bestehenden Vertrag mit den Nutzenden rechtfertigen zu können, bei dem diesen aber keine Optionsmöglichkeiten eingeräumt werden.
Der aktuelle Verfahrensstand wird vom Leiter des ULD Dr. Thilo Weichert wie folgt kommentiert: "Der Umfang und die Art der Rechtsverweigerung in Sachen Datenschutz durch private und öffentliche Stellen in unserem Bundesland in dieser Sache sind für mich erschreckend. Die Botschaft des bisherigen Verfahrens ist, dass private wie öffentliche Stellen anscheinend die Aufgabenwahrnehmung durch das ULD und die vom ULD festgestellten Datenschutzverstöße nicht ernst nehmen. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leisteten die Staatskanzlei und die IHK, die mit ihrer Haltung öffentliche wie private Stellen zum ‚zivilen Ungehorsam‘ ermutigten. Anlass des "Ungehorsams" gegenüber dem Datenschutzrecht sind keine hochwertigen Motive, sondern allein der Wunsch, über einen Internetdiensteanbieter, der meint, nicht durch deutsches Datenschutzrecht gebunden zu sein, für sich Werbung machen zu können. Staatskanzlei und IHK sollten sich nicht feige wegducken; sie sollten jetzt zumindest dem Gesprächsangebot des ULD folgen, das auf eine schnelle und hinsichtlich des Verfahrens einvernehmliche gerichtliche Klärung hinausläuft.
Die aktuell von Facebook vorgeschlagenen Änderungen sind allenfalls erste kleine Schritte auf dem richtigen Weg, aus denen sich noch keine Änderungen der rechtlichen Bewertung ergeben und damit auch keine Änderungen hinsichtlich des Vorgehens des ULD."
Die beiden Beanstandungen gegenüber der Staatskanzlei und der IHK sowie eine anonymisierte Musterverfügung nach § 38 Abs. 5 BDSG kann im Netz abgerufen werden unter
https://www.datenschutzzentrum.de/facebook/20111104-facebook-anordnung-fanpage.html
https://www.datenschutzzentrum.de/facebook/20111104-facebook-beanstandung-staatskanzlei.pdf
https://www.datenschutzzentrum.de/facebook/20111104-facebook-beanstandung-ihk.pdf
Weitere Informationen zu dem Konflikt finden Sie unter
https://www.datenschutzzentrum.de/facebook
(ULD: ra)
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